Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Kollegen Eumann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen Opfer ihrer eigenen Politik und damit ihrer politischen Ohnmacht geworden sind, hat sich gerade schon bei der Beantwortung der Frage um die Rolle von Frau Dr. Höhler im Hochschulrat von Paderborn gezeigt.
Was sich am Hochschulstandort Siegen abgespielt hat, ist allerdings mehr als eine politische Ohnmacht. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben es jetzt amtlich. Die Vorgänge rund um die Wahl eines neuen Rektors an der Universität Siegen haben deutlich gemacht: Ihr nordrhein-westfälisches Hochschulgesetz hat der Hochschulautonomie großen Schaden zugefügt. Die Entmachtung der Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen gegenüber dem Hochschulrat wurde in Siegen offenkundig. Herr Minister Pinkwart, das haben Sie persönlich politisch zu verantworten.
Ohne zeitlichen Vorlauf, ohne Rücksprache mit dem Senat der Hochschule, ohne eine transparente Auswahl von möglichen Kandidatinnen und Kandidaten und unter größtmöglicher Geheimhaltung hat der Hochschulrat der Universität Siegen einen Rektor gewählt. Es ist gut, dass der Senat diesen Vorschlag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hat.
Sie haben es aber politisch zu verantworten, dass eine Mehrheit des Hochschulrates das Votum des Senats hätte überstimmen können. Mit einer Zweidrittelmehrheit hätte sich der Hochschulrat über diesen – wie wir meinen skandalösen – Vorgang hinwegsetzen können. Erst dank der massiven öffentlichen Kritik und der Absage des auserwählten Kandidaten Steinbach ist jetzt ein neues Verfahren eingeleitet worden. Sie haben der Hochschulautonomie einen Bärendienst erwiesen.
Der Senat hat in einer bemerkenswerten Resolution deutlich gemacht, wo die Schwäche Ihrer Konstruktion liegt. Ich zitiere:
Der Hochschulrat hat in seiner letzten Sitzung einen externen, innerhalb der Hochschule unbekannten Kandidaten zum Rektor gewählt. Obwohl dieses Verfahren gesetzeskonform ist, verletzt es grundsätzliche akademische Verfahrensweisen, nach denen ein Kandidat vor der Wahl zum Rektor eine breite Basis in der Hochschule haben sollte. Der Senat missbilligt dieses Vorgehen und sieht die Basis der Zusammenarbeit zwischen der Hochschule und dem Hochschulrat beschädigt.
Geradezu versöhnlich heißt es weiter, der Senat wünsche sich für die Zukunft eine konstruktivere Zusammenarbeit.
Herr Pinkwart, der Anlass dieser Resolution macht deutlich, die Lehrenden, die Mitarbeiter und die Studierenden an den Hochschulen haben durch Ihr Hochschulgesetz an Freiheit verloren. Das ist der politische Vorgang, den man am Beispiel des Hochschulrats Siegen und der Wahl eines Rektors zu thematisieren hat. Dafür tragen Sie – ich wiederhole mich – die Verantwortung.
Die akademische Selbstverwaltung haben Sie durch eine zentralistische Struktur ersetzt. Deswegen fordern wir Sie auf, Ihr verfehltes und die Hochschulautonomie beschädigendes Hochschulgesetz zurückzuziehen und endlich ein besseres Gesetz vorzulegen. Wir fordern auch eine angemessene und ausreichende Beteiligung aller Gruppen an der Hochschule. Wir sagen offen, der Hochschulrat der Universität Siegen ist gut beraten, wenn er seinen Hut nimmt – allen voran der Vorsitzende.
Nachdem die Vorgänge in Siegen öffentlich bekannt wurden, habe ich mich während der gesamten letzten Wochen gefragt: Wie hätte der Siegener Professor Pinkwart reagiert? Ich hoffe, er wäre genauso entsetzt gewesen wie seine Kolleginnen und Kollegen in seinem Fachbereich. Ich hoffe, er hätte die massive Beschneidung seiner demokratischen Mitspracherechte kritisiert und die Beschlüsse seiner Kolleginnen und Kollegen mitgetragen.
Lassen Sie mich abschließend eine für die SPD ganz entscheidende Bemerkung machen. Wir reden nicht abstrakt über ein Gesetz und darüber, was es an einer Hochschule anzurichten vermag. Der Hochschulrat hat billigend in Kauf genommen, dass die hervorragende Arbeit eines amtierenden Rektors auf eine beschämende Art und Weise beschädigt worden ist. Am Ende ist sie auch für Sie
beschämend, Herr Minister Pinkwart. Sie haben Strukturen geschaffen, die ein solches Verfahren erst möglich gemacht haben.
Im Namen der SPD-Fraktion stelle ich fest: Wir wissen, welche großen Leistungen Herr Rektor Schnell für die Universität Siegen geleistet hat. Wir konnten uns bei unserem Besuch in Siegen im Frühjahr 2007 persönlich davon überzeugen. Ihre politischen Entscheidungen haben es ermöglicht, dass hier Schaden angerichtet worden ist. Wir bedauern das sehr. Wir wissen um die hervorragende Arbeit von Rektor Schnell. Ich darf mich sehr herzlich für seine Arbeit bedanken. – Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Eumann. – Als nächste Rednerin hat für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pinkwart! Der Senat der Universität Siegen hat uns heute in einem offenen Brief noch einmal aufgefordert – ich zitiere –, das Ungleichgewicht zwischen Hochschulrat und gewählten Gremien der Universität bei der Rektorwahl zu mildern, größere Verfahrensklarheit herzustellen und dafür im Gesetz eine entsprechende Abhilfe zu schaffen. – Dieser Brief ist eben bei uns eingegangen.
Sie wissen, auch aus unserer Sicht besteht dringender Handlungsbedarf, um die Demokratie und die Mitbestimmung an den Hochschulen wieder herzustellen. Ich habe es schon in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses sehr deutlich gemacht. Herr Minister Pinkwart, wir haben das in der Vergangenheit nicht nur mehr als einmal gesagt, wir haben mit unserem Entwurf für ein Hochschulratskorrekturgesetz auch einen ganz konkreten Lösungsvorschlag auf den Tisch gebracht.
Wenn wir rückblickend die Umsetzung des Hochschulfreiheitsgesetzes betrachten, dann war das keine Erfolgsstory. Wir haben eben schon darüber diskutiert. Sie haben den Fall Höhler kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht in den Griff bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb. Das Chaos, das wir nun in Siegen haben, hätten Sie beinahe verschlafen, wenn der grüne Wecker Sie nicht wach geklingelt hätte.
Hochschullandschaft geschieht, die mit Ihrem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz in die Abhängigkeit eines extern dominierten Hochschulrats geraten ist, der die Geschicke der Hochschule nun von außen lenken soll.
Sie nennen Ihr Gesetzeswerk das mit Abstand freiheitlichste Hochschulrecht, Herr Minister Pinkwart. Ich stimme Ihnen dann zu, wenn man Freiheit zum Synonym für Unternehmensfreiheit macht.
Denn beim Hochschulfreiheitsgesetz sind Name und Inhalt zweierlei. Es ist sozusagen ein trojanisches Pferd: Man muss sich fragen, was Freiheit ohne die Möglichkeit nutzt, sie zu leben. Gerade ist wieder ein Hilferuf gekommen: Der Senat der Hochschule fühlt sich an der Stelle eben nicht frei. Diese Möglichkeit verweigern Sie den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.
Sie wollen die Hochschulen befähigen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, zerschlagen aber demokratische Strukturen und verordnen den Mitgliedern an den Hochschulen genau das Gegenteil, nämlich Unfreiheit. Wir fordern daher von Ihnen: Stellen Sie die Demokratie an den Hochschulen wieder her!
Mit unserem Gesetzentwurf haben wir einen Vorschlag gemacht, wie Sie Ihren Fehler korrigieren können. Greifen Sie diesen Vorschlag auf, der auch von sehr vielen Expertinnen und Experten bei der Anhörung hier im Landtag als ein guter Ansatz für die Lösung dieser Probleme angesehen worden ist. Verabschieden Sie sich von der zentralistischen Managementstruktur, von der machtvollen Position eines aufsichtsratsgleichen Hochschulrats und von einem Senat, der ihm quasi machtlos gegenübersteht!
Für eine adäquate Hochschulstruktur braucht man Aushandlungsformen, die Transparenz, Legitimation und demokratische Mitbestimmung mit der Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse verbinden. Dazu ist Ihr Hochschulrat in keinem Fall geeignet. Denn in Ihrem Gesetz ist die politische Balance zwischen Senat und Hochschulrat zweifellos nicht richtig austariert.
Die Entscheidungskompetenzen dieses externen Gremiums sind derart weitgehend, dass sie die Selbstverwaltungsgarantie der Hochschulen einschränken, was ohne Frage gegen die in der Verfassung garantierte Freiheit von Forschung und Lehre verstößt. Wenn ich den Hamburger Rechtswissenschaftler Prof. Fehling in der Anhö
rung richtig verstanden habe, ist die nordrheinwestfälische Hochschulratskonstruktion genau in diesem Sinne nicht mehr verfassungskonform.
Sie haben die Hochschulen vom Staat befreit, Herr Minister Pinkwart, aber gleichzeitig neue Abhängigkeiten geschaffen, die für eine Wissenschaftseinrichtung eben nicht förderlich sind. Wenn allein der Wettbewerb beispielsweise über die besten Studienangebote entscheiden soll, prophezeie ich Ihnen, wird die thematische Breite des wissenschaftlichen Angebots eingeschränkt und damit der gesamtgesellschaftliche Nutzen verringert. Die ersten Vorboten solcher Konzentrationsprozesse machen sich an den Hochschulen an vielen Orten bemerkbar.
An einem solchen Hochschulsystem besteht kein öffentliches Interesse. Sie haben Ihre Verantwortung mit dem Hochschulfreiheitsgesetz auf die externen Hochschulräte übertragen. Spinnen wir den Ansatz des New-Public-Managements weiter, müssten Sie sich eigentlich selbst durch ein erfolgversprechendes externes Gremium ersetzen und ablösen, verehrte Landesregierung und Regierungsfraktionen, wenn Sie Ihre Ideologie konsequent verfolgen.
Das wollen selbst wir nicht, lieber Herr Pinkwart. Wir fordern Sie deshalb auf, das Gesetz so rasch wie möglich zu ändern und sich gegenüber den Hochschulräten dafür einzusetzen, dass bis zum Abschluss einer solchen Novelle keine Hochschulleitungen mehr ernannt werden, die nicht von einer Mehrheit in den jeweiligen Senaten getragen werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion der Kollege Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der SPD-Fraktion findet sich die Forderung, dass der Hochschulrat der Universität Siegen zurücktreten soll. Im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen steht – Sie haben es gerade gesagt, Frau Seidl –, dass bis auf Weiteres keine Hochschulleitungen ernannt werden sollen, wenn es keine Senatsmehrheit gibt.
freiheitsgesetz derart geändert werden soll, dass der Hochschulrat die durch dieses Gesetz erhaltenen Ermächtigungen wieder verlieren soll. Heute ist ein Schreiben des Senats der Universität Siegen eingetroffen, der wieder mehr gesetzlich festgelegten Einfluss der Senate fordert.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier keine Generaldebatte führen, die wir in den letzten Wochen nicht zuletzt aufgrund des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen intensiv geführt haben; auch eine Anhörung wurde durchgeführt. Aus unserer Sicht gibt es keinen Anlass zur Änderung des Hochschulfreiheitsgesetzes.
Ich will zugestehen – wir müssen nicht um den heißen Brei herumreden –, dass die Art uns Weise, wie der Konflikt in Siegen stattgefunden hat, sicherlich niemand von uns wünscht.
Den Einwurf höre ich gerne, Herr Eumann. Sie unterstellen nämlich, dass es durch das Hochschulfreiheitsgesetz zu intensiveren oder häufigeren Konflikten bei der Ernennung von Hochschulleitungen gekommen ist als vorher. Das glaube ich nicht.
Sie verschweigen nämlich geflissentlich, dass es bei all den Besetzungen der Hochschulräte und den damit verbundenen Änderungen bei der Ernennung der Hochschulleitungen wirklich gut gelaufen ist. Das sollten wir hervorheben.
Ich möchte mal sehen, wo Sie noch weitere Konflikte anmahnen. Wo waren Sie denn zu Ihrer Regierungszeit, als es hier und da zu Querelen an anderen Hochschulen kam? Haben Sie dazu etwas gesagt? Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass es vorher nie Querelen gegeben hat.