Protocol of the Session on December 7, 2007

Die Zulieferer – und davon haben wir sehr viele gute hier in Nordrhein-Westfalen –, die der eigentliche Innovationsmotor im Automotivebereich sind und die mit ihren Produkten in besonderem Maße für zukünftige Reduktionen sorgen werden, haben mit einem besonderen Problem zu kämpfen. Deren Innovationszyklen sind nämlich bedeutend länger als die der Automobilhersteller. Es braucht ungefähr fünf Jahre, bis das erste Produkt irgendwo in kleiner Serie, meist bei Sportwagen oder im Premiumsegment, zur Marktreife gelangt.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Was heißt das jetzt für Nordrhein-Westfalen?)

Dann dauert es weitere fünf Jahre, bis die neuen Produkte in großer Serie so preiswert hergestellt werden können, dass sie tatsächlich den Volumenherstellern angeboten werden können.

Meine Damen und Herren, dies verdeutlicht bereits, wie wichtig die deutschen Premiumhersteller für den technischen Fortschritt einer ganzen Branche sind. Ohne sie hätten viele Produkte der Zulieferer nicht den Durchbruch am Markt geschafft. Allein deshalb ist es grob fahrlässig, wenn wir das Marktumfeld dieser Hersteller zum Beispiel durch ein generelles Tempolimit verschlechtern würden.

(Beifall von der FDP)

Es verdeutlicht allerdings auch, dass es für uns als Politiker ratsam ist – Frau Löhrmann –, die Hersteller bei der Bereitstellung bestimmter, für die Umwelt wünschenswerter Produkte nicht zu stark unter Druck zu setzen.

(Beifall von der FDP)

Sonst passiert genau das, was wir in den letzten Wochen bei den nicht funktionstüchtigen Dieselnachrüstungsfiltern beobachten konnten, die nun wieder vom Markt genommen werden müssen.

Genauso war es im Übrigen bei den Partikelfiltern, die von den deutschen Herstellern genau aus diesem Grunde nur sehr zögerlich eingebaut wurden. Ein noch in der Entwicklungsphase steckendes Produkt lässt sich eben nicht millionenfach aus dem Boden stampfen, ohne dass dies zu spürbaren Qualitätseinbußen führt.

Damit die Hersteller und insbesondere die Zulieferer auch weiterhin am Hochlohnstandort Nordrhein-Westfalen für den Weltmarkt produzieren können, dürfen sie Ihre Innovationskraft nicht einbüßen. Hierzu benötigen sie einerseits gut ausgebildete Fachkräfte und andererseits eine enge Kooperation mit den Hochschulen unseres Landes.

Während die Grundlagenforschung, beispielsweise an der Brennstoffzelle, bei Opel und Ford in den USA stattfindet, konzentrieren viele Zulieferer ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten am Standort Nordrhein-Westfalen. Von den Ingenieuren werden insbesondere naturwissenschaftliche Kenntnisse verlangt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsfraktionen, ich möchte nur einmal daran erinnern, dass Sie in der vergangenen Legislaturperiode die naturwissenschaftlichen Fächer in den Schulen zusammenlegen wollten. Das wäre ein fataler Fehlgriff gerade auch für die Automobilindustrie, gewesen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das ist interna- tionaler Standard!)

Frau Steffens, dieser „internationale Standard“ hätte dazu geführt, dass wir die führende Position gerade auf dem Automobilmarkt verloren hätten.

Um das Interesse für Naturwissenschaften und Technik zu wecken, sollte bereits im frühkindlichen Alter angesetzt werden. Genau hier hat die Koalition aus CDU und FDP angesetzt. Wir haben vom KiBiz über das neue Schulgesetz bis zum Hochschulfreiheitsgesetz die umfassendste Reform auf dem Bildungssektor in der Geschichte Nordrhein-Westfalens vorgenommen.

(Beifall von der FDP)

Herr Brockes, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Steffens?

Ich beende gerade noch den Satz, und dann darf sie die Zwischenfrage stellen.

Bitte schön.

Von diesen Vorgaben im Bildungssystem profitiert auch gerade die Automobilwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank. – Jetzt kommen wir zu der Frage.

Bitte schön, Frau Steffens, jetzt können Sie Ihre Frage stellen.

Herr Brockes, wissen Sie, in wie vielen Ländern – international – die naturwissenschaftlichen Fächer zusammengelegt sind und an welchen Positionen sie, marktwirtschaftlich gesehen, auf dem Technologiesektor stehen?

Liebe Frau Steffens, sehr viele dieser Länder stehen, gerade was Hochleistungsprodukte wie das Automobil angeht, hinter Deutschland. Das liegt eben daran, dass wir hier noch Wert legen auf Fächer wie Chemie, Physik etc. Das wollten Sie aufs Spiel setzen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Barbara Steffens [GRÜNE]: Kein Beispiel!)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Priggen das Wort.

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brockes und Herr Dr. Petersen! Herr Dr. Petersen, Sie haben gesagt, die Herausforderungen seien die Globalisierung und auch der Klimaschutz. Dann kam wieder das Credo: Nicht der Staat soll das vorgeben, sondern der Wettbewerb soll es richten.

(Demonstrativer Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Ich glaube, Sie kommen damit nicht weiter. Sie werden beides brauchen. Das wissen Sie ganz genau.

Schauen wir uns die aktuelle Diskussion an. Herr Eumann hat zu Recht gesagt: Wenn Sie sich die neuen Zahlen der deutschen Autoindustrie ansehen, stellen Sie fest: hervorragend im Export, aber massive Probleme beim internen Absatz. Das hat genau damit zu tun, aus meiner Sicht jedenfalls, dass viele Kunden nicht genau wissen, wohin es bei der Autoindustrie geht.

Es ärgert einen doch – Herr Brockes, ich mache hier keine Reklame für einen japanischen Hersteller; ich fahre seit über 30 Jahren Volkswagen und würde das auch gerne weiter machen –, wenn Volkswagen das Einliterauto ins Museum stellt, und der Bugatti Byron, der bei Vollgas 100 l auf 100 km verbraucht, wird verkauft.

Es ärgert einen, dass Volkswagen nicht in der Lage ist – das stellen Sie fest, wenn Sie nachfragen und sagen, sie seien durchaus bereit, ein Auto mit einem etwas weniger starken Motor zu kaufen –, einem ein vernünftiges Auto anzubieten, das man als Berufspendler brauchen kann und mit dem man nicht 180 km/h und mehr fahren muss. Vielmehr kommen sie dann mit ihren GolfFahrzeugen, die übermotorisiert sind und die man im normalen Berufsverkehr überhaupt nicht

braucht. Bis jetzt macht Volkswagen das nicht. Sie kündigen es immer an.

Ich glaube, dass ein Teil der Kaufzurückhaltung in Deutschland darauf zurückzuführen ist, dass viele Kunden, die aus der Klimaschutzdebatte für sich ein Stück weit Konsequenzen ziehen wollen, sagen: Ich würde gerne beim nächsten Anschaffungszyklus ein Auto …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Passen Sie auf, drücken Sie auf den Knopf! Sie dürfen gerne fragen. Aber es geht so schlecht, wenn Sie einfach nur dazwischenreden. Sie wollen doch etwas wissen. – Lassen Sie ihn doch fragen! – Bitte, Herr Witzel.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Herren, wenn Sie versuchen, das selbst zu organisieren, werden Sie Ärger mit mir bekommen. Aber bitte schön.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Herr Witzel, jetzt sind Sie dran, nachdem Sie schon aufgefordert wurden.

Herr Priggen, ich wollte Sie fragen, warum erwachsene Kunden, zumal beim Autokauf, nicht als souveräne Konsumenten für sich die Entscheidung treffen, aus dem Sortiment ein Auto mit einer kleineren PS-Zahl zu bestellen? Die Angebote gibt es ja, aber sie werden nicht entsprechend nachgefragt.

Ich will Ihnen das ganz klar beantworten. Dazu, dass VW technisch in der Lage wäre, das Einliterauto zu bauen, habe ich mir Bilder angeschaut. Ich möchte natürlich nicht gerne einen alten MesserschmidtKabinenroller haben, in dem man zu zweit hintereinander sitzen muss.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber ich erwarte von denen, dass sie in der Lage sind, ein Dreiliterauto auf einem anspruchsvollen technischen Standard anzubieten. Es muss auch nicht billig sein. Es muss einen vernünftigen Preis haben, und es muss so sein, dass man es kaufen kann. Aber ein Dreiliterauto ist etwas, was man von einem solch großen, technisch eigentlich hervorragenden Konzern erwarten kann.

Aber die Modellpolitik der vergangenen zehn bis zwanzig Jahre war katastrophal, gerade bei Volkswagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mich ärgert das. Ich fahre diese Marke seit über zwanzig Jahren. Ich bin damit zufrieden und würde dort gerne wieder kaufen. Aber ich habe mich schon bei der Rußfilterdebatte geärgert. Das war die Vorgängergeschichte. Man muss klar sagen, dass unsere deutsche Autoindustrie bestimmte Entwicklungen verschlafen hat. In der Zeit der Rußfilterdebatte konnte ich mir Rußfilter bei einem Peugeot ansehen. Ich wusste erst gar nicht, wie man den schreibt, und ich wollte mir auch nie ein französisches Auto ansehen, einfach weil ich mit VW zufrieden war.

Und dann haben sie Technik aus NordrheinWestfalen gekauft und die Rußfilter in ihre Autos eingebaut, während unsere Autoindustrie nicht in der Lage war, sie anzubieten. Ich habe ihn für meinen Volkswagen nachrüsten lassen. Aber es war schon eine Schande, dass man seinerzeit bei Volkswagen keinen neuen Passat erhalten konnte, der standardmäßig einen Rußfilter hatte. Als Kunde würde man darauf anders reagieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insgesamt ist es doch so: Früher ab es eine gewisse Arroganz der deutschen Automobilindustrie gegenüber Japanern. Heute ist Toyota in allen Pannenstatistiken führend und bietet das weltbeste Auto an. Herr Eumann hat da ganz recht: Wir sollten aufpassen und dafür sorgen, was die unvermeidlichen Ziele der Automobilpolitik werden. Da ist natürlich das Bedürfnis nach Luxus und Komfort, was sich bei den Einzelnen ausdrückt. Vor allem wird aber der Aspekt, sparender mit Treibstoff umzugehen und Klimaschutz zu berücksichtigen, bei Nutz- und Personenfahrzeugen ein Teil der Modellpolitik sein.

Unsere Autoindustrie ist im Moment auch deshalb gut, weil unsere 7er-BMWs in den USA als spritsparende Autos gelten, da die USA noch auf einem ganz anderen Verschwendungslevel leben. Aber wir werden damit bei uns nicht durchkommen.

Schauen Sie sich einmal an, was auf dem asiatischen Markt passiert! Ich habe schon bei Einbringung des Antrags darauf hingewiesen: Tata Motors, ein Konzern mit 200.000 Beschäftigten in Indien, bringt in den nächsten sechs Monaten einen Viertürer für 1.830 € auf den Markt. Er sieht nicht schlecht aus. Er hat 700 cm3. Das, was Sie sich bei Tata anschauen können, ist ein vernünftiges Auto für den indischen Markt mit 700 cm3, und es wird spritsparend sein.