Ich eröffne die Beratung, gebe Frau Schäfer von der SPD-Fraktion das Wort und bitte um Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon Verständnis dafür, dass der ein oder andere von den Koalitionsfraktionen, wenn das Stichwort Abitur fällt, gerne den Plenarsaal verlässt.
Es geht erneut um das Abitur in NordrheinWestfalen und dieses Mal um den doppelten Abiturjahrgang. Im Jahr 2013
werden in Nordrhein-Westfalen zwei Jahrgänge gleichzeitig das Abitur machen. Das betrifft die Schülerinnen und Schüler, die jetzt in der siebten bzw. in der achten Klasse sind. Im Vergleich: 2012 werden ca. 75.000 junge Menschen in Nordrhein-Westfalen das Abitur machen, im Jahr darauf werden ca. 134.000 die Allgemeine Hochschulreife erwerben.
Die Eltern dieser Schülerinnen und Schüler machen sich bereits jetzt viele Gedanken, was diese Situation in 2013 für die Zukunftschancen ihrer Kinder bedeutet.
Über dieses Thema des doppelten Abiturjahrgangs haben wir bereits mehrfach hier im Plenum debattiert. Ebenso hat es dazu die eine oder andere Kleine Anfrage und entsprechende Antworten gegeben. Von einer Lösung des Problems scheinen wir allerdings weit entfernt zu sein, zumindest wird sie bis jetzt unter Verschluss gehalten. Dabei hat die Landesregierung im Oktober 2005 im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage mitgeteilt, dass es eine interministerielle Arbeitsgruppe gebe, die sich mit diesem Thema befasse. Im Bildungsportal kann man nachlesen, dass es bereits zwei große Informationsveranstaltungen für Lehrer- und Elternverbände gegeben habe, dass ebendiese Arbeitsgruppe eingerichtet worden sei und dass auch in Zukunft kontinuierlich über den Arbeitsprozess berichtet werde.
Dort ist weiter nachzulesen, dass man im Rahmen des Hochschulpaktes I die Zahl der Studienplätze bis 2010 um 26.000 Plätze ausbauen wolle und dass dafür ein Investitionsvolumen von ca. 250 Millionen € – Bund und Land je hälftig – bereitstehe. Außerdem gebe es eine Arbeitsgruppe der KMK, der Kultusministerkonferenz, die über Kapazitätsauslastung im Osten Deutschlands nachdenke, gegebenenfalls auch über eine Ausweitung des Lehrdeputats der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer und Verlagerungen – man höre: Verlagerungen! – von Ressourcen aus Schulen in Hochschulen. – Dahinter mache ich mal ein Fragezeichen. Weiterhin – so kann man im Bildungsportal nachlesen – nehme auch diese Arbeitsgruppe das Problem sehr ernst.
Da müssten wir jetzt eigentlich sofort alle beruhigt sein. Aber wie sehen denn die konkreten Zahlen aus? Die Zahl der Studienanfänger wird im Bildungsportal des Schulministeriums für das Jahr 2013 mit 115.000 beziffert. Minister Pinkwart sprach am 14. September 2006 im Plenum noch von 104.000 Studienanfängern im Jahr 2013. Vielleicht suchen Ministerin Sommer und Minister Pinkwart gemeinsam nach der Differenz. Aber vielleicht macht das auch diese interministerielle Arbeitsgruppe.
Auch der Blick in die Protokolle ist noch nicht wirklich erhellend und hilfreich und trägt nicht zur Lösung des Problems bei, denn von Experten und Expertinnen wird auch in einer Anhörung oder in einem Expertengespräch einmütig gefordert, mehr in den Ausbau der Plätze an Hochschulen zu investieren, auch in baulicher Hinsicht. Längst ist nicht klar, ob das auch wirklich gelingt, weitere Hochschulplätze auszubauen, denn – auch so konnte ich nachlesen – in Bonn wurden erst einmal 3.000 Plätze abgebaut.
Die gleichen Befürchtungen hegen wir auch bezogen auf die Ausbildungsplatzsituation. Wie wird sich das da entwickeln? Denn da ist mit einem Verdrängungswettbewerb zu rechnen, wenn eben nicht in ausreichender Weise Studienplätze zur Verfügung stehen.
Deshalb halten wir es seitens der SPD-Fraktion für überfällig, dass diese interministerielle Arbeitsgruppe nach zweieinhalb Jahren gemeinsamer Arbeit dem Landtag ihre Ergebnisse präsentiert.
als Landesregierung eine Politik der Problemlösung anzubieten, wo vorher gar keine Probleme aufgetreten sind, Stichworte sind „Abschaffung der Grundschulbezirke“ oder „Kopfnoten“, hätten Sie jetzt die realistische Chance, ein wirkliches Problem einer Lösung zuzuführen und viele Eltern zu beruhigen, die berechtigte Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder haben. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Hollstein das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich zu Beginn daran erinnern, dass wir beim Thema Schulzeitverkürzung und „G8“ – das ist heute Morgen auch schon einmal genannt worden – und in der Konsequenz dann dem doppelten Abiturjahrgang 2013 über eine Entscheidung sprechen, die von Rot-Grün, also von der Vorgängerregierung, gefällt worden ist. Die Koalition der Erneuerung hält diese Entscheidung allerdings für richtig und steht dazu. Bei der SPD-Fraktion und bei einzelnen Kollegen der Grünen bin ich mir da teilweise gar nicht mehr so sicher.
Die Landesregierung kennt selbstverständlich das Thema und hat sich schon im Jahr 2005 daran gemacht, Lösungen zu erarbeiten. Sie haben als Beweis dafür selber die Kleine Anfrage 61 und die Antwort der Landesregierung auf diese Kleine Anfrage mit der Drucksache 14/556 vom 27. Oktober 2005 erwähnt. Darin wird vom Schulministerium in Abstimmung mit dem Innovationsministerium geantwortet. Allein das beweist, dass wir an der Sache arbeiten.
Ich habe bei meinen Recherchen in der vergangenen Legislaturperiode nicht wirklich viel gefunden, was Rot-Grün zu Ihrer Entscheidung hätte in Vorbereitung heranziehen können.
Nordrhein-Westfalen ist weder das einzige noch das erste Land, das sich mit der Thematik beschäftigt. Wir hatten schon im vergangenen Jahr denselben Fall in Sachsen-Anhalt. Wir haben ihn in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben ihn im nächsten Jahr im Saarland und 2010 in Hamburg. 2011 kommen dann die richtig dicken Schiffe mit Bayern mit ca. 34.000 zusätzlichen Abiturienten und mit Niedersachsen mit über 25.000. Wir werden 2012 Baden-Württemberg haben. Wir haben Berlin, Bremen und viele, viele andere, bis dann 2013 endlich auch NordrheinWestfalen mit ca. 59.000 zusätzlichen Abiturienten hinzukommt.
Das ist übrigens, meine Damen und Herren, keine Verdoppelung. Denn die Schulzeitverkürzung betrifft „nur“ die klassischen Gymnasien. Die Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen, Berufsgymnasien erwerben die Hochschulreife weiterhin nach 13 Jahren. In konkreten Zahlen ausgedrückt heißt das: Wir werden 2012 ca. 115.000 Abiturienten haben und 2013 ca. 175.000.
Die unbestrittenen Auswirkungen dieses wohlgemerkt einmaligen Phänomens sind vielfältig. Wir werden mehr Studienanfänger an den Hochschulen haben, es wird mehr Bewerber und Bewerberinnen auf dem Ausbildungsmarkt geben, mehr Wehrdienst- und Zivildienstleistende, mehr Bewerberinnen und Bewerber für das freiwillige soziale Jahr, für Praktika, Auslandsaufenthalte usw.
Ebenso vielfältig sind diejenigen, die an der Lösung des Problems – wobei ich mich frage, ob der Gewinn von einem Jahr Lebenszeit tatsächlich ein Problem ist – arbeiten. Wenn Sie einmal einen Blick auf die Homepage der Kultusministerkonferenz werfen, finden Sie wirklich eine Vielzahl von Maßnahmen dargestellt und bewertet. Auch der Blick auf die Homepage unseres Schulministeriums, aber auch auf die der Ministerien der anderen Bundesländer bringt Sie schon einige Schritte weiter. Dann müssen Sie hier nicht die große Panik ausbrechen lassen.
Ihr Hinweis auf die interministerielle Arbeitsgruppe ist sicherlich richtig. Aber es arbeiten noch viel mehr Menschen an diesem Thema. Das reicht bis zum Bundesamt für den Zivildienst oder bis zum Bundesverteidigungsministerium.
Auch die Elternschaft ist ausgesprochen rege bei und interessiert an diesen Themen. Wenn Sie einmal in die jüngste Publikation der Landeselternschaft an den Gymnasien schauen, dann finden Sie wirklich in einer hervorragenden und komprimierten Weise das Problem dargestellt, Lösungsansätze aufbereitet und das Ganze in einer völlig zielorientierten, sachlichen und unaufgeregten Art. Das ist leider bei Ihnen nicht immer der Fall.
Lassen Sie uns noch einmal auf die Zahlen zu sprechen kommen und das Ganze ein bisschen aus der Schwarzmalerei meiner Vorrednerin herausheben. Circa 35 % eines Jahrgangs nehmen unmittelbar nach dem Abitur ein Studium auf. Wir haben mit dem Hochschulpakt 2020 die eben schon erwähnten 26.000 zusätzlichen Studienplätze in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2010 geschaffen.
Der Hochschulpakt II wird verhandelt. Selbstverständlich wird dabei auch der Doppeljahrgang berücksichtigt.
Es ist schon darauf hingewiesen worden – zwar von Ihnen ein bisschen süffisant unterlegt –, dass natürlich auch in den ostdeutschen Bundesländern erhebliche Studienkapazitäten zur Verfügung stehen. Ich denke, auch die werden im Jahr 2013 ff. genutzt. Ich bin absolut sicher, dass wir ausreichend Studienplätze haben werden.
Genauso zuversichtlich bin ich für das duale System. Wir haben in den letzten zehn Jahren jeweils Ausbildungsbewerberzahlen zwischen 140.000 und 150.000 pro Jahr. Die Schwankung liegt bei über 20.000. Wir haben wahrscheinlich im Jahr 2013 etwa 20.000 zusätzliche Bewerber. Auch in diesem Bereich ist das Problem beherrschbar.
„Um weitere Verunsicherungen der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler zu vermeiden, ist es dringend erforderlich, dem Landtag einen Bericht über den Stand der Vorbereitung für den doppelten Abiturjahrgang im Jahr 2013 zu geben.“
Richtig, meine Damen und Herren, müsste dieser Satz wie folgt lauten: Um weitere Verunsicherungen der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler zu vermeiden, ist es dringend erforderlich, dieses Thema nicht weiter seitens der Opposition für billiges Wahlkampfgetöse zu verwenden, sondern mit Sachverstand und Augenmaß an der Sache zu arbeiten.
Das, meine Damen und Herren, tut die interministerielle Arbeitsgruppe. Das tun wir demnächst im Wissenschaftsausschuss, der die Sache federführend behandelt. Ich bin absolut sicher, dass wir kein Problem haben werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ist es wichtig, noch einmal darzulegen, dass die Verkürzung auf den achtjährigen Bildungsgang bis zur Hochschulreife ein Schritt ist, der den Schülern
zugute kommen wird. Durch die Verkürzung wird den Abiturienten in einer globalisierten Welt die Möglichkeit der Chancengleichheit gewährt, über die ihre Altersgenossen in den anderen europäischen Ländern bereits verfügen.
Vor nicht allzu langer Zeit haben diese Notwendigkeiten auch die Oppositionsparteien noch gesehen, bevor sie sich entschlossen haben, ihre politisch-inhaltlichen Positionen im Tempo von Ticker-Meldungen zu variieren.
dass es für die Umstellung auf den achtjährigen Abiturjahrgang und die damit einhergehend erhöhte Anzahl an Abiturienten im Jahre 2013 der inhaltlich-organisatorischen Vorbereitung bedarf.