Protocol of the Session on August 27, 2008

Vor dem Hintergrund rasant steigender Steuereinnahmen geben Sie den Kommunen nicht das, was ihnen zusteht, und tragen dazu bei – ich betone das an dieser Stelle –, dass die Kassenkredite explodieren. Innerhalb von drei Jahren haben sich die Kassenkredite von 10 Milliarden € auf 13,6 oder 13,8 Milliarden – darüber will ich gar nicht mehr streiten – erhöht. Das ist es eine dramatische Steigerung von mehr als einem Drittel. Und es sind Kredite auf der kommunalen Seite, die hoch zinsanfällig sind. Sie bauen im Land die Neuverschuldung zulasten der Kommunen ab, die dann sehr teure Kassenkredite aufnehmen müssen, weil sie keine andere Möglichkeit mehr haben.

Das ist gesamtwirtschaftlich, volkswirtschaftlich und gesamtstaatlich ein hoch gefährlicher und ein absolut zu verurteilender Kurs. Denn in letzter Konsequenz werden die Bürgerinnen und Bürger zwischen den Kosten, die auf sie zukommen, weil es Kassenkredite bei den Kommunen sind, oder Kreditkosten beim Land überhaupt nicht unterscheiden können und wollen. Sie werden die Kosten zu tragen haben. Die Kosten für Kassenkredi

te sind die höchsten, die teuersten und sind vor dem Hintergrund der Gefahr der steigenden Zinsen – sie sind ja in den letzten drei Monaten schon erheblich gestiegen – die mit Abstand gefährlichsten.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Löttgen?

Aber immer.

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. Sie beklagen jetzt bereits mehrfach, dass der Anstieg von 10 auf 13 Milliarden € – also um gut ein Drittel – unter unserer Verantwortung dramatisch sei. Würden Sie den Kolleginnen und Kollegen kurz erläutern, wie der Anstieg der Kommunalkredite im Zeitraum 2001 bis 2005, das heißt in vier Jahren Ihrer Verantwortung, war?

Ja, das kann ich gerne machen. Mal abgesehen davon, dass auch die Kommunen, die von Ihrer Partei regiert werden, immer wieder gesagt haben, dass da genauso gearbeitet worden ist, nämlich kreditiert worden ist, während das jetzt bestritten wird, kann ich Ihnen sagen, dass damals die Steuereinnahmen ganz andere waren.

Sie wissen, die Steuereinnahmen in den Kommunen waren ganz andere, und die Steuereinnahmen im Land waren ganz andere. Vor diesem Hintergrund mache ich ja die Ausführungen. Das müssten Sie doch ehrlich einräumen. Sie rühmen sich doch alle nasenlang der hohen Steuereinnahmen, obwohl Sie gar nichts dafür können. Für die können nämlich ganz andere etwas. Ich sage es Ihnen gerne noch einmal, damit Ihre Heiterkeit steigt: Die jetzigen Steuereinnahmen bundesweit haben wesentlich etwas mit den Reformen zu tun, die die rot-grüne Bundesregierung bis 2005 über die Bühne bringen musste und für die Sie hier und an anderen Stellen die Opposition gespielt haben. Das ist der Punkt.

Sie haben diese Steuereinnahmen nicht genutzt, um den Kommunen etwas davon zu geben, sondern in dieser kurzen Zeit ist der Kassenkreditstand tatsächlich um fast 40 % gestiegen. Ich finde, das ist für zweieinhalb Jahre eine Rekordleistung. Darauf können Sie sich schon etwas einbilden.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Herr Innenminister, ich würde auch gerne zum ifoGutachten und zum Lenk-Gutachten etwas sagen.

An all diesen Stellen haben Sie Ihre eigenen Versprechungen nicht eingehalten. Wenn man sich ansieht, wie Sie damit umgegangen sind: Das ifoGutachten war uns mehrfach versprochen und ist mehrfach verzögert worden, und es ist eben kein Zufall, dass es jetzt erst gekommen ist. Es ist auch kein Zufall, dass Sie die Beratungen hinter die Kommunalwahl 2009 ziehen.

Herr Kollege Löttgen, ich will Ihnen an der Stelle auch ganz deutlich sagen: Es ist ebenfalls kein Zufall, dass Sie alle jetzt im ländlichen Raum immer noch so tun, als ob Sie für den ländlichen Raum eine Verbesserung schaffen würden. Im nächsten Jahr werden Sie ja irgendwann das ganze Elend zeigen müssen, das Sie verursachen. Deswegen machen Sie das erst nach der Kommunalwahl und nicht vor der Kommunalwahl. Das ist völlig klar, das ist Ihre Strategie, und deswegen legen wir auch den Finger in die Wunde.

Zum NKF, Herr Innenminister, haben Sie eben gesagt: Es mag auch am NKF liegen, dass einige Kommunen aus den Nothaushalten herausgekommen sind. Herr Innenminister, ich habe Sie in den entsprechenden Sitzungen zweimal danach gefragt, auch Anfragen dazu gestellt, und ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Ausweislich Ihrer eigenen Auskünfte muss man den Eindruck haben, es sind nur NKF-Kommunen, die aus den Nothaushalten herausgekommen sind.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Es dreht sich ausdrücklich um Kommunen, die in das Neue Kommunale Finanzmanagement eingestiegen sind, vorübergehend die Ausgleichsrücklage geltend machen können und innerhalb kürzester Zeit die Ausgleichsrücklage aufgebraucht haben werden.

Noch ein letzter Satz, um Ihre Aufmerksamkeit noch ein wenig zu erheischen: Bis heute haben Sie noch nicht einmal ein Konzept für die Kommunen vorgelegt, die nach NKF eine negative Eröffnungsbilanz vorlegen müssen. Auch davor drücken Sie sich, davor drückt sich diese Landesregierung mit diesem Innenminister, mit diesem vermeintlichen Kommunalminister bis heute, weil Sie kein Konzept für diese Problematik haben.

Deswegen sind Sie alles andere als eine Kommunalpartei, Sie sind eine kommunalfeindliche Regierung und eine kommunalfeindliche Regierungsfraktion. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Der Herr Minister hat sich noch

einmal gemeldet. Bitte schön, Herr Minister Dr. Wolf, Sie haben noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, dass ich noch einmal zur Aufklärung beitragen muss, weil Herr Becker auch im dritten oder vierten Versuch nicht einsehen wird, wo das Fehlverhalten liegt. Ich danke Herrn Kollegen Löttgen sehr für seine Nachfrage, die Herrn Becker ja erkennbar ins Schleudern gebracht hat; man hat es gemerkt.

Nur für Sie zum Nachhalten, Herr Becker: Im Jahre 2000 – da waren die Grünen unstreitig in der Regierung, leider, aber es war so –betrugen die Kassenkredite 2,465 Milliarden €, und im Jahre 2005, als Sie abgewählt wurden, 10,67 Milliarden. Das nur einmal so, damit wir keine Geschichtsklitterung betreiben.

Das macht sehr deutlich, was die frühere Landesregierung für Kommunen getan hat. Wir haben festzustellen, dass im Jahre 2007 der Finanzierungssaldo, über alle Kommunen gesehen, erstmals positiv war. Ich habe das beschrieben: Die Lage ist nicht rosig; aber es gibt einen Lichtstreif am Horizont. Wir versuchen, den Kommunen im Rahmen des Möglichen und des verfassungsmäßig Gebotenen zu helfen. Ich habe sehr deutlich gesagt, dass NKF dazu beigetragen haben kann, aber natürlich können auch die besseren Einnahmen dazu beigetragen haben, sodass die positive Entwicklung in den Kommunen, die sich ins NKF bewegt haben, natürlich auch eine Rolle gespielt hat. So, wie es häufig ist, gibt es manchmal mehrere Ursachen.

Zum Lenk-Gutachten werden Sie nicht einsichtig werden, Herr Becker. Fragen Sie die kommunalen Spitzenverbände! Wir haben feste Verabredungen mit denen, dass die ihre Prüfung vornehmen können. Sie selber sind offensichtlich nicht in der Lage, ein Urteil über dieses Gutachten abzugeben. Da werden nur nebulöse Äußerungen getan. Wir wissen, dass es eine schwierige Materie ist und dass die Kommunen, bevor sie in weitere Gespräche mit uns eintreten, ihrerseits fachlichen Rat suchen. Das halte ich nur für fair und anständig. Wir gehen jedenfalls auf diesem konsensualen Wege mit den kommunalen Spitzenverbänden weiter. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 2009 Drucksache 14/7000 und die Finanzplanung des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 14/7001. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der vorgenannten Haushaltsvorlagen an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe, dass die Beratung des Personalhaushalts einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschuss unter Beteiligung seines Unterausschusses „Personal“ erfolgt. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Wir kommen zum Zweiten zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009 Drucksache 14/7002. Auch hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Gemeindefinanzierungsgesetzes an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisung einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf:

3 Fragestunde

Drucksache 14/7360

Mit der Drucksache liegen Ihnen die Mündliche Anfrage 220 aus der letzten Fragestunde sowie die Mündlichen Anfragen 223 bis 234 vor.

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 220

der Frau Kollegin Dr. Boos von der Fraktion der SPD aus der letzten Fragestunde auf:

Stipendien aus Studiengebühren

Vor nicht allzu langer Zeit – vor der Einführung der Studiengebühren – wurde vonseiten der Befürworter der Studiengebühren immer wieder angekündigt, dass zur sozialen Abfederung massiv Stipendienprogramme eingeführt werden sollten.

Das Problem war nur, dass diese immer jemand anderes finanzieren sollte. Die Politik forderte die Unternehmen auf, die Unternehmen forderten das Land auf, der Landesminis

ter forderte den Bund auf, der Bund die Unternehmen usw. Am Ende wurden bisher in NRW nur Stipendienprogramme eingeführt, die sich aus der Geldquelle speisen, die sich von Anfang an nicht dagegen wehren konnte: den Studierenden. Sie finanzieren an mehreren Standorten über ihre Studiengebühren Stiftungen, welche Stipendien vergeben.

Die Studierenden dieser Hochschulen sehen in diesen Stiftungen nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die sowieso ungewollten Studiengebühren alles andere als zeitnah in der Lehre eingesetzt werden. Zudem sind die Konstruktion der jeweiligen Stiftungen und die Stipendienvergabe für die beteiligten Studierenden oftmals intransparent, sodass vor Ort davon ausgegangen wird, dass von den Stipendien eben nicht einkommensschwächere Studierende profitieren.

Sind der Landesregierung Daten über die soziale Zusammensetzung dieser Stipendiaten bekannt?

Ich bitte Herrn Minister Dr. Pinkwart um Beantwortung. Herr Minister, bitte schön.

Sehr geehrter Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Dr. Boos, ich könnte die in der Mündlichen Anfrage gestellte konkrete Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit einem Nein beantworten.

Ich möchte dies gleichwohl nicht tun. Der ganze Duktus der Mündlichen Anfrage zeigt nämlich das große Misstrauen, welches anscheinend gegen Stipendienmodelle bei Ihnen gehegt wird, die eine auch privat finanzierte Komponente aufweisen. Darüber hinaus wird anscheinend versucht, die soziale Komponente und den Leistungsgedanken gegeneinander ausspielen zu wollen. Beides, das primär ideologisch motivierte Misstrauen gegen eine private Kofinanzierung von Stipendien und die Abwertung des Leistungsgedankens, führt meines Erachtens in die Irre.

Ich habe kürzlich den Anstoß für die Schaffung eines nationalen Stipendiensystems gegeben. Hierüber wird derzeit zwischen Bund und Ländern diskutiert. Ein solches nationales Stipendiensystem soll sich an besonders begabte Studierende richten und je zur Hälfte aus öffentlichen und privaten Mitteln gespeist werden. Die Hochschulen sollen Stipendienmittel aus der Wirtschaft und von Privaten einwerben können, die durch staatliche Mittel im Verhältnis 1:1 aufgestockt werden.

Mein Vorschlag sieht eine Stipendienhöhe von 300 € im Monat vor und strebt stufenweise einen Ausbau des Stipendienwesens auf bis zu 10 % der Studierenden an – heute erhalten nicht einmal 2 % aller Studierenden in Deutschland ein Stipendium –, wobei diese 300 € nach dem Vorschlag einkommensunabhängig ausgezahlt würden. Das heißt, ein BAföG-Empfänger würde zusätzlich zu seinem BAföG 300 € erhalten können und jener oder jene Studierende, der oder die aufgrund des elterlichen Einkommens knapp keinen BAföGAnspruch hat, würde auch einkommensunabhängig 300 € zusätzlich erhalten können.

Ein derartiges nationales Stipendiensystem wäre ein Quantensprung in der Studienfinanzierung. In einem derartigen System könnten sehr viel mehr leistungsstarke Studierende finanziell gefördert werden, als dies derzeit der Fall ist. Im Übrigen haben alle 16 Bundesländer und auch die Bundesbildungsministerin in der GWK Handlungsbedarf auf diesem Feld eingeräumt.

Man sollte deshalb gar nicht erst versuchen, das nationale Stipendiensystem schlechtzureden. Man schadet damit letztlich nur den Studierenden und hilft niemandem.

Es gibt auch Beispiele, die bereits jetzt schon zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind. Der Studienfonds Ostwestfalen-Lippe, ein gemeinnütziger Verein – ein Zusammenschluss von fünf Hochschulen der Region Ostwestfalen-Lippe –, wirbt Spendengelder ein und vergibt Stipendien sowohl an besonders Begabte als auch an finanziell bedürftige Studierende. Der Studienfonds OWL fördert mittlerweile knapp 160 Studierende mit Stipendien in Höhe von 1.000 bis 4.000 € pro Jahr. 10 % der Stipendien werden explizit nach dem Kriterium sozialer Bedürftigkeit vergeben. Mittlerweile liegen nach Auskunft des Fonds Spenden und Spendenzusagen in Höhe von 900.000 € vor.

Es gibt eben sehr wohl die Bereitschaft in unserer Gesellschaft und auch der Wirtschaft, etwas für die finanzielle Förderung unserer Studierenden zu tun. Man muss versuchen, diesen Schatz zu heben und ihn nicht zu diskreditieren. Wir dürfen nach meiner festen Überzeugung keine Chancen vertun.