Nehmen wir nun einmal die Wasserstraßen. Über deren Reservepotenziale werden gerne Sonntagsreden gehalten. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde auch über ein von Ihnen verkündetes Hafenkonzept gesprochen. Danach soll eine Menge geschehen, eine Menge kostspieliger Dinge, die aber andere natürlich bezahlen sollen. Selbst die Hafensicherheitskontrolle haben Sie auf Dritte übertragen.
Das ist natürlich ein sehr bequemes Konzept, sich auf das Erdenken von Wünschen zu beschränken, die Finanzierung anderen zu überlassen und dann auch noch zu kritisieren, dass diese nicht schnell genug sind. Ich meine, ein solches Konzept könnte für die Regierung eines Bundeslandes mit 18 Millionen Einwohnern doch etwas professioneller ausfallen.
Den Faktor Luftverkehr haben Sie komplett ausgeblendet, obwohl doch das Luftfrachtaufkommen ebenfalls massiv zunimmt und sicherlich auch weitere Steigerungspotenziale besitzt. Dieses Potenzial müsste man dann aber auch zu aktivieren bereit sein; denn sonst sind die Klagelieder über überbelastete Straßen oder Schienen nicht glaubhaft. Sie bekunden auch hier immer wieder die Losung von den Flughäfen als Jobmaschinen. Aber vor Ort – auch hier ist es nicht anders – organisiert Ihre CDU systematisch den Widerstand. Sogar Ihr eigener Landtagskollege aus Siegburg – ich trage das immer wieder vor – sorgt mit dafür, dass gegen Ihren Standpunkt, den Sie hier vortragen, sogar juristisch vorgegangen wird.
Wenn diese Doppelstrategie Ihr Konzept ist, wundert uns auch nicht die geringe Aussagekraft Ihrer Stellungnahme zu den Fragen der Grünen.
Zum Thema Grüne will ich dann mit Blick auf den Luftverkehr noch anfügen wollen: Mit der Forderung nach einer Zentralisierung der Luftverkehrsstandorte auf drei würden Sie bei steigendem Güterverkehr unter dem Strich eher ein Mehr an LKW auf den Straßen produzieren, sodass ich Sie bitte, das noch einmal zu überdenken.
Im Übrigen: In Düsseldorf – man könnte zu jedem Flughafen etwas Ähnliches sagen – ist es auch nicht anders. Sie haben zwar letztens noch die neue Betriebsgenehmigung lobgepriesen, aber in den Anrainerstädten organisiert Ihre CDU vor Ort den Widerstand und unterstützt Resolutionen gegen das, was Sie hier vortragen.
Auch wenn man jeden Flughafen einzeln betrachten könnte, muss man das Gesamtbild NRW berücksichtigen. Denn wenn ein Konzept zukunftstauglich sein soll und der Luftverkehr zusätzlich erhebliche Verantwortung bei der Bewältigung der Güterverkehrszuwächse übernehmen muss, müsste es doch ein weit über 2010 hinaus gültiges Luftverkehrskonzept geben, das darüber Aussagen trifft und Ziele festlegt, wie es unsere damalige Regierung auch über den Zeitraum einer Wahlperiode hinaus zukunftsgerichtet erarbeitet hat.
Auch hier völlige Fehlanzeige! Es liegt nicht nur nichts vor, sondern Sie tun auch noch kund, dass Sie bis 2010 kein Konzept vorzulegen beabsichtigen. So kommen Sie dem Problem, das betreffend den LKW-Verkehr beklagt wird, nicht bei.
Wie stehen Sie denn zu der von SPD-Seite einmal vorgetragenen Idee, als Entlastung für die bis an die Grenzen genutzten rechts- und linksrheinischen Rheintaltrassen im Schienenverkehr eine weitere reine Nord-SüdGüterverkehrstrasse zu planen? Haben Sie das mit Ihren Amtskollegen in den betroffenen benachbarten Bundesländern erörtert? Haben Sie mögliche Linienvarianten auf NRW-Gebiet erwogen?
Sie können ja nicht immer nur das Schicksal beklagen, dass Sie nicht schon seit Landesgründung in der Regierung sind und die böse SPD immer irgendwo alles falsch macht.
Hier böte sich die Gelegenheit, eigene, kreative Lösungen zu unterbreiten, die machbar sind und unser Land voranbringen würden.
Kurzum: Der Güterverkehrskollaps ist kein Schreckgespenst. Er droht im Prinzip und mit ihm auch der Wirtschaftskollaps. Sie können von uns als Opposition – das sage ich ganz klar – durchaus erwarten, dass wir an Lösungen mitwirken, auch wenn sie einschneidender Art sein sollten. Wir müssen aber – da Sie die Regierung nun einmal stellen – von Ihnen erwarten, dass Sie tragfähige Konzepte ausarbeiten. Das, was hier auf der Grundlage der Großen Anfrage der Grünen vorliegt, wird dem allerdings nicht im Ansatz gerecht. – Danke schön.
(Vereinzelt Beifall von der SPD – Minister O- liver Wittke: Verspäteter Schlussapplaus von zwei Abgeordneten der SPD!)
Danke für den Kommentar, Herr Minister! – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum auch immer der Kollege Tüttenberg die Regierungsfähigkeit der Koalition in Nordrhein-Westfalen zu bewerten versuchte: Er mag das tun, doch diese Bewertung sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern überlassen. Die Bürgerinnen und Bürger bewerten ja im Moment in aktuellen Umfragen die Regierungsfähigkeit der SPD – sowohl im Bund als auch im Land. Und diese Bewertung durch die Bürgerinnen und Bürger ist für die SPD vernichtend.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Dank an die Mitarbeiter des Verkehrsministeriums! Sie haben sehr viel gearbeitet, eine Große Anfrage her
vorragend bearbeitet und mit zahlreichen Zahlen, Daten und Fakten versehen, die uns sicherlich weit über den heutigen Tag hinaus beschäftigen werden.
Wenn die Grünen gehofft hatten, mit der Großen Anfrage Munition für ihre ideologische Anti-LKWPolitik zu bekommen, sind sie gründlich enttäuscht worden. Der Güterverkehr wird in den nächsten Jahren mit gewaltigen Wachstumsraten zunehmen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verkehrsträger Schiene seine Leistung um 65 % steigern kann und sich der kombinierte Verkehr der Bahn verdoppelt, wird der Straßengüterfernverkehr bis zum Jahre 2025 – bezogen auf 2004 – voraussichtlich um 84 % zunehmen. Auf einigen Trassen werden es weit über 100 % sein. Ob wir es wollen oder nicht: Die Straße wird auch in Zukunft die Hauptlast des Güterverkehrs tragen müssen.
Selbstverständlich muss man weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, um Güterverkehr von der Straße auf die Schiene und auf das Schiff zu verlagern. Doch die reale Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene darf man dabei nicht überschätzen.
Der LKW-Verkehr erbringt heute rund 70 % der Verkehrsleistungen im Güterverkehr, die Schiene etwa 17 % und die Binnenschifffahrt rund 12 %. Es ist und bleibt eine grüne Illusion, unsere Verkehrsprobleme durch eine Politik des Verlagerns, Verteuerns und Verhinderns von Straßengüterverkehr lösen zu können.
Meine Damen und Herren, ein wichtiger Zusammenhang wurde von den Grünen und in rotgrünen Regierungszeiten auch von der SPD völlig ignoriert: Verkehr, Infrastruktur und Logistik auf der einen Seite, Wohlstand und Arbeitsplätze und Wirtschaft auf der anderen Seite gehören untrennbar zusammen. Wer eine Seite vernachlässigt – und das tut die Politik der Grünen – geht ein großes Risiko für Arbeitsplätze und Wohlstand in Nordrhein-Westfalen ein.
Wegen widersprüchlicher Vorstellungen innerhalb der rot-grünen Koalition ist es in den vergangenen Jahren außerordentlich sträflich versäumt worden, die notwendigen Verkehrsinvestitionen in Nordrhein-Westfalen umzusetzen. Wäre bei SPD und Grünen nicht jede noch so kleine Ortsumgehung Auslöser einer mittelschweren Koalitionskrise gewesen, wäre die Situation heute weit besser – auch für die Verkehrssicherheit.
Herr Tüttenberg, Sie verwendeten eben den Begriff Notstand. Die jetzige Situation ist auch entstanden, weil Sie in Ihrer Regierungszeit nicht ge
nügend Projekte zur Baureife gebracht haben, sodass das Geld, das uns der Bund für den Ausbau von Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt hat, hier nicht ausgegeben werden konnte. Wenn Sie einen Notstand beklagen – ich weiß nicht, ob es so ist –, sind Sie auf jeden Fall an dessen Entstehen beteiligt.
Lachen Sie über sich selbst? Das können Sie gerne tun. – Wir haben jetzt genügend baureife Projekte. Während Sie 2004 eine baureife Bundesfernstraße hatten, sind wir über 14 nun bei 21 angekommen. Unter Schwarz-Gelb fließen keine Millionen mehr in südliche Bundesländer. Unter Rot-Grün, unter einer SPD-geführten Landesregierung, war das die Regel. Millionen, die hätten ausgegeben werden müssen, haben Sie nach Bayern und Baden-Württemberg verschenkt. Das ist doch Ihre Politik gewesen. Zum Lachen ist das eigentlich nicht, lieber Herr Hilser, das ist eher zum Weinen.
Neben dem Ausbau haben wir den Verkehrsfluss durch ein wirksames Baustellenmanagement, Beschleunigung von Baumaßnahmen, Verlegung von Bauarbeiten in verkehrsärmere Nachtstunden, Beseitigung von Störfällen und gezielte Verkehrsinformationen optimiert. Die Anzahl der Staus konnte im Jahr 2007 um fast 10 % gegenüber dem Jahr 2004 reduziert werden.
Das heute bereits im Bundesvergleich überdurchschnittlich hohe Verkehrsaufkommen und das weitere Wachstum auf der Straße und auf der Schiene, das unbestritten ist, machen einen Ausbau aller Verkehrsträger – ich betone: aller Verkehrsträger – dringend erforderlich, ohne dabei den einen oder den anderen zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
Die Schiene wird dabei einen immer größeren Stellenwert im Seehafenhinterlandverkehr und im Containerverkehr bekommen. Hier wird in den nächsten 15 bis 20 Jahren eine Verdreifachung der Gütermengen erwartet.
Deshalb brauchen wir zum Beispiel dringend – das haben heute schon zwei Debattenbeiträge aufgezeigt – den Eisernen Rhein. Die Vorgehensweise des SPD-Bundesverkehrsministers bei diesem wichtigen Punkt kann ich absolut nicht nachvollziehen. Aber ich glaube, das wird in den nächsten Monaten noch einmal ein wesentliches Thema werden. Es wäre für Nordrhein-Westfalen
wichtig – darin sind wir uns vielleicht wieder einig –, dieses Projekt auf der Grundlage des Beschlusses aller vier Landtagsfraktionen konsequent voranzutreiben.
Die Antwort auf die Anfrage der Grünen macht deutlich: Der LKW-Verkehr in Deutschland ist für den Steuerzahler und die Allgemeinheit kein Zuschussgeschäft. Der Staat kassiert beim LKWKraftstoffverbrauch mehr als 11 Milliarden € Steuern. Hinzu kommen die Einnahmen aus der KfzSteuer und der LKW-Maut. Es ist davon auszugehen, dass der LKW-Verkehr ebenso wie der PKWVerkehr für die Allgemeinheit ein gewinnbringendes Geschäft ist. Eine Erhöhung der LKW-Maut, von den Grünen und dem SPD-Verkehrsminister gefordert, ist deshalb reine Abzockerei. Aber auf dieses Thema werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt zurückkommen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Wittke. Bitte schön, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Landesregierung hat die Große Anfrage 18 ausführlich beantwortet. Aus diesem Grund will ich mich relativ kurz fassen und einige Ausführungen zum LKW-Verkehr in unserem Land und einige grundsätzliche Bemerkungen machen.
Voraussetzung für die Standortqualität und die wirtschaftliche Entwicklung ist ein reibungsloser und pünktlicher Gütertransport. Dafür brauchen wir alle Verkehrssysteme, und deshalb darf es keine Vorrangpolitik für einen ganz bestimmten Verkehrsträger geben. Daher ist es auch unsinnig, eine Schienen- oder eine Straßenvorrangpolitik betreiben zu wollen.
Nein, wir brauchen die Schiene, wir brauchen die Straße, wir brauchen die Wasserstraße, und, Herr Tüttenberg, wenn es Sie beruhigt, wir brauchen auch den Luftverkehr. Dabei ist der Anteil des Frachtverkehrs verschwindend gering, wenngleich er von hoher Bedeutung und in einigen Bereichen ganz besonders wichtig ist.
Wir brauchen ein Zusammenwirken der unterschiedlichsten Verkehrsträger; denn ohne sie sind Wirtschaft, Handel und Gewerbe in unserem Land undenkbar. Der Güterverkehr wird nach der Prognose des Bundes zur deutschlandweiten Verkehrsverflechtung auch in den nächsten Jahren
Ich will noch auf eines hinweisen: Alle bisherigen Prognosen hatten in der Vergangenheit gemein, dass sie weit vor dem eigentlich prognostizierten Zeitpunkt bereits eingetreten sind; die Zeiträume sind teilweise deutlich übertroffen worden.
Ich will nur ein Beispiel nennen. In der aktuellen Bundesverkehrswegeplanung ist die Güterverkehrsmenge, die sich heute auf der Straße befindet, eigentlich erst für das Jahr 2015 vorgesehen. Das heißt, wir sind in der Verkehrsbelastung sieben Jahre vor der Zeit der letzten Prognose.
Erfreulicherweise zeigen insbesondere der Seehafenhinterlandverkehr und der Containerverkehr eine hohe Dynamik. Die Landesregierung strebt zur Entlastung der Straße unter anderem an, den Seehafenhinterlandverkehr verstärkt über die Schiene abzuwickeln. Dazu gehört auch, mit dem Bau von Umschlagterminals an Wasserstraßen und im Schienennetz den kombinierten Verkehr zu stärken. Dazu gehört aber vor allem eine Sichtweise, die in Berlin noch nicht sonderlich weit verbreitet
und bei Herrn Tiefensee aus seinem ostdeutschen Blickwinkel heraus nicht ganz so ausgeprägt ist, dass die meisten Überseecontainer ihren Weg nach Deutschland nicht über Bremen oder Hamburg finden, sondern die wichtigsten Überseehäfen der Bundesrepublik Deutschland die Häfen in Antwerpen und Rotterdam sind.