Nicht selten dient der Medienkonsum auch anderen Zwecken wie der Ablenkung. Durch Medien können Kinder und Jugendliche aus dem Alltag fliehen, sich in andere Welten flüchten und sich mit Charakteren und Idolen aus den Mediengeschichten identifizieren. Medien dienen somit nach Ansicht von Experten zum Teil auch der Lebensbewältigung und Identitätsfindung.
Die Probleme und Gefahren übermäßiger Mediennutzung sind bekannt. Bei den letzten JIM- und KIM-Studien offenbarten sich die Probleme mit Gewaltvideos auf Handys. Hierzu haben wir in der Folgezeit diverse Gespräche mit Mobilfunkan
bietern geführt. Zwischenzeitlich konnte eine Selbstverpflichtung der Mobilfunkanbieter und die geforderte Einführung von Jugendschutzfunktionen an speziellen Handys begrüßt werden. Die Regierungskoalition aus FDP und CDU hat in ihrer ersten Regierungshalbzeit zahlreiche Initiativen zum Jugendmedienschutz angestoßen. Das ist auch gut so.
Wir haben hier auf Initiative der Koalition der Erneuerung die Initiative „Kinder- und Jugendmedienschutz 2007“ auf den Weg gebracht. Wir haben festgestellt, dass es darauf ankommt, die Kompetenz im Umgang mit neuen Medien zu stärken, und zwar sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Eltern und Lehrern.
Unlängst sind zudem die Evaluierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages und die Optimierung der rechtlichen Regelungen ein aktuelles politisches Thema. Eltern können nur sinnvoll von ihrem Erziehungsrecht Gebrauch machen, wenn sie urteilsfähig sind hinsichtlich der Freizeitgestaltung ihrer Kinder. Eltern sind etwa in der Lage, ihre Kinder davor zu warnen, über eine Straße zu laufen, ohne sich umzuschauen, denn Eltern wissen um die Gefahren des Straßenverkehrs. Das ist im Bereich der neuen Medien leider nicht immer so. Denn vielfach haben Eltern selbst keinen Zugang zu neuen Medien, sind im Umgang mit ihnen nicht wirklich erfahren und kennen viele technische Möglichkeiten und damit potenzielle Gefahren auch nicht.
Deshalb begrüßen wir als FDP-Landtagsfraktion, dass in die Initiative „Kinder- und Jugendmedienschutz 2007“ insbesondere die Medienkompetenzerziehung und die Stärkung der Medienkompetenz der Eltern Eingang gefunden haben.
Die hier diskutierte neue Studie vom Ende der letzten Woche benennt das Problem und die Folgen intensiven Medienkonsums bereits in jungen Jahren nunmehr nochmals sehr drastisch. Sie bezeichnet Kinder und Jugendliche mit übermäßigem Medienkonsum wörtlich als Opfer und PISAVerlierer. Wenn Kinder mehr als vier Stunden am Tag nach der Schule oder dem Kindergarten unreflektiert Fernsehen konsumieren oder PC-Spiele zocken, so bleibt zu wenig Zeit für andere Beschäftigungen, und es ist ein Defizit in den sozialen Beziehungen und bei der Bewegung vorprogrammiert. Es drohen also neben den psychischen Folgen wie Konzentrationsschwäche und Leistungsabfall auch physisch negative Folgen wie Übergewicht.
Erstens. Kinderverhalten variiert individuell stark. Es gibt zahlreiche Kinder, die diese Faszination in Maßen erleben und dadurch Anregung erfahren, andere hingegen verfallen regelrecht in einen Konsumrausch von Fernsehen oder PC-Spielen.
Zweitens. Kinder sind kaum in der Lage, sich selbstverbindliche Grenzen über Inhalt und Dauer ihres Medienkonsums zu setzen und einzuhalten. Hier liegt die Verantwortung bei den Erwachsenen und insbesondere bei den Eltern.
Drittens. Neben Geräten wie Handys und mobilen Spielekonsolen findet der überwiegende Medienkonsum zumeist in den eigenen vier Wänden statt. In diesem geschützten Raum haben in der Regel allein die Erziehungsberechtigten Zugang und Einfluss auf ihre Kinder.
Viertens. Klar ist auch, dass kein Zehnjähriger allein in einen Laden geht, sich eine Konsole oder einen Fernseher kauft und sich dann heimlich in sein Zimmer stellt. Medienkonsum kann somit nur dann stattfinden, wenn entsprechende Geräte vorhanden sind, wobei das Geld und somit die Entscheidung über die Anschaffung und den konkreten Standort in der Wohnung letztlich immer auch den Eltern bekannt ist.
Fünftens. Tatsache ist zudem, dass zahlreiche Eltern den durch die Geräteanschaffung ermöglichten Medienkonsum ihrer Kinder anschließend nicht in dem gebotenen Maße verfolgen und nur unzureichend Regeln dafür festlegen bzw. nicht konsequent umsetzen. Viele Eltern überlassen somit nach der Anschaffung der Geräte die konkrete Nutzungsart wie die Auswahl des Fernsehprogramms und der Angebote sowie die Konsumdauer nicht selten ihrem Kind allein.
Sechstens. Gerade PC-Spiele und andere Inhalte besorgen sich Kinder oft selbst, sei es im Handel oder ausgeliehen von Freunden. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Kinder und Jugendliche fälschlicherweise für sie nicht geeignete, auch brutale Inhalte konsumieren.
Siebtens. Tatsache ist weiterhin, dass Grund für die Sorglosigkeit vieler Eltern zumeist entweder die fehlende eigene Sachkunde bzw. Medienkompetenz oder aber schlichtes Desinteresse, Unlust oder Gleichgültigkeit sind, die bedingen, dass der Staat mit sachkundigen Stellen wie Landesmedienanstalten, sonstigen Beratungsstellen und Schulen eine Verantwortung übernehmen sollte. Sie sind angehalten, die Eltern zu informieren, aufzuklären und fachlich anzuleiten.
Damit bin ich bei meinem allerletzten Punkt. In NRW gibt es bereits viele verschiedene Projekte, die mit Veranstaltungen, Flyern und Internetseiten unmittelbar für Kinder und Jugendliche sowie für Eltern und Lehrer Information, Beratung und Aufklärung bieten: „Zeitung in der Schule“, „Klicksafe“ im Internet, Medienerziehung im Kindergarten, das Projekt „Medienkompetenzförderung sozial benachteiligter Kinder“, „handysektor“, „InternetABC“ und vieles Weitere. Diesen Weg sollten wir weitergehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Eumann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Medien sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil unseres Alltags geworden. Ich habe inhaltlich der Bewertung der Studie, die Anlass dieser vermeintlich Aktuellen Stunde ist, nichts hinzuzufügen.
Der Prozess der Digitalisierung und Globalisierung ist mit Risiken verbunden. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, meine Damen und Herren, die digitale Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern. Dass es eine Beziehung zwischen Bildungsherkunft und Medienkonsumverhalten gibt, ist in der Tat nichts Neues. Deswegen sage ich: Darüber wissen wir tatsächlich schon alles. Die Studien, die insbesondere von Herrn Pfeiffer kommen, erscheinen in jährlichem Rhythmus. Im letzten Jahr war das Fernsehen im Fokus, heute mehr der PC in Kombination mit dem Fernsehen.
Das alles will ich gar nicht kritisieren, sondern die Frage ist: Welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus? Ich bin dem Kollegen Jarzombek dankbar, dass er auf die gemeinsamen Aktivitäten des Landtags hingewiesen hat. Es ist aber auch Aufgabe des Parlaments zu sagen: Wo stehen wir eigentlich?
Es ist unumstritten, dass Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern eine Schlüsselrolle für die Medienbildung von Kindern und Jugendlichen haben. Jetzt müssen wir gucken: Wie funktioniert die Medienbegleitung durch die Pädagogen, die Eltern? Wir haben in Nordrhein-Westfalen in der Tat eine Menge auf den Weg gebracht. Sie haben viele Beispiele genannt, Herr Witzel, viele Projekte, die gut laufen, die beispielgebend, die Piloten sind.
Jetzt müssen wir aber auch den nächsten Schritt tun, und der heißt: Wir müssen raus aus den Pilotprojekten, den Versuchen und die Dinge endlich flächendeckend umsetzen. Das kann man nicht Partnern überlassen, sondern es ist Aufgabe der Landesregierung, Frau Ministerin Sommer, Herr Minister Krautscheid, dieses Thema zum Bestandteil Ihrer Politik zu machen.
Erstens. Wir fordern, dass jedes Kind in Nordrhein-Westfalen während der Schullaufbahn einen Medienkompetenzführerschein erwerben kann und erwirbt und damit die Fähigkeiten hat, und zwar nicht nur technischer, sondern vor allem inhaltlicher Natur, die mein Kollege Jarzombek gerade beschrieben hat; das will ich nicht weiter ergänzen. Konkrete Forderung: Medienkompetenzführerschein für jede Schülerin, für jeden Schüler!
Zweitens. Wir haben viele großartige Projekte von wichtigen Partnern. Die Landesanstalt für Medien macht viel, ebenso der WDR und ecmc. Sie hatten „Klicksafe“ genannt und andere Dinge mehr.
Wir haben das großartige Projekt „JAM! Jugendliche als Medienforscher“, konzipiert für die achte Klasse Hauptschule. Es ist einfach jetzt an der Zeit, zu sagen: Keine Schule in NordrheinWestfalen verzichtet auf dieses Projekt. Sie sind aufgefordert, die Ressourcen auch bei den Pädagoginnen und Pädagogen an dieser Stelle zur Verfügung zu stellen. „JAM!“ in jede Schule und nicht nur in einer Schulform! Das ist eine konkrete Forderung, ein flächendeckender Ansatz. Dann kommen wir weiter, meine Damen und Herren.
Drittens: E-Teams und Kindergarten. Wir hatten immer wieder in Wellen nach Ereignissen in Schulen das Thema E-Teams. Frau Ministerin Sommer, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gleich in Ihrer Rede sagen würden: Wo stehen die E-Teams heute an den Schulen in NordrheinWestfalen? Welche Aufgaben haben sie im Wege der Lehrerfortbildung? Unser Eindruck ist: Hier wird zwar viel geredet, aber zu wenig getan. Hier muss mehr getan werden.
Es gibt eine großartige Studie der LfM zur Förderung der Medienkompetenz in Kindergärten. Da müssen Sie gemeinsam mit dem Jugendministerium ran. Dort sind Schlussfolgerungen und Empfehlungen genannt. Unser Eindruck ist: Zu wenig davon wird umgesetzt. Es gibt genug Beispiele. Best Practice haben wir hinreichend, jetzt müssen Sie es wirklich tun. Sie dürfen das nicht Projektpartnern oder Unternehmen überlassen. Es geht um das Gemeinwohl, um Kinder und Jugendliche. Das ist eine Aufgabe der Politik und nicht der In
dustrie, Unternehmen und anderen. Machen Sie es selbst. Es ist Ihre Verantwortung, hier etwas zu tun, meine Damen und Herren.
Hinzu kommt das Thema Ganztagsschule; auch da hat Herr Pfeiffer den richtigen Hinweis gegeben. Ich kenne den Satz eines Schulleiters, der heißt: Die Ganztagsschule ist nicht nur aus pädagogischen und vielen anderen Gründen gut, sondern auch weil es mittags keine Pommes gibt und Fernsehen frühestens ab 17 Uhr. – Auch deswegen ist die Ganztagsschule für alle Schulformen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die richtige Antwort.
Zu den Eltern: Niemand will die Eltern aus der Verantwortung lassen. Ich sage aber Folgendes: Broschüren haben wir genug. Es gibt eine Menge großartiger Broschüren. Offensichtlich gibt es ein Problem, dass die Broschüren die Eltern erreichen. Wer ist denn in den Schulpflegschaftsversammlungen, den Elternversammlungen in den Schulen? – Selten die, die diese Informationen eigentlich brauchen. Also machen Sie sich Gedanken darüber, wie Sie nicht nur Angebote für die Eltern hinbekommen, sondern auch die Nachfrage stimulieren. Die Broschüren sind alle richtig und gut und nicht zu kritisieren, aber Sie müssen sich etwas Neues einfallen lassen. Ich möchte nicht, dass wir in einem Jahr wieder nach der jüngsten Pfeiffer-Studie reden, und es ist wenig passiert.
Frau Ministerin Sommer, noch einmal zu dem Thema „E-Teams an Schulen“: Wenn Sie dazu konkret etwas sagen könnten, wäre das gut.
Ich will ein Letztes sagen: Meine Damen und Herren, wir muten Kindern und Jugendlichen in dieser Gesellschaft eine Menge zu. Es gibt viele Lebens- und Existenzängste, viel Druck in unserer Gesellschaft, der auf Kindern und Jugendlichen lastet. Wir müssen wieder stärker darüber nachdenken, wie wir Kindern und Jugendlichen Freiräume schaffen können, die sie brauchen, um sich entwickeln und entfalten zu können. Denn nur wenn Kinder und Jugendliche selbstbewusst in der Gesellschaft agieren, haben wir eine Chance, dass wir weiterhin eine friedliche, soziale und demokratische Gesellschaft sein werden.
Das geht nur mit Kindern, die stark und medienkompetent sind, die auch mal Fehler machen dürfen oder etwas, was vielleicht dem einen oder anderen Erwachsenen nicht gut gefällt. Das gehört zum Leben dazu. Vor allem aber müssen wir ih
nen immer wieder Chancen geben und dürfen sie nicht zu früh in Schubladen stecken, aus denen sie nicht mehr herauskommen.
Deswegen: länger gemeinsam lernen, länger in der Ganztagsschule lernen! Das sind die richtigen Antworten auf die Ergebnisse dieser Studie. – Herzlichen Dank.
Ich könnte sogar noch darauf hinweisen, dass die Redezeit, die Sie nicht genutzt haben, auch keinem Ihrer Kollegen zugute kommt.
Die Kollegin Beer hat jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit ganzen sieben Minuten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Wir haben heute schon viel zu den Auswüchsen im Medienkonsum gehört. Wir haben viel von Problemen gehört, die sich für Kinder ergeben, die durch unmäßigen Medienkonsum in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, im Lernvermögen und in Bezug auf die soziale und emotionale Entwicklung beeinträchtigt werden.
Genauso haben wir noch relativ allgemeine Äußerungen zur Bedeutsamkeit der Medienkompetenz gehört und natürlich über die lobenswerten Projekte, die endlich verbindlich in die Fläche müssen.