Protocol of the Session on May 15, 2008

Ich kann Ihnen nur empfehlen: Lesen Sie die vielen Anträge zur Kinderarmut, die wir als grüne Fraktion eingebracht haben. In jedem einzelnen Antrag ist mehr Substanz als in dem Antrag, den Sie heute vorgelegt haben.

Eine Forderung in Ihrem Antrag hat mich geradezu amüsiert. Sie wollen mittel- und langfristig die Qualität der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen verbessern. Ich habe mich gefragt, ob CDU und FDP endlich eingesehen haben, dass die Arbeit in den Kindertagesstätten durch das KiBiz nicht verbessert wird. Dann wäre ich sehr froh. Darüber können wir an anderer Stelle weiterreden. Nichts anderes beinhaltet eine solche Forderung.

(Zurufe von der CDU)

Wir sehen: Dieser Antrag ist eine Aneinanderreihung von Floskeln und Leerformeln. Er zeigt wieder aufs Neue: Ihnen fehlt die Gestaltungskraft und das Gestaltungsvermögen. Sie haben keine Lösungen und keine Konzepte für die drängenden Zukunftsfragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schlicht: Diese Drucksache ist unter die Rubrik „Anträge, die die Welt nicht braucht“ einzuordnen. Mich erinnert er an ein warmes, schlecht gezapftes Pils an einem schwülen Sommerabend. Der wenige Schaum fällt schon nach dem ersten Schluck in sich zusammen. Es schmeckt schal und klebrig, und die einzige Wirkung, die es entfaltet, ist, dass es ermüdet, benebelt und einschläfert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung stellt Kinder und Familien in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, denn Familien sind das Lebenselixier unserer Gesellschaft. Dieses Lebenselixier wollen wir stärken. Wir wollen, dass Familien in Nordrhein-Westfalen die Angebote finden, die sie für die Wahrnehmung ihrer für die Zukunft so wichtigen Aufgaben brauchen, dass sie entlastet werden und dass noch mehr Menschen zur Gründung einer Familie ermutigt werden.

Darum begrüßen wir den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP ausdrücklich. Er stellt Familien in den Mittelpunkt, gibt mit seinen Forderungen wichtige Impulse und macht vor allen Dingen deutlich, dass wir Benachteiligungen ausgleichen müssen. Bildung ist dabei ohne Zweifel ein zentraler Baustein und Ansatzpunkt für politisches Handeln, denn Bildung eröffnet Lebenschancen. Der Antrag geht dabei richtigerweise von einem breiten Bildungsverständnis aus, das weit über die Schule hinausgeht. Darum müssen zum Beispiel auch die Kinder- und Jugendhilfe von der frühen Bildung über die Kinder- und Jugendarbeit und die Familienbildung ihre Kompetenzen einbringen.

Seit Übernahme der Regierungsverantwortung durch CDU und FDP wurde in NordrheinWestfalen bereits eine Reihe von Projekten und Initiativen auf den Weg gebracht, um die Lebenslagen von Kindern und ihren Familien zu verbessern. Diese Politik setzen wir konsequent fort. Ich will die wichtigsten Handlungsfelder nennen:

Als wir 2005 die Regierung übernahmen, waren wir in Deutschland Schlusslicht bei der U3Betreuung. Jetzt machen wir den Sprung ins obere Drittel. Die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder im Alter von unter drei Jahren in NordrheinWestfalen wird bis zum Jahre 2010 auf 90.000 erhöht. Der Krippenkompromiss zwischen Bund und Ländern sorgt für eine weitere Aufstockung auf 144.000 Plätze bis zum Jahre 2013. Bereits in diesem Jahr wird es mit 44.600 Plätzen für unter Dreijährige vier Mal so viele Plätze wie zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme geben. – Ich wundere mich, dass Sie von der Opposition das, was Sie heute in der Debatte gesagt haben, vor dem Jahr 2005 in keinem Punkt umgesetzt haben.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Hinzu kommen rund 14.150 Plätze für Kinder unter drei Jahren in der Kindertagespflege. Insgesamt haben wir damit die Voraussetzungen für fast 60.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen. – Noch einmal: Unter Ihnen waren es 11.000.

Wir wollen die Chancen der Kinder verbessern. Das muss nach meiner Überzeugung mit einer Stärkung der Familien einhergehen. Deshalb haben wir die neuen Familienzentren entwickelt, die Anlaufstellen für Kinder und Familien sein sollen. Die Familienzentren sind ein großer Erfolg. Allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz: Seit Beginn der Pilotphase im Sommer 2006 sind im ganzen Land mehr als 1.000 neue Familienzentren entstanden. Im Kindergartenjahr 2008/2009 werden es sogar 1.500 sein.

(Minister Andreas Krautscheid: Hört, hört!)

Die Landesregierung hat am 15. April 2008 eine Ganztagsoffensive gestartet. Dafür sollen in den Jahren 2009 und 2010 zusätzlich rund 175 Millionen € zur Verfügung gestellt werden, davon 75 Millionen € für Personalkosten und 100 Millionen € für Investitionen. Damit wird ein bedarfsgerechter Ausbau von Ganztagsschulen über die Primarstufe hinaus auch in der Sekundarstufe I möglich. Zusätzlich können an allen Schulen Übermittagsbetreuungen für Schülerinnen und Schüler an Tagen mit Nachmittagsunterricht eingerichtet werden. Für die Familien ist das, so denke ich, eine wesentliche Entlastung.

Mir ist wichtig, zu betonen: Mit dem U3-Ausbau und der Ganztagsoffensive investiert die Landesregierung in erheblichem Maße in die Zukunft der Kinder und Jugendlichen – trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung. Dies ist ein deutlich erkennbarer Akzent im Haushalt.

Wenn wir Familien stärken wollen, müssen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich verbessern. Viele der Vereinbarkeitsmodelle, die in den Unternehmen angeboten werden, entsprechen aber nicht genau genug dem Erfordernis berufstätiger Eltern. Darum müssen wir unbedingt neue und passgenaue Modelle entwickeln. Daran arbeiten wir.

So werden, um nur ein Beispiel zu nennen, in einem gemeinsamen Projekt mit der Bertelsmann Stiftung Mentoren ausgebildet, die in den Unternehmen als Promotoren für die Vereinbarkeit wirken sollen.

Eine der wichtigsten Aufgaben besteht darin, Kinder vor Gewalt und Vernachlässigung zu schützen. Mit dem am 30. Januar 2007 von der Lan

desregierung beschlossenen Handlungskonzept „Kinderschutz“ haben Herr Minister Laschet und ich gemeinsam wirksame Initiativen zum Schutz von Kindern auf den Weg gebracht.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Durch die Einbindung der Kommunen, der Landesjugendämter und der Bezirksregierungen in die Umsetzung des Handlungskonzeptes ist es gelungen, auf breiter Ebene für Fragen des Kinderschutzes zu sensibilisieren.

Es ist unhaltbar, dass Kinder nicht nur ein Armutsrisiko für Eltern darstellen, sondern selbst Opfer von Familienarmut sind. Vor allem Alleinerziehende und ihre Kinder sowie kinderreiche Familien mit drei und mehr Kindern haben ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko. Häufig gilt: Wer einmal in der Armutsspirale ist, kommt kaum von alleine wieder heraus. Diesen Automatismus müssen wir durchbrechen, auch mit neuen Konzepten und vor allen Dingen mit früher Förderung. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Armut von Kindern am besten dadurch verhindern, dass wir den Eltern Chancen auf einen Arbeitsplatz und ein existenzsicherndes Einkommen eröffnen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Allerdings ist dies keine neue Tatsache. Nur: Die alte Landesregierung hat das in all ihre Sozialberichte geschrieben, dann aber keine Betreuungsangebote für unter Dreijährige entwickelt.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Damit war die Spirale vorgegeben. Die Situation wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Wir müssen also die Reformen für familienpolitische Leistungen fortsetzen. Wichtig ist mir dabei, Geld nicht als einziges Mittel der Familienpolitik zu verstehen.

(Beifall von der CDU)

Vielmehr muss die Frage im Vordergrund stehen, welchen Zielen wir Priorität einräumen wollen, welche Instrumente die Kinder und ihre Familien unter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wirklich nutzen. Die Benachteiligung von Kindern insbesondere aus einkommensschwachen Familien ist umfassend und vielgestaltig. Geringes Einkommen, mangelnde finanzielle Sicherheit und fehlende Perspektiven auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse werden als Belastung erlebt und schränken die sozialen Teilhabemöglichkeiten massiv ein: in der Schule sowie im Wohnumfeld, aber auch bei der Freizeitgestaltung.

Wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen und müssen alle Möglichkeiten nutzen, um diese Kinder in ihrer wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Situation zu unterstützen und zu fördern. Deshalb hat die Landesregierung am 8. April 2008 einen runden Tisch „Hilfe für Kinder in Not“ beschlossen. Beteiligt sind alle Ministerien der Landesregierung. Die Federführung liegt gemeinsam bei meinem Ministerium und dem Familienministerium.

Im Übrigen ist dies auch ein Zeichen, dass wir diese Fragen nicht, wie Sie es getan haben, in den Sozialberichten verstecken, die Sie nicht einmal im Landtag diskutiert haben,

(Beifall von der CDU)

sondern dass wir mit diesen Fragen offen umgehen, um hier für eine Veränderung zu sorgen.

Mit diesem runden Tisch will die nordrheinwestfälische Landesregierung vor allen Dingen für Kinder, die in einkommensarmen Familien aufwachsen, neue Perspektiven schaffen. Dazu sollen in einem ersten Schritt alle bestehenden Maßnahmen der Ministerien gesammelt, bewertet und zu einem gemeinsamen Handlungskonzept gebündelt werden. In einem weiteren Schritt sollen neben den Landesministerien auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Institutionen wie der Kommunen, der Kirchen, der Freien Wohlfahrtspflege, der Tarifparteien, der freien Träger der Jugendhilfe und der Verbände im Schulbereich zu dem runden Tisch hinzugezogen werden. Erste Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit Anfang 2009 vorgestellt werden.

In der bundespolitischen Debatte hat sich die nordrhein-westfälische Landesregierung aktuell mit einer neuen Bundesratsinitiative eingebracht. Damit wollen wir erreichen, dass die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche unverzüglich neu bemessen werden. Bei dieser Neubemessung muss erstens die Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen, Schulen mit Nachmittagsangeboten und Kindertageseinrichtungen berücksichtigt werden. Zweitens müssen besondere Lernmittel für Schülerinnen und Schüler abgedeckt sowie Leistungen für besondere Einzelfälle aufgenommen werden.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gibt zwar Anlass zur Hoffnung. Dennoch leben in Nordrhein-Westfalen 445.000 Kinder von Hartz-IVLeistungen. Es darf nicht sein, dass Eltern trotz Erwerbsarbeit auf den Bezug von Hartz IV angewiesen sind, und zwar nur deshalb, weil sie Kinder haben. Darum brauchen wir dringend einen verbesserten und weniger bürokratischen Kinder

zuschlag im Bundeskindergeldgesetz. Die Bundesregierung hat einen ersten Entwurf zur Diskussion gestellt. Wir werden sorgfältig prüfen, ob er dem Ziel, möglichst viele Kinder aus dem Hartz-IV-Bezug herauszuholen, gerecht wird. Ebenso wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine Erhöhung des Kindergeldes engagieren, insbesondere für Mehrkinderfamilien.

Sie sehen, dass wir vieles angepackt haben, um unserem Anspruch gerecht zu werden, ein kinder- und familienfreundliches Land zu werden. Diese Projekte müssen sich nun in den Kommunen bewähren, denn dort laufen die Fäden zusammen. Das Leben von Kindern und ihren Familien spielt sich in ihren Städten und Quartieren ab. Es hängt ganz entscheidend von den lokalen Rahmenbedingungen ab, ob die Chancen und der Lebensalltag von Kindern und Familien verbessert werden können.

Wirtschaftliche Zukunft, der Wohlstand der deutschen Städte und Landkreise sowie die Attraktivität von Standorten für Investoren werden künftig immer stärker davon abhängen, ob die Regionen jungen Familien ein lebenswertes Umfeld und eine berufliche Perspektive bieten können. Was gestern nur ein Autobahnanschluss war, bestimmt heute und erst recht morgen die Attraktivität des Lebensumfeldes von Familien mit Kindern. Das ist nur ein Beispiel für die Entwicklung von Regionen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass sich die neue Landesregierung in der Kinder-, Familien- und Jugendpolitik dadurch von den Vorgängerregierungen unterscheidet, dass sie nicht nur darüber redet, dass wir zu wenige Kinder haben, sondern sich tatsächlich um die Kinder kümmert, die es in unserem Land, Nordrhein-Westfalen, bereits gibt, damit deren Chancen zur Teilhabe in unserer Gesellschaft verbessert werden. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Hendricks das Wort.

(Zuruf von der Zuschauertribüne: Ich weiß, dass ich nicht reden darf, aber ich frage: Wa- rum nimmt man Hartz-IV-Empfängern das Kindergeld wieder weg?)

Sie sind nicht Mitglied des Parlaments und können das Wort deshalb nicht ergreifen. Bitte setzen Sie sich wieder hin und hören Sie zu! Danke schön.

Frau Hendricks, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mich in diesem Parlament umschaue, dann stelle ich bezüglich dieser Debatte zu einer Top-Zeit und zu einem Top-Thema fest, dass es bei den Regierungsfraktionen offensichtlich kein Top-Interesse gibt.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP]: Wer im Glashaus sitzt …)

Sie haben doch den Antrag eingebracht, Herr Lindner, und nicht wir. Sie haben heute einen Antrag eingebracht, mit dem Sie sich für jedes Kind einsetzen wollen, aber Ihre Reihen sind leer und das Interesse ist mager. Das stelle ich nur für das Protokoll fest.

(Widerspruch von CDU und FDP)