Protocol of the Session on December 19, 2007

Meine Damen und Herren, der Hinweis des Präsidenten freut mich. Ich will Ihre Geduld auch nicht allzu sehr strapazieren.

Bei der Einweihung der Bochumer Synagoge, die vor wenigen Tagen, am Sonntag, stattgefunden hat und bei der wir bemerkenswerte Reden auch über die Verantwortung der Politik für jüdisches Leben in Deutschland gehört haben, hat eine junge Frau, eine junge Jüdin, die vor fünf Jahren aus Osteuropa nach Bochum gekommen ist, zwei Gedichte vorgetragen, in denen man spüren konnte, welche seelische Not viele Menschen erstens vor dem Hintergrund der Vergangenheit, der Geschichte und zweitens vor dem Hintergrund des aktuellen Lebens in diesem Land empfinden, wie sie sich ausgegrenzt fühlen, welche Angst sie haben und wie sehr sie damit rechnen, dass wir alle gemeinsam als Demokraten dazu beitragen, dass dieses Gefühl niemals in eine Form der tatsächlichen Bedrohung umkippt.

Ich fand, das waren ganz bemerkenswerte, einmalige Vorträge, die wir gehört haben. Auch der Ministerpräsident hat sich sehr erfreut darüber gezeigt, dass trotz rechten Widerstands, wenn man diesen Begriff überhaupt benutzen darf, diese Synagoge gebaut werden konnte und heute ein schönes Beispiel dafür ist, dass jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen wieder da ist, gedeiht und wächst.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, sind wir alle in einer großen Verpflichtung, den Rechten in diesem Land nie eine Chance zu geben. Ich habe keine Angst vor den Rechten in dem Sinne, dass sie hier irgendwann einmal politisch bestimmend sein könnten. Aber sie dürfen unser politisches Klima, unser Leben nicht mitgestalten, nicht gefährden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem Hinweis auf dieses bewegende Gedicht möchte ich nur noch eines sagen: Wir dürfen nie mehr wegsehen, wenn Rechte gegenüber anderen Menschen Gewalt androhen oder Gewalt ausüben. Wir dürfen nie mehr schweigen gegenüber Rechten und dem, was sie wollen, was sie tun und was sie beabsichtigen. Wir müssen Zivilcourage zeigen: alle gemeinsam, die Zivilgesellschaft und die politische Verantwortlichen.

Und wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Straftaten – es sind viele, die von Rechten begangen werden; im letzten Jahr waren es allein 3.685 in Nordrhein-Westfalen – konsequent verfolgt und richterlich geahndet werden. Immerhin sind über 300 Straftäter wegen rechtsextremistischer Straftaten im letzten Jahr rechtskräftig verurteilt worden – eine bemerkenswerte Zahl – hier bei uns in Nordrhein-Westfalen.

Wenn wir das alles tun, konsequent verfolgen, uns konsequent dagegen stellen und gemeinsam keinen Spalt gegenüber den Rechten zeigen, dann haben wir vielleicht im Laufe von mehreren Generationen die Möglichkeit, die rechte Gefahr in Deutschland auf Dauer zu beseitigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Moron. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Namen der FDP vorweg sagen, dass ich froh bin – Kollege Moron hat es angesprochen –, dass es nach einigen Monaten der Vorbereitung endlich gelungen ist, bei diesem wichtigen Thema einen gemeinsamen Antrag, eine gemeinsame Resolution gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus auf den Weg zu bringen

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

und diese heute möglichst mit großer Mehrheit oder sogar einstimmig zu verabschieden.

Herr Moron, niemand, auch nicht die Koalition, will da etwas verharmlosen. Wir wollen kein Klima der Angst. Wir wollen kein Klima der Intoleranz. Ich füge hinzu: Wir stimmen in der Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen Fragen überein; Sie hatten das vorhin infrage gestellt. Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind Phänomene, die alle viele Facetten besitzen und in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Milieus vorkommen. Unsere gemeinsame Politik steht diesen komplexen Phänomenen, die ich heute auch nur skizzieren kann, keinesfalls hilflos gegenüber.

Einig sind wir uns in der politischen Bewertung, dass insbesondere Hinsehen – Sie hatten das auch infrage gestellt –, Zivilcourage – da sind wir wieder zusammen – und politische Aufklärung von überragender Bedeutung bei der Bekämpfung der Machenschaften von Extremisten sind. Mit großem Unbehagen registrieren wir, dass sich die rechtsextreme Front verstärkt, sich verbreitert und bedauerlicherweise an Einfluss gewinnt – nicht überall und auch regional durchaus unterschiedlich, wenn wir zum Beispiel die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen und die Zusammensetzung der Länderparlamente betrachten.

Umso mehr muss es parteiübergreifend unser aller Ziel sein, die Gefahr von Rechts zu sehen und geschlossen dagegen vorzugehen. Es gibt heute eine Vielzahl von Projekten und Programmen gegen Rechtsextremismus. Längst ist Rechtsextremismus glücklicherweise nicht allein Thema für Polizei und Jugendarbeit. Die Strategien sind vielschichtiger geworden und setzen auf ganz unterschiedlichen Ebenen an.

Besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht ist meiner Ansicht nach in den Schulen angebracht. Die Rechtsextremen kommen in Labelkleidung, in feinem Zwirn mit Nadelstreifen, also als typische Wölfe im Schafspelz, verteilen CDs an die Schülerinnen und Schüler und versuchen so, mit Speck Mäuse zu fangen. Hier, meine Damen und Herren, sehe ich das größte Gefahrenpotenzial. Hier bedarf es allergrößter Aufmerksamkeit und Vorsicht.

Alle Demokraten müssen so eng beieinander stehen, dass sich nicht einmal das sprichwörtliche Blatt Papier dazwischen stecken lässt. Ein Beispiel: Unser Innenminister – das haben wir bereits wiederholt thematisiert; es klang auch heute Morgen schon an – hat im letzten Jahr eine herausragende Initiative auf den Weg gebracht. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf diesen Comic Andi lenken, der in hoher Auflage bundesweit nachgefragt wird. Hier wird in Bild und Sprache

junger Menschen, also im Mangastil, auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die aus perfiden Anwerbungsversuchen und weiteren Aktivitäten der rechten Szene erwachsen.

Ohne Zweifel ist es Pflicht der Justiz und der Polizei, den demokratischen Staat und seine Bürger vor Rechtsextremismus zu schützen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine ganze Reihe juristischer Möglichkeiten, rechtsextreme Aktivitäten zu ahnden. Hier handelt sich um reaktive Möglichkeiten. Ein rasches und konsequentes Handeln kann die rechtsextreme Szene einschüchtern und damit Schlimmeres abwenden.

Dennoch sind Polizei und Justiz nicht in der Lage – noch ist es ihre vordringliche Aufgabe –, die Herausbildung rechtsextremer Gewaltszenen auf lokaler Ebene und erst recht die Entwicklung rechtsextremer Einstellungen zu verhindern. Hierzu bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Wir müssen alle gemeinsam aufpassen, dass es nicht zu einer Unterwanderung der kommunalen Parlamente durch rechtsextremistische Parteien und Wählervereinigungen kommt.

Sie kennen alle das unschöne und negative Beispiel von „Pro Köln“. Mit einem positiv besetzen Namen versuchen Rechte quasi wie mit einem trojanischen Pferd inzwischen landesweit in die Kommunalparlamente einzuziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte für die FDP-Fraktion noch einmal klarstellen: Extremismus ist grundsätzlich zu verurteilen und zu bekämpfen. Dabei schließe ich ausdrücklich den Linksextremismus ein.

Ich komme zu meinen Schlussbemerkungen. Bei aller Sympathie für den Tenor dieses Antrags: Was ich selbst am 1. Mai bei der links/rechtsextremen Demo in Dortmund und dann im Juni dieses Jahres in Heiligendamm erlebt und mit angesehen habe, besorgt mich noch heute. Die fürchterliche Intensität der Krawalle und die erbarmungslose Brutalität des sogenannten schwarzen oder autonomen Blocks haben mich erschüttert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Linksextreme.

Ich werbe für diesen Antrag und hoffe auf ein einstimmiges Votum. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Düker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn ich allen meinen Vorrednern und Vorrednerinnen zustimme, dass es positiv ist, das wir ein Ergebnis gefunden haben und gemeinsam im Kampf gegen Rechtsextremismus auftreten, so finde ich es doch bedenklich, dass wir dafür neun Monate gebraucht haben, Herr Engel.

In der Aktuellen Stunde am 29. März haben wir nicht über Links- und Rechtsextremismus diskutiert, Frau von Boeselager. Wir haben in der Aktuellen Stunde im März dieses Jahres darüber diskutiert, dass wir in allen Bereichen rechtsextremer Deliktsformen – bei Propagandadelikten, Gewaltdelikten und Volksverhetzungsdelikten – besorgniserregende und kontinuierliche Steigerungen zu verzeichnen hatten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das war das Thema im März dieses Jahres. Aus dieser Debatte ergab sich ein Auftrag an den Hauptausschuss, hieraus eine gemeinsame Resolution für ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft aufzustellen. Frau von Boeselager und Herr Engel, hier ging es nicht darum, Rechts- und Linksextremismus und Extremismus ganz allgemein im 25. Appell dieses Landtags eine Rote Karte zu zeigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ging um Handlungskonzepte, es ging um Prävention.

Rechtsextremismus und Linksextremismus in unserer Gesellschaft sind nicht dasselbe. Wir können diese Gleichsetzung auch aus meiner Sicht nicht machen. Herr Engel, das sind zwei verschiedene Phänomene.

Auch wenn Rechtsextremismus selbst in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftritt, so ist er doch individuell durch Ausländerfeindlichkeit gekennzeichnet. Er ist gegen den Gleichheitsgrundsatz in unserer Gesellschaft. Er grenzt aus. Rechtsextremismus ist nationalistisch und antisemitisch. Von seinen agierenden Personen her ist er überwiegend männlich und bildungsfern. Das kennzeichnet den Rechtsextremismus.

Der politisch organisierte Rechtsextremismus hat sich in unserem Land vier Säulen zum Ziel gesetzt: Kampf um die Köpfe, Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente und jetzt neuerdings Kampf um den organisierten Willen.

Hinzu kommt eine andere Erscheinungsform des Rechtsextremismus. Rechtsextreme, antidemokratische und ausländerfeindliche Haltungen sind

in der Mitte der Gesellschaft vorhanden. Auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Ich empfehle wirklich jedem Kollegen hier im Hause Studien wie die der Friedrich-Ebert-Stiftung vom vergangenen Jahr. Schauen Sie sich an, welche Zustimmungsquoten danach zu antidemokratischen Haltungen in unserer Gesellschaft vorhanden sind. Dann reden Sie hier nicht mehr von Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Das kann es nicht sein, Herr Engel und Frau von Boeselager.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind unterschiedliche Phänomene. Wir müssen unterschiedlich darauf reagieren. Unsere Geschichte gibt uns auf, hier auch ganz besonders sensibel zu sein.

Das alles wissen wir. Diese Analysen zeigen uns: Der Weg bei Prävention, aber auch bei Repression muss konsequent gegangen werden.

Klar ist auch: Es ist kein ordnungspolitisches Problem, das wir dem Verfassungsschutz, der Justiz und den Sicherheitsbehörden überlassen dürfen. Nein, Problemlösungsstrategien und Handlungskonzepte müssen breit angelegt werden. Worum geht es? Es geht um die Stärkung der Zivilgesellschaft, um Courage, um Engagement gegen extremistische antidemokratische Aktivitäten und um Ächtung.

Es geht um Bildung, und zwar nicht darum, dass Bildung als Wissensvermittlung im Turbotempo – Abi nach zwölf Jahren – und als verdichtete Wissensvermittlung vornan steht. Es geht auch um Schulen als Lern- und Lebensorte für Demokratie. Dafür muss in unseren Schulen auch Platz und Ort sein.

Wenn wir wissen, dass Rechtsextremismus durch Ausgrenzung gekennzeichnet, gegen Gleichheitsgrundsätze und für Nationalismus ist, müssen wir unseren Kindern, aber auch vielen Erwachsenen Demokratie mehr als Wert begreifbar machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen begreifbar machen, dass Vielfalt in unserer Gesellschaft eine Bereicherung ist. Demokratie und Menschenrechte sind die Basis und das Fundament für unser Land. Demokratie kann man unseren Kindern nicht nur vermitteln. Demokratie muss erlebt werden. Deshalb sind alle Beteiligungsformen, ist Partizipation gelebte Demokratie. Diese Strukturen müssen wir in Jugendarbeit und in Schulen noch viel stärker verankern.

Es geht auch um Prävention am Arbeitsplatz, in den Betrieben. Ich weiß nicht, ob allen bekannt

ist, dass der DGB immer noch die Gelbe Hand als Projekt verfolgt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Neulich gab es eine Preisverleihung. Minister Laschet war dabei. Es wurden tolle Projekte von Jugendlichen und Auszubildenden ausgezeichnet, die in den Betrieben gegen Ausgrenzung, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Rassismus aufgestanden sind. Auch da findet Prävention statt.

Es geht um Fanprojekte in Fußballstadien. Es geht ganz besonders auch um die Schaffung von kommunalen Netzwerken. Wir alle wissen: Für die nächste Kommunalwahl hat der organisierte Rechtsextremismus Strukturen in Nordrhein-Westfalen geschaffen. Er ist dabei, sie zu verstärken, um bei der Kommunalwahl flächendeckend anzutreten. All dies ist besorgniserregend. Die Kommunen vor Ort müssen dabei in der Netzwerkarbeit unterstützt werden, um gegensteuern zu können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht auch um ein klares Wort meiner Fraktion zum Beschluss der Innenministerkonferenz über ein NPD-Verbot. Ich sage ganz klar für meine Partei: Wir unterstützen die Position der Innenministerkonferenz und der Landesregierung gegen ein erneutes NPDVerbotsverfahren. Es hat fast keine Aussicht auf Erfolg; das wissen wir. Es ist aus meiner Sicht wenig wirksam, mit Verboten oder etwa durch die Einschränkung des Versammlungsrechts Phänomene aus der Welt schaffen zu wollen, die in den Köpfen der Menschen stecken. Das hilft uns nicht weiter.