Meine Damen und Herren, die Bochumer Studie belegt, Religion hat integrationsstiftende Wirkung, integrationsstiftende Wirkung auch für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, integrationsstiftende Wirkung auch dafür, dass Muslime und Christen in dieser Gesellschaft zusammenleben.
Wenn Sie einmal sehen, was auf christlicher Seite geschieht, stimmt das genauso. Gerade in christlichen Gruppen, in christlichen Gemeinden, in christlichen Bildungseinrichtungen wird Dialogarbeit betrieben, wird Integrationsarbeit geleistet.
Bitte, betrachten wir nicht die religiöse Fundierung und die religiöse Ausrichtung von Menschen als Hindernis, sondern als einen positiven Beitrag zur Integration. Ich glaube, das ist ein entscheidender Punkt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb: Wir machen Nordrhein-Westfalen zum Modellland für Integration und Glaubensfreiheit. – Vielen Dank.
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben wir mit der Islamkonferenz öffentlichkeitswirksam den Dialog mit dem Islam. Aber man muss auch sagen, dass es der Dialog innerhalb der muslimischen Community ist, den wir durch diese Islamkonferenz mit Staat, Gesellschaft, aber auch untereinander feststellen können und der neue Impulse bekommen hat.
Wir haben festgestellt – das ist erfreulich –, dass wir Konsens in vielen wichtigen und wesentlichen Punkten innerhalb des Parlaments in NordrheinWestfalen haben. Wir haben die Hoffnung, dass dies tatsächlich der Konsens innerhalb unserer gesamten Gesellschaft ist, dass die Werte unseres Grundgesetzes für jeden Mann und jede Frau
Gültigkeit haben, dass wir die im Grundgesetz gesetzten Rahmen für alle durchsetzen. Die Grundwerte unseres Grundgesetzes dürfen – egal, aus welcher Motivation heraus – nicht infrage gestellt werden, auch nicht – das sage ich jetzt ganz deutlich – durch religiöse Beweggründe.
Wir haben bei allen Problemen mit Blick auf die aufgeworfenen föderalen Fragen, wie die Kulturhoheit der Länder in dem Kontext der Islamkonferenz in diesem Haus eine Übereinstimmung darin, dass wir islamischen Bekenntnisunterricht in deutscher Sprache und unter staatlicher Aufsicht wollen. Das ist ein wichtiges Instrument, und stellt eine Möglichkeit und eine Chance dar, die Werte unseres Grundgesetzes an junge Muslime heranzutragen, sie dafür zu gewinnen und zu begeistern.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns mit der Gallup-Studie detaillierter auseinandersetzen – das kann man im Rahmen dieser Aktuellen Stunde sicherlich nicht leisten –, dann müssen wir an der Stelle uns damit auseinandersetzen, dass Werte wie Demokratie und Gleichberechtigung von Mann und Frau oftmals aus dem kulturellen Kontext heraus ganz unterschiedlich definiert werden.
Ich will jetzt nur darauf hinweisen. Es ist noch nicht so lange her, dass in der Schweiz in allen Kantonen zum Beispiel das Wahlrecht für Männer und Frauen in gleicher Weise eingeführt wurde. Trotzdem empfand die Schweiz sich selbst als eine Demokratie; sie hat das niemals infrage gestellt und hätte jederzeit die grundsätzliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern für sich in Anspruch genommen.
Deswegen müssen wir gerade bei einer solchen Studie, wo wir in so vielen Ländern, auch in islamisch geprägten Ländern, unterschiedliche Definitionen und Werthinterlegungen hinter solchen Begrifflichkeiten haben, etwas mehr in die Detaildebatte und Detailanalyse dieser Studie einsteigen.
Ich fand zum Beispiel bemerkenswert: Wenn es tatsächlich so ist – das legt die Studie nahe –, dass Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Wahlfreiheit, Demokratie und Religionsfreiheit Werte sind, die positiv besetzt sind und angenommen werden und auch mit den westlichen Demokratien und den sogenannten westlichen Werten umschrieben sind, dann frage ich mich, weshalb es das in vielen muslimisch geprägten Ländern in dieser Form mit dieser Wertentscheidung zum Beispiel mit Blick auf Presse- und Religionsfreiheit noch nicht gibt.
Man muss überlegen, welche Auswirkungen und Konsequenzen wir daraus gemeinsam ziehen müssen und wie es gelingt, diesen kulturellen Dialog der Werte so zu beleben, dass wir, wenn wir von Demokratie, von Gleichberechtigung von Mann und Frau und von Religionsfreiheit sprechen, alle miteinander das Gleiche meinen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Jetzt hat Frau Kollegin Düker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei 3 Millionen Muslimen in Deutschland und 1 Million Muslimen in NRW – da erscheint doch der Satz von Bundesinnenminister Schäuble: „Der Islam ist ein Teil Deutschlands“ auf den ersten Blick erst einmal ganz selbstverständlich. Das gilt auch für das, was Kollege Lindner gesagt hat: Der Islam ist vereinbar mit unserer Rechtsordnung, mit unserer Verfassung und mit unseren westlichen Werten. Ich glaube, es war Herr Laschet, der auch richtig sagte: Natürlich hat diese Religion wie andere auch das Recht, ihre Gotteshäuser zu bauen. Das Recht auf Moscheebau ist also etwas Selbstverständliches.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hört sich hier im Raum alles so selbstverständlich an und in sich logisch. Ich will aber daran erinnern, dass diese Botschaften in der Mitte der Gesellschaft noch nicht angekommen sind.
Deswegen finde ich es richtig, Herr Solf, dass Sie Mut und Pragmatismus – die beiden Worte habe ich aus Ihrer Rede noch in Erinnerung – anregen. Vor allen Dingen – das ist mein Plädoyer für heute – brauchen wir gemeinsame Botschaften,
um eine Befriedung in die Mitte der Gesellschaft hineinzutragen. Denn wir müssen uns einfach vor Augen führen – die Kollegin Altenkamp hat darauf hingewiesen –: Die Selbstwahrnehmung der Muslime in Deutschland – das sagen viele Studien, beispielsweise von der Uni Hamburg oder vom Bundesministerium, und zeigen sehr viele Befragungen – und die „Fremdwahrnehmung“, die Wahrnehmung der Gesellschaft, gehen diametral
Deswegen reicht es nicht, wenn wir uns gegenseitig all dieser schönen Sätze vergewissern, sondern wir müssen nach vorne gucken und uns fragen, was wir gemeinsam tun können, um einen Schritt weiterzukommen.
Wie sieht zum Beispiel das Selbstbild junger muslimischer Mädchen aus? – Sie sagen, sie wollen ein selbstbestimmtes Leben. Das ist gar nicht diese Opferrolle und diese Unterdrückung, die man ihnen immer zuordnet. Sie wollen selbstbestimmt leben. Sie wollen eine Berufsausbildung. Sie wollen ein eigenständiges Leben.
Sie sagen aber auch ganz klar – das Bundesministerium hat dazu vor einigen Jahren eine Studie herausgegeben –, sie wünschen sich für ihre Religiosität mehr Verständnis, denn sie empfinden, dass es in dieser Gesellschaft kein Verständnis für ihre muslimische Religiosität gibt.
Vor diesem Hintergrund frage ich: Was ist denn dann Aufgabe der Politik, wenn ich mir anschaue, wie stark die Wahrnehmung auseinandergeht? – Ich will die Zahlen zur Sicht der Gesellschaft auf den Islam, die Kollegin Altenkamp genannt hat, jetzt nicht wiederholen. Vor diesem Hintergrund brauchen wir doch einen Rahmen in dieser Gesellschaft, in dem gerade diese jungen Frauen wirklich ihr Leben so leben können, wie sie es wollen. Wenn die Mädchen hier eine Berufsausbildung anstreben, dann müssen wir ihnen den Weg dafür bereiten. Leider sind wir aber noch nicht so weit. Dieser Rahmen fehlt noch, damit muslimische Mädchen oder ausländische Mädchen wirklich Chancengleichheit erfahren. Diese Teilhabegerechtigkeit ist in Deutschland nicht verwirklicht.
Ich nehme einmal ein Beispiel heraus. Ich nehme bewusst nicht das Beispiel Religionsunterricht, sondern den Opferschutz. Was geschieht, wenn diese Mädchen zu Opfern werden? Bei Zwangsverheiratung und häuslicher Gewalt dürfen wir nicht wegschauen. Diese Phänomene gibt es. Da müssen wir den Mädchen doch helfen. Ich könnte die Liste fortsetzen.
Dann wird eine tolle Kampagne gemacht, Herr Laschet. Die finde ich auch klasse: im Namen der Ehre und hingucken. Aber was passiert, wenn ein Mädchen sagt, sie brauche wirklich Hilfe und wolle aus dieser Situation heraus? Wohin wenden
sich solche Mädchen dann? Wenn die Mädchen unter 18 Jahre alt sind, dann sagt die Jugendhilfe, darauf seien ihre Einrichtungen gar nicht vorbereitet. Die einzige darauf spezialisierte Einrichtung für diese Mädchen, nämlich das Mädchenhaus Bielefeld, ist geschlossen worden.
Die Frauenhäuser sagen auch, sie verfolgten einen ganz anderen Ansatz. Also schaffen wir dann auch die Infrastruktur, damit wir zum Beispiel dem Opferschutz gerecht werden!
Ich nenne ein zweites Beispiel. Wie sieht unser Ausländerrecht aus? Ist das immer so, dass diese Menschen, gerade die Frauen, hier selbstbewusst und selbstbestimmt leben können?
Zwangsverheiratung in die Herkunftsländer ist ein Phänomen, das leider häufig anzutreffen ist. Die werden in die Türkei geschickt und dort verheiratet. Was passiert, wenn sie zurückkehren wollen? Nach sechs Monaten erlischt ihr Aufenthaltstitel. Wenn sie nicht Deutsche sind, können sie nicht mehr zurückkommen. Dann haben sie kein Aufenthaltsrecht mehr. Was hat die neue Debatte um das Aufenthaltsgesetz gebracht? Hat sie eine Verbesserung gebracht? – Sie hat nichts gebracht. Das ist schlicht nicht umgesetzt worden, dass man sagt, für die von Zwangsehen betroffenen Mädchen dehnen wir dieses Rückkehrrecht aus. Das ist nur ein Beispiel.
Ich nenne auch das eigenständige Aufenthaltsrecht von Frauen, wenn sie einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben. Wenn diese Frauen aus ihrer Ehe heraus wollen, haben sie dann ein eigenständiges Aufenthaltsrecht? – Nein. Die Fristen sind sogar noch weiter verlängert worden.
Integration ist ein beidseitiger Prozess. Ich appelliere gerade auch an die muslimischen Communities, hier etwas zu tun. Ich appelliere aber auch an uns selbst, Ausgrenzung entgegenzuwirken, aber auch Hilfen anzubieten und die Brücken in unsere Gesellschaft zu bauen, wenn es nötig ist.
Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Aktuelle Stunde.
2 Das Bundesverfassungsgericht schreibt Geschichte – Historische Niederlage für die Landesregierung in Karlsruhe – Nordrhein-Westfalen braucht verfassungsgemäße Sicherheitsgesetze