Protocol of the Session on December 19, 2007

Drucksache 14/4008

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses

für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 14/5742

Ich weise darauf hin, dass dieser Antrag gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b der Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen wurde, und zwar mit der Maßgabe, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach der Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales liegen nunmehr vor.

Ich eröffne die Beratung und erteilte für die SPDFraktion der Frau Abgeordneten Ruff-Händelkes das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 20. März dieses Jahres hat die SPD-Fraktion den Antrag „Integrierte Versorgung rheumakranker Menschen in NRW verbessern“ eingebracht. Wir haben das Thema im Ausschuss diskutiert. Heute möchte ich die, wie ich denke, drei wichtigsten Fakten nennen.

Erstens: Früherkennung vermeidet Dauerschäden. Diejenigen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, wissen, dass es ca. 500 verschiedene Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises gibt.

Ich möchte nur an einem Beispiel deutlich machen, wie wichtig es ist, Dauerschäden vorzubeugen: Eine frühe Erkennung und Behandlung der rheumatoiden Arthritis trägt erheblich dazu bei, Dauerschäden an Gelenken und Organen und damit letztlich Invalidität zu vermeiden. In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie wird die Vorstellung beim Rheumatologen nach spätestens sechs Wochen empfohlen. Spätestens nach zwölf Wochen sollte eine medikamentöse Basistherapie begonnen werden. Leider ist dies in der Realität bei oft langen Wartezeiten nicht immer möglich. Vor allen Dingen ist es oft schwierig, einen Termin bei einem Spezialisten oder bei einer Spezialistin, einem niedergelassenen Rheumatologen, zu bekommen.

Im Rahmen der integrierten Versorgung wird eine rheumatologische Untersuchung innerhalb von 14 Tagen gewährleistet. Zu diesem Zeitpunkt ist mit einer schnell wirksamen Therapiekombination häufig – und daran sollten wir alle interessiert sein – rasch ein Rückgang oder zumindest eine niedrigere Krankheitsaktivität zu erzielen, woran wir alle interessiert sein sollten.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Zweitens: abgestimmte Heil- und Hilfsmitteltherapie. Ein großer Vorteil der integrierten Versorgung ist die allen Patienten zugute kommende komple

xe, individuell abgestimmte Heil- und Hilfsmitteltherapie, und zwar über ganz unterschiedliche Fachrichtungen verteilt. Sie trägt enorm zu einer Verbesserung der Funktionen und damit der Lebensqualität bei. Es wird einer frühen Invalidisierung entgegengewirkt, und – was volkswirtschaftlich gesehen auch wichtig ist – die durch Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten von Erwerbstätigen können gering gehalten werden. Hier ist die ambulante rheumatologische Rehabilitation eine mögliche Alternative auch zum stationären Aufenthalt.

Drittens: Senkung der Kosten. Seit langem besteht oft eine Fehlversorgung in Form von Überversorgung oder Unterversorgung der Patienten mit Medikamenten. Durch rationalen Umgang mit rheumatologischen Medikamenten und konsequente Therapieüberwachung können der Medikamentenkonsum und die Medikamentenkosten gesenkt werden. Der Schmerzmittelbedarf wird durch langfristige medikamentöse Therapie und bedarfsgerechte Heilmitteltherapie gering gehalten. Die Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung wird verbessert.

Bei all dem ist es wichtig, eine feste Bezugsperson zu haben. Wer ist der erste Ansprechpartner des Patienten? Unserer Meinung nach ist es die Hausärztin oder der Hausarzt. Sie sollten als Lotse fungieren und fester Ansprechpartner für die Patienten bleiben. Soweit es nötig ist, bedarf es eines ausgeweiteten Schulungsangebotes – und zwar für Ärzte und für Patientinnen und Patienten –, damit frühzeitig zu rheumatologischen Fachärzten überwiesen werden kann. Das durchbricht – auch wenn entsprechende Kritik gleich sicher aufkommen wird – nicht das System der freien Arztwahl. Im Gegenteil: Es bleibt dabei, dass die Einbeziehung der Hausärztin und des Hausarztes unverzichtbar ist, denn die Patientinnen und Patienten haben zu ihr oder ihm das größte Vertrauen.

Seit dem Antrag der SPD-Fraktion ist glücklicherweise einiges passiert. Das Ministerium hat eine Anfrage an die Kassenärztliche Vereinigung gestellt, um die Versorgungssituation für die Betroffenen zu klären. Dies war auch eine Forderung der Enquete-Kommission „Frauengerechte Gesundheitsversorgung“. In beiden Fällen ist bestätigt worden: Es gibt zu wenig rheumatologische Internisten. Inzwischen gibt es eine Broschüre zum Thema „Rheuma im Kindesalter“. Sie ist von Fachleuten positiv bewertet worden.

Was bis heute jedoch fehlt, meine Damen und Herren, ist – aber das wird ja hoffentlich gleich noch kommen – eine Aufstellung von dem, was erreicht worden ist. Gerade eben hat sich meine

Kollegin Inge Howe mit Vertretern des Rheumazentrums OWL und Ministeriumsvertretern zusammengesetzt, um das dort praktizierte System eventuell auf ganz NRW zu überragen.

Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, ich habe hier den Entwurf einer Beschlussempfehlung der FDP in der Hand. Darin steht, dass die FDP festhalte, dass es auch in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung Defizite gebe. Die Ursache liege in der staatlichen Reglementierung des Gesundheitssystems.

Mit Verlaub, meine Damen und Herren, das ist eine äußerst schwache Stellungnahme. Ich möchte Sie, liebe CDU-Fraktion, fragen: Warum tun Sie sich so schwer? Die Hälfte unseres Antrages ist im Prinzip bereits abgearbeitet. Deshalb könnten eigentlich doch auch Sie – entgegen dem Beschlussentwurf – unserem Antrag zustimmen. Das wäre ein gutes Signal, die integrierte Versorgung der betroffenen Menschen in NRW zu verbessern. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Kleff das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wer möchte nicht zustimmen, wenn es darum geht, die integrierte Versorgung rheumakranker Menschen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern? Nur stellt sich – und das ist der Punkt – die Frage nach der Zuständigkeit.

Chronisches Rheuma ist eine Volkskrankheit, die mit großen Schmerzen und mit vielen Einschränkungen bis hin zum vorzeitigen Rentenbezug verbunden ist. Meistens wird Rheuma erst dann richtig akzeptiert, wenn man in nächster Nähe bei betroffenen Familienangehörigen und bei guten Bekannten Erfahrungen sammelt.

An rheumatischen Erkrankungen leiden nicht nur, wie weit verbreitet gedacht wird, ältere Menschen, sondern auch Kinder und Jugendliche. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine frühzeitige Diagnose, die einen frühzeitigen Therapiebeginn ermöglicht, ist dringend notwendig, um einen Krankheitsstillstand zu erreichen bzw. die Lebensqualität der Patienten verbessern zu können.

Die von der SPD geforderte Verbesserung der integrierten Versorgung greift aber, so meine ich, zu kurz, um die Versorgungsdefizite in Deutschland zu beseitigen. Ferner stellt sich doch auch die

Frage, ob die SPD dem auf der Bundesebene von ihrer Ministerin gewollten Vertragswettbewerb nicht traut und deshalb jetzt die Landesregierung in die Pflicht nehmen will.

(Zuruf von Inge Howe [SPD])

Die Landesregierung hat bereits in der Ausschusssitzung am 16. Mai 2007 darauf hingewiesen, dass es eine klassische Aufgabe der Selbstverwaltung ist, Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren – wie hier ambulant und stationär – übergreifende Versorgung der Versicherten abzuschließen. Hier sind also an erster Stelle die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen gefordert, die auf der anderen Seite allerdings – das muss man sagen – im Wettbewerb stehen.

Erfreulich ist:

Erstens. Die Zahl der Zulassungen für Rheumatologen in Nordrhein-Westfalen soll – ich betone: flächendeckend – erhöht werden.

Zweitens. Von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe wird derzeit ein Strukturvertrag für ganz Nordrhein-Westfalen ausgearbeitet.

Drittens. Zwischen den Krankenkassen und verschiedenen Leistungserbringern wurden Integrationsverträge ausgearbeitet.

Viertens. Die Fortbildung und die Qualitätssicherung werden von den Ärzten und von den Krankenkassen aufgegriffen.

Fünftens. Die stationäre Versorgung rheumakranker Menschen kann als gut bezeichnet werden.

Die CDU-Fraktion hat die Verschiebung von akuten hin zu mehr chronischen Erkrankungen ausdrücklich im Blick. Alles spricht dafür, bereits im Vorfeld chronische Krankheiten dadurch zu vermeiden, dass der Blick auf die Förderung der Gesundheit gelenkt wird. Hier ist auch die Kompetenz der Ärzteschaft gefordert, wenn es um die individuelle Aufklärung über gesundheitsschädigendes Verhalten geht.

Auch wenn trotz intensiver Forschung die Ursachen noch immer nicht vollständig bekannt sind, muss die Landesregierung darauf hinwirken, dass die Förderung von Bewegung und die Unterstützung bei der Auswahl einer gesunden Ernährung in der frühkindlichen Prävention als wichtige Aufgaben angesehen werden.

Die CDU-Fraktion unterstützt die Landesregierung nachdrücklich dabei, auch über die Landesgesundheitskonferenz ihren Einfluss bei der Formulierung gesundheitspolitischer Ziele geltend zu machen.

Abschließend stelle ich fest: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Die im Antrag der SPD erhobenen Forderungen lehnen wir ab.

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD]: Das ist doch unglaublich!)

Wir fordern die Landesregierung auf, den bereits eingeschlagenen Weg weiterzugehen und über die Landesgesundheitskonferenz und die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Einfluss auf eine Verbesserung der Qualität der Früherkennung und Versorgung rheumakranker Menschen zu nehmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kleff. Das war eine zeitliche Punktlandung. – Jetzt spricht der Kollege von der FDP, Herr Dr. Romberg. Bitte.

(Volkmar Klein [CDU]: Das war nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine inhaltliche Punktlandung!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles von dem, was die SPD zur Behandlung Rheumakranker vorgebracht hat, ist wünschenswert.

(Inge Howe [SPD]: Danke schön, Herr Rom- berg!)

Das ist die Idealvorstellung.

(Thomas Eiskirch [SPD]: War das ein Lob?)

Das ist ein Lob. Natürlich sind wir für eine Verbesserung der stationären und auch ambulanten Verknüpfung der Behandlung. Wir sagen auch deutlich ja zu einer flächendeckenden fachärztlichen Versorgung in diesem Bereich, ja zu passgenauer Krankengymnastik und zu Ergotherapie.

Wir haben nur das Problem, dass nicht nur im Bereich der Rheumakranken – wir hatten vor einiger Zeit zum Beispiel auch über psychische Erkrankungen gesprochen; das betrifft Leitsymptome –, sondern in bestimmten Krankheitsbereichen, die viele Menschen betreffen, unser Gesundheitssystem nicht passgenau arbeitet. Dort gibt es eben lange Wartezeiten, und die notwendige Krankengymnastik ist beschränkt. Das gilt nicht nur beim Rheuma, sondern ist beim Schlaganfall und anderen neurologischen Erkrankungen ähnlich.

Es ist sicher richtig, dass die Kassenärztliche Vereinigung dafür da ist, eine adäquate Versorgung sicherzustellen. Jetzt höre ich von Ihnen das

Ja zu den niedergelassenen Fachärzten; das ist aus den Reihen der SPD neu.