Das vom Hochwasser gefährdete Gebiet macht rund 4 % der Fläche von Nordrhein-Westfalen aus. In diesem Gebiet leben 8 % der Menschen. Dort befinden sich 15 % der Arbeitsplätze, 10 % der Vermögensbestände und 14 % der Wertschöpfungsaktivitäten. Von extremen Rheinhochwässern können bis zu 46 Gemeinden betroffen sein. - In Zukunft muss sich Deutschland stärker auf Hochwasser einstellen.
Diese extremen Witterungsbedingungen sind nach Ansicht namhafter Wissenschaftler auch eine Folge des Klimawandels. In den kommenden 75 Jahren wird eine Erwärmung der Erdatmosphäre von 1,8 bis 3,6 °C erwartet. Stürme und Überschwemmungen haben sich im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 60er-Jahren weltweit verdoppelt bis verdreifacht.
Der Klimawandel ist auch in Deutschland kein Zukunftsphänomen. Er findet bereits statt. Zukünftig wird es im Sommer mehr regnen. Die Zunahme der extremen Niederschläge wird in ganz Europa zu einem höheren Flutrisiko führen. Inzwischen ist davon auszugehen, dass heute das Hochwasserrisiko im Westen und Süden Deutschlands etwa zehnmal so hoch ist wie vor hundert Jahren. Das bedeutet insbesondere auch, dass Elbe-Ereignisse mit zunehmender Wahrscheinlichkeiten auch am Rhein eintreten könnten.
Nach einer in Auftrag gegebenen Studie der deutsch-niederländischen Arbeitsgruppe Hochwasser kommt es im heutigen Zustand bei den untersuchten extremen Hochwassern am Niederrhein ab einem Abflussbereich zwischen 11.100 und 11.600 m3 pro Sekunde zu großräumigen Überflutungen. Hierbei ist der südliche Niederrhein, nämlich der Großraum Köln–Bonn bis Düsseldorf–Dormagen, zuerst betroffen.
Mit zunehmender Höhe der Hochwasserscheitel wird auch der mittlere Teil zwischen Düsseldorf– Dormagen und der Einmündung der Ruhr überflutet.
Am unteren Niederrhein ergeben sich aus Steinkohle- und Salzbergbau für den Hochwasserschutz ganz besondere Probleme. Bergsenkungen führen dazu, dass es einer ständigen Kontrolle und Sanierung der Deiche bedarf.
Meine Damen und Herren, in diesem Bewusstsein war die Problematik des Hochwasserschutzes bereits häufiger Gegenstand eingehender Diskussionen im Plenum und im Fachausschuss. In seiner Rede vor dem Ausschuss hat Herr Minister Uh
lenberg am 24. August 2005 den Hochwasserschutz als wesentlichen Teil der Gewässerschutzpolitik seines Ministeriums bezeichnet.
In der Umsetzung dieser Politik haben wir als ersten Schritt erreicht, dass zur Sicherung der Rheindeiche der Betrieb des Bergwerks Walsum ein halbes Jahr früher eingestellt wird als ursprünglich beschlossen.
Die Anfrage der Grünen nach Umsetzung des vorbeugenden Hochwasserschutzes beantwortet sich zum Teil schon durch die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes des Bundes, das am 10. Mai 2005 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz stellt die Grundsätze des Hochwasserschutzes auf und weist den Landesgesetzgeber in Art. 1 bezüglich der Überschwemmungsgebiete, der überschwemmungsgefährdeten Gebiete und der Hochwasserschutzpläne zur gesetzlichen Regelung an.
Auch eine Kooperation in den Flussgebietseinheiten zwischen den betroffenen Ländern und Staaten ist nach diesem Gesetz beim Hochwasserschutz durch Landesrecht zu regeln. Vordringliche Aufgabe ist dabei meines Erachtens die schnelle Ausweisung von Retentionspoldern und Überschwemmungsgebieten. Ich glaube, dabei sind wir uns im Plenum einig.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Hochwasserschutzgesetzes wird auch eine landesübergreifende Regelung des Katastrophenschutzes getroffen werden müssen. Dabei ist wichtig, dass wir zusammenarbeiten, weil Hochwasser- und Katastrophenschutz eng miteinander verzahnt sind.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die bundesgesetzlichen Forderungen durch die Landesregierung in allen Punkten zügig erfüllt werden. Zur Gesetzestreue, meine Damen und Herren, bedarf es keiner Aufforderung.
Bei der Umsetzung dieses Gesetzes wird es in keinem Fall zu Grundstücksenteignungen kommen, wie es Bundesministerin Künast im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe in Bayern als möglich bezeichnet hat. Dass Eigentum verpflichtet, ist zwar eine Forderung des Grundgesetzes. Sie kann jedoch nicht so weit gehen, dass ein Bürger zum Schutz des Eigentums seines Nachbarn sein Eigentum verlieren muss.
Auch ein von den Grünen gefordertes ideologisches Ackerbauverbot in den Überschwemmungsgebieten wird es im Rahmen der Umset
Dass der Hochwasserschutz von der Regierungskoalition ernst genommen wird, ergibt sich schon aus der Koalitionsvereinbarung. CDU und FDP haben beschlossen, die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten auf das notwendige Maß zu beschränken. Der Grundsatz dabei ist, meine Damen und Herren: Gefahrenabwehr statt gestalteter Ökologie. Es gilt, den Katastrophenschutz zu verbessern und Maßnahmen zu vermeiden, die zur Entleerung ländlicher Räume führen.
In der Fortführung des Koalitionsvertrages wird die Landesregierung bis 2006 zur akuten Gefahrenabwehr flächendeckend Hochwassergefahrenkarten erarbeiten und für 25 hochwassergefährdete Fließgewässer Aktionspläne vorlegen.
Uns ist natürlich bewusst, dass das Augenmerk beim Hochwasserschutz nicht nur auf den Rhein mit seinen Nebenflüssen - da bin ich Herrn Remmel dankbar, dass er darauf hingewiesen hat -, sondern auch auf die vielen kleinen und dennoch hochwassergefährdeten Gewässer in NordrheinWestfalen gerichtet werden muss.
Ich bin gleich fertig. - Auch hier werden effektive Schutzmaßnahmen den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepasst.
Meine Damen und Herren, effektiver Hochwasserschutz ist sehr teuer und bedarf einer langfristigen Finanzplanung und Erarbeitung eines entsprechenden Konzeptes. Wie Sie sehen liegt nicht nur den Grünen, sondern auch uns der Hochwasserschutz zum Wohle der Bürger unseres Landes sehr am Herzen. Darin sind wir uns, glaube ich, mit allen hier vertretenen Parteien im Plenum einig. Wir werden alles tun, um die Lebensräume in hochwassergefährdeten Gebieten zu sichern.
Das Land wird nicht vor finanziellen Anstrengungen zurückschrecken dürfen. Der vorbeugende Hochwasserschutz ist, wie es sich in der Vergangenheit auch andernorts erwiesen hat, immer noch entschieden billiger als die Beseitigung der durch Hochwasser angerichteten Schäden.
Meine Damen und Herren, ich baue darauf, dass wir das Problem tatkräftig anpacken. Wir wollen die Lösung des Problems konstruktiv, ideologiefrei
Vielen Dank, Frau Kollegin Fasse. Die Zwischenfrage hat sich damit erledigt. - Als nächste Rednerin hat Kollegin Schulze von der SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man über Hochwasserschutz diskutiert, ist es sinnvoll, darüber zu reden, welchen Einfluss der Klimawandel auf die extremen Wetterereignisse hat, die wir alle noch vor Augen haben.
Zu Beginn der Klimadebatte 1987 war es so, dass die wissenschaftlichen Fakten, ob es so etwas wie einen vom Menschen verursachten Klimawandel gibt, viel unsicherer waren. Heute wissen wir - das sagt uns die Wissenschaft zu 95 % -, dass wir uns in einem von Menschen verursachten Klimawandel befinden.
„Aus Politik und Zeitgeschehen“ von Anfang September hat das wie folgt formuliert - ich zitiere das mit Genehmigung der Präsidentin -:
„Dass der Klimawandel zu einem erheblichen Teil von Menschen verursacht ist, kann nicht mehr ernsthaft bestritten werden. ‚Jahrhundertsommer’ wie im Jahre 2003 könnten künftig in unseren Breiten zur Regel werden.“
Es gibt also keine Ausrede mehr, auch wenn Kollege Ellerbrock, der gleich nach mir sprechen wird, immer wieder gerne darauf hinweist, dass es vor 1.000 Jahren noch Weinbau in Pommern gab und dass das mit dem Klimawandel alles ganz normal sei.
Wir wissen heute: Klimawandel ist vom Menschen verursacht und verstärkt. Wir wissen, dass Hochwasser und Überschwemmungen durch Starkregen auch bei uns immer wieder auftreten können und auftreten werden. Schutz vor Hochwasser ist damit eine ganz wichtige Aufgabe, bei der es keinen Stillstand geben darf. Es gilt, sowohl für Schutzmaßnahmen in überschwemmungsgefährdeten Gebieten zu sorgen, als auch an den Ursachen anzusetzen. Eine nachhaltige und vorsorgende Hochwasserschutzpolitik ist ganz wichtig. Das hat die alte Landesregierung erkannt. Sie hat jährlich zuletzt über 40 Millionen € in diesen Bereich investiert.
Frau Fasse sagt, dass der Hochwasserschutz der neuen Landesregierung am Herzen liege. Die erste konkrete Maßnahme ist aber in diesem sensib
len Bereich eine Haushaltssperre. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie den Hochwasserschutz ebenso konsequent voranbringt, wie wir das in den vergangenen Jahren gemacht haben. Es gilt mit Blick auf die vielen Menschen, die in hochwassergefährdeten Gebieten leben, ein besonderes Augenmerk darauf zu richten.
Zu einer nachhaltigen Politik gehört es auch, Hochwasserschutz in einem Zusammenhang zu sehen. Verstärkt müssen Konzepte entwickelt werden, die verschiedene Maßnahmen und Instrumente besser aufeinander abstimmen und dabei auch Synergieeffekte nutzen. So kann zum Beispiel mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie ein wichtiger Beitrag für die Renaturierung von Flüssen geleistet werden, der auch gleichzeitig wieder Hochwasserschutz ist.
Notwendig bleibt es aber, an der Wurzel anzusetzen. Eine zukunftsweisende Klimapolitik und die konsequente Fortführung der ökologischen Ziele, die bisher unser Land verfolgt hat, und auch eine nachhaltige Energiepolitik sind unverzichtbar. Wenn man sich da die Debatten von gestern, den ideologischen Kampf gegen die Windräder oder - vielleicht sollte man sagen - "den Kampf gegen die Windmühlen" ansieht, dann erkennt man in dem Bereich sehr viel Ideologie und wenig Konkretes. Das darf aber nicht sein, wenn man wirklich nachhaltigen Umweltschutz und Hochwasserschutz betreiben will. Eine nachhaltige und vorsorgende Politik sieht jedenfalls anders aus.
Für uns als SPD ist es dabei wichtig, dass man die Betroffenen vor Ort und die Öffentlichkeit an der Erarbeitung und Realisierung von Konzepten und Maßnahmen beteiligt. Das war auch ein wichtiger Anlass, einen Entschließungsantrag zu diesem Thema zu stellen. Hochwasserschutz braucht Akzeptanz. Nur so kann er auch wirklich nachhaltig verankert werden. Nachhaltigkeit ist das zentrale Stichwort für den Hochwasserschutz.
Herr Minister Uhlenberg, ich möchte mich ganz besonders an Sie wenden, weil es gerade beim Hochwasserschutz nicht reicht, nur die Belange der Landwirte in den Blick zu nehmen. Es wäre in dem Bereich wirklich wichtig, dass sie sich von ihrem "Bauernbefreier-Image" befreien und diejenigen in den Blick nehmen, die von möglichen Hochwassern betroffen sind. Die Menschen in den hochwassergefährdeten Gebieten in unserem Land werden Ihnen das danken.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schulze. - Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion Kollege Ellerbrock das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Remmel, Sie sagen, in der Koalitionsvereinbarung stehe nichts zum Hochwasserschutz. Frau Fasse ist doch darauf eingegangen. Ich weiß ja, wovon ich rede. Sowohl Minister Uhlenberg als auch Frau Fasse für die CDU und ich für die FDP waren bei diesen Verhandlungen dabei. Wir haben gesagt - das hat Frau Fasse auch zitiert -: „Wir werden Überschwemmungsgebiete auf das notwendige Maß beschränken.“ Das ist richtig.
Denn wir haben bei der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten festgestellt, dass wir mit ihrer Zielrichtung „gestaltende Ökologie“ das Übermaßverbot verletzen und das Vehikel Hochwasserschutz für etwas ganz anderes nutzen würden. Dies würde dazu führen, dass wir dem Hochwasserschutz einen Tort antun würden. Das wollten wir nicht!
Unser Grundsatz dabei ist: Gefahrenabwehr statt „gestaltender Ökologie“. Wir sagen Ja zum technischen Hochwasserschutz. Wir wollen die Deiche im Sinne der Gefahrenabwehr sicher machen. Wir sagen auch: Der Fluss muss Raum haben. Das wollen wir aber nicht im Sinne Ihrer Vorstellung der „gestaltenden Ökologie“ als Vehikel.
- Natürlich, Herr Remmel, gilt es, den Katastrophenschutz zu verbessern. Ihre Regierung hat es in den letzten Jahren versäumt, Katastrophenschutzübungen vor Ort durchzuführen. Sie hat die Mittel nicht bereitgestellt und stattdessen ausschließlich Stabsrahmenübungen durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass vor Ort entsprechende Katastrophenschutzgeräte und Mittel gar nicht vorhanden waren. Das wollen wir nicht machen.