Protocol of the Session on March 12, 2008

Das alles zu vergessen und nur das Jahr 2000 herauszupicken, finde ich mehr als peinlich, Herr Kollege. Das Thema Glaubwürdigkeit sollten Sie sich auch ganz privat einmal vornehmen.

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Gott im Himmel!)

Gibt es eine Zwischenfrage?

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Nein, das beant- wortet alles!)

Herr Kollege, Sie können sich ja zu Wort melden. Dann können wir uns richtig auseinandersetzen. Das würde mir Spaß machen. Ich würde gerne wissen, was Sie zu diesem Thema beizutragen haben.

Meine Damen und Herren, die Westdeutsche Landesbank ist die drittgrößte Landesbank in Deutschland. Wenn man sieht, was zurzeit hier passiert, wenn man sich den Umgang der Regierung Rüttgers mit dieser Bank, mit der größten, wichtigsten und der wertvollsten Beteiligung, die dieses Land hat, im vergangenen Jahr anschaut, dann kann man nur sagen: eine unendliche Ge

schichte der Inkompetenz, und zwar nicht nur der Regierung Rüttgers, sondern – schlimmer noch – des Ministerpräsidenten Dr. Jürgen Rüttgers persönlich. Ich finde es peinlich, liebe Landesregierung, Herr Finanzminister – vielleicht kann die Staatskanzlei es ausrichten –, dass Herr Dr. Rüttgers, der ja die WestLB zu seiner persönlichen Angelegenheit, zur Chefsache gemacht hat, heute nicht einmal anwesend ist. Das ist peinlich!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Winfried Schittges [CDU]: Gucken Sie in Ihre eigenen Reihen!)

Diese dramatische Geschichte fand ihren Höhepunkt, Herr Kollege Schittges – das haben Sie gerade als die tolle Zukunft der Bank dargestellt –, als Ihre hessischen Kollegen gesagt haben: Wir wollen das nicht. Die Fusion mit der WestLB wird nicht kommen. Sie ist vom Tisch. – Das Peinliche an der Sache ist, dass man nicht einmal bereit war, Gespräche aufzunehmen. Das heißt, das, was Dr. Rüttgers zur Chefsache gemacht hat, was er persönlich als Lösung für die Bank propagiert hat, womit er sich wenige Tage vor Weihnachten hat feiern lassen, ist wie eine Seifenblase geplatzt. Das ist eine ganz persönliche Niederlage für den Ministerpräsidenten dieses Landes.

Herr Kollege Schittges, Sie zitieren doch so gerne die Medien. Schauen Sie doch einmal nach, was die Medien geschrieben haben. Ich möchte drei Zitate vortragen:

Die „Welt“ vom 29. Februar schreibt: schwere Schlappe für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Die „WAZ“ vom 22. Februar schreibt: „Auch Rüttgers droht ein enormer politischer Schaden.“ Die „Frankfurter Rundschau“ vom 22. Februar schreibt: Für Jürgen Rüttgers bedeutet die neue Situation – Absage der Hessen – eine schwere Schlappe. – Deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, was hier passiert ist.

Seit dieser Absage – auch das ist nun schon wieder fast zwei Wochen her – ist nichts passiert. Die Regierung sitzt in der Sackgasse. Das Schiff WestLB treibt führungs- und ziellos in rauer See. Und alles, was der Finanzminister auf die Frage „Wie geht es denn jetzt weiter mit der Bank?“ hat beitragen können, ist lapidar – es ist nicht zu glauben, meine Damen und Herren –: Schau’n mer mal!

Mit diesem „Schau’n mer mal“ sitzen wir heute noch in diesem Parlament. Es ist noch immer nicht ist klar, was denn wirklich passiert ist. Haben Sie eigentlich mal mit den Mitarbeitern geredet, Herr Dr. Linssen, Herr Rüttgers? Haben Sie fest

gestellt, dass die Bank, was die Motivation betrifft, am Boden liegt? Haben Sie mal festgestellt, dass mittlerweile 50 % der erfolgsabhängigen Vergütungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht ausbezahlt werden? Das ist Ihr persönliches Problem. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Bank in dieser Situation ist, weil Sie über ein Jahr lang nichts, aber auch gar nichts zur Rettung der Bank getan haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Jetzt frage ich Sie: Wie soll es weitergehen? Wollen Sie weiterhin 6.000 Arbeitsplätze in dieser Bank gefährden? Bei Nokia versteigen Sie sich mittlerweile in Klagen wegen 60 Millionen €! Hier können Sie jeden einzelnen Arbeitsplatz in der Bank retten. Herr Dr. Rüttgers, Herr Finanzminister, das ist Ihre Aufgabe. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie jetzt an dieser Stelle handeln.

Sie können sicher sein: Wir als SPD-Fraktion – und sicherlich auch die Fraktion der Grünen – werden alles daransetzen, dieses Thema auf der Tagesordnung zu halten – so lange, bis Sie endlich kapiert haben, dass Sie Ihr wichtigstes Asset, Ihre wichtigste Beteiligung und damit 6.000 Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen ernst nehmen müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Walsken. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Das, was uns die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gerade mit ihrem Antrag geboten hat, ist in der Tat kein großes Theater, sondern eher Mäusekino.

(Gisela Walsken [SPD]: Sie bezeichnen die WestLB-Mitarbeiter als „Mäusekino“?)

Denn wieder einmal ist es so, dass Sie sich nicht konstruktiv mit dieser Thematik auseinandersetzen, sondern mit irgendwelchen haltlosen Vorwürfen aufwarten. Das Gegenteil Ihrer Vorwürfe ist der Fall. Ich möchte mich nicht in die Diskussion um Schuldzuweisungen einreihen. Es ist auch für die Zuhörer wie die Beteiligten nicht sonderlich spannend.

Meine Damen und Herren, ich möchte einige aus unserer Sicht zentrale Punkte kurz darstellen.

Die Konsolidierung des Bankensektors bleibt ein wichtiges Anliegen aller Eigentümer der WestLB

AG. Es geht uns dabei nicht darum, schnellstmöglich einen Partner zu finden, unter dessen Dach man schnell flüchten kann, sondern es geht uns darum, eine Möglichkeit zu schaffen, wie die Landesbank nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung eine neue mittel- bis langfristige Perspektive entwickeln kann. Die WestLB ist in dem Zusammenhang ja nicht die einzige Landesbank, die bislang ein unklares Geschäftsmodell hat. Dazu wird es einer gewissen Konsolidierung bedürfen. Das ist unstreitig und gilt im Übrigen auch über die Landesgrenzen hinaus.

Genauso ist es richtig, dass wir das nicht erzwingen können. Wir sind abhängig davon, dass die Sparkassen als Mehrheitseigentümer der meisten Landesbanken die Notwendigkeit zur Konsolidierung mitgehen und sich aktiv in diese Gespräche einbringen. Ich bin sicher, dass die Bereitschaft zu Gesprächen angesichts der zunehmenden Probleme steigen wird. Eine Fusion löst all diese Probleme aber nicht. Es gilt für alle Eigentümer und auch für die Bank, jetzt die Hausaufgaben zu machen und zur Sanierung und Restrukturierung der Bank beizutragen.

Meine Damen und Herren, die Bank muss endlich wieder aus eigener Kraft Geld verdienen können. Dafür sind in der Vereinbarung vom 8. Februar zwischen den Eigentümern Eckpunkte festgelegt worden. Vom Land ist im Gegenzug zur Abschirmung der Risiken auch von den Sparkassen zu Recht eine intensive Beteiligung an einem neuen Geschäftsmodell eingefordert worden. Die Sparkassen haben das anerkannt und den Eckpunkten auch zugestimmt.

Meine Damen und Herren, wir haben immer gesagt: Wir wollen keine Krise des Bankensystems, wir wollen keine Krise der Sparkassen. Deshalb tragen wir diese Maßnahmen mit. Wir haben als FDP deutlich gemacht, dass die anstehenden Maßnahmen für uns nur als Gesamtpaket denkbar sind. Keinesfalls darf es passieren, dass das Land eine Bürgschaft querschreibt und anschließend in Sachen Geschäftsmodell nichts passiert, weil der Handlungsdruck nicht mehr da zu sein scheint.

Ein neues Geschäftsmodell ist insbesondere von einem engen organischen Verbund mit den Sparkassen abhängig. Das wird im Grundsatz auch von allen Beteiligten anerkannt. Ganz in diesem Sinne haben zum Beispiel auch die Eigentümer der BayernLB, der Freistaat Bayern und die bayrischen Sparkassen, erst kürzlich Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells beschlossen, die im Wesentlichen einen Ausbau des

Verbundes mit den Sparkassen und eine Intensivierung des Mittelstandsgeschäftes beinhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gemeinsam mit den Kollegen von der CDU mittelfristig das strategische Ziel – das kann ich nur betonen –, die Verwertung des Landesanteils auch unter Einbeziehung des Kapitalmarktes zu ermöglichen. Die aktuelle Krise zeigt deutlicher denn je, dass es dem Steuerzahler nicht zugemutet werden darf, diese immensen Kapitalmarktrisiken fortdauernd zu tragen. Wir haben in Deutschland einen funktionierenden Kreditsektor. Eine ordnungspolitische Notwendigkeit für die Existenz von Landesbanken im staatlichen Besitz gibt es daher also nicht mehr.

Unter dem Eindruck der Krise scheint sich diese Ansicht auch in Sparkassenkreisen langsam herumgesprochen zu haben. Ich darf an dieser Stelle Alexander Wüerst, den Landesobmann der rheinischen Sparkassen, zum Einstieg privater Investoren aus der „Financial Times Deutschland“ vom 3. März zitieren: „Wir hängen nicht an alten Zöpfen, wir können über alle Themen reden.“ – Sparkassenpräsident Haasis sagt dazu in der Zeitung „Die Zeit“ vom 6. März: „Ich habe nichts gegen privates Kapital.“

Meine Damen und Herren, diese Töne stimmen hoffnungsvoll. Wir werden gemeinsam konstruktiv daran arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Als Nächster spricht der fraktionslose Kollege Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Im Westen bei der WestLB nichts Neues! Kein Wunder, die Parlamentarier werden nicht wirklich informiert, man verschanzt sich hinter einer Mauer. Das kennen wir schon. Das erleben wir schon seit über zwei Jahren, seitdem Sie hier die Landesregierung stellen.

Bei der WestLB erleben wir Nieten in Nadelstreifen und ein völliges Versagen des Finanzministers. Sein Rücktritt ist längst überfällig. Das habe ich hier schon einmal gesagt. Daran hat sich nichts geändert.

(Lachen von der CDU – Zuruf von der FDP: Das wird auch bei Wiederholung nicht bes- ser!)

Ministerpräsident Rüttgers trägt die Verantwortung für die Milliardenkrise. Sie sind jetzt seit fast drei Jahren verantwortlich. Es ist nicht erkennbar, wie die Konsolidierung der Bank aussehen soll. Zu Recht konnte man deshalb in den Medien lesen: Schlappe für Herrn Rüttgers! – Das ist die Realität, und zwar offensichtlich nicht nur für mich, sondern auch für die Medien hier im Lande.

Noch immer bestehen zusätzliche Milliardenrisiken bei der WestLB. Die Einigung mit den Sparkassenverbänden über 5 Milliarden € Abdeckung, von denen mindestens 3 Milliarden € aus dem Landeshaushalt bezahlt werden, ist nur eine Teillösung. Die Wahrheit kommt weiterhin nur scheibchenweise ans Licht. Die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen müssen dafür bluten. Die Nieten in Nadelstreifen bei der WestLB und das völlige Versagen von Herrn Linssen haben zu dieser größten Finanzkrise des Landes geführt. Wie gesagt, ich erwarte eigentlich, dass der Finanzminister endlich zurücktritt. Ich sage nur: Herr Linssen, gehen Sie endlich in den Ruhestand! Sie haben ihn sich wohl verdient.

Ein neues Geschäftsmodell ist bisher nicht erkennbar. Leidtragende sind die Beschäftigten. 1.300 bis 1.500 Arbeitsplätze – das ist die realistische Bilanz – sollen verloren gehen.

Die Sparkassen werden erpresst. In ihre Mittelstandsgeschäfte wird ab einer Summe von 50 Millionen € Umsatzvolumen – bisher lag die Grenze bei 200 Millionen € – eingegriffen.

Das einzig wirklich Neue wird vermutlich in Kürze ein neuer Vorstandsvorsitzender sein. Es ist, glaube ich, der fünfte oder sechste, den ich in den letzten sechs oder sieben Jahren hier erlebe. Also erleben wir hier im Schnitt fast jährlich einen neuen Vorstandsvorsitzenden.

Das wirklich Positive kann ich deshalb nicht erkennen. Ich kann auch nicht sehen, wo die Zukunftsperspektive der WestLB liegen soll, abgesehen von den Plänen der Neoliberalen hier, die natürlich wieder privatisieren wollen. Das ist Ihre Perspektive.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Darüber kann nicht mal die CDU lachen!)

Ja, selbst die CDU kann darüber nicht lachen. Da gebe ich Ihnen völlig Recht, Herr Kollege.

Wir haben das alles schon mehrmals gehört. Bei jedem neuen Vorstandsvorsitzenden wird restrukturiert, und es gibt ein neues Geschäftsmodell.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Ach, Herr Weisbrich, Ihre Zwischentöne sind auch nicht gerade hilfreich. Sie sind so auf die Nase gefallen mit Ihren Milliardenverlusten. Ich kann überhaupt nicht erkennen, was Sie hier Positives machen.

Ich hätte auch gern mal gesehen, was da wirklich vereinbart worden ist. Die Antworten auf wesentliche Fragen sind uns Parlamentariern nach wie vor überhaupt nicht bekannt. Es ist nach wie vor völlig unklar, in welcher Größenordnung sich die Risiken tatsächlich bewegen. Im November habe ich gesagt, es werden wahrscheinlich 2 Milliarden € werden. Da hat Herr Linssen das Ganze noch heruntergekleistert auf 500 Millionen €, die auf das Land zukommen. Mittlerweile musste er selber zugeben, dass es doch auf 5 Milliarden € zugeht, möglicherweise auch noch darüber hinaus. Ferner sollen Risiken über 20 Milliarden € ausgelagert werden.

Meine Redezeit geht zu Ende.