Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat vor zwei Tagen ihr Energie- und Klimaprogramm beschlossen. In seiner Tragweite ist es ohne Vorbild. Gerade deshalb beinhaltet es nämlich nicht nur Chancen, sondern auch unabschätzbare Risiken für unsere Volkswirtschaft.
Es wird sich auf Bali und den Folgekonferenzen zeigen, ob die deutsche Vorreiterrolle andere Staaten tatsächlich ermuntert, sich ebenfalls ehrgeizige Ziele zu setzen. Die Europäer alleine können das Klima jedenfalls nicht retten. Hierzu bedarf es in besonderem Maße der Mitwirkung durch die Amerikaner, Chinesen und Inder.
Es wäre allerdings kein Novum, dass ein vorschneller Alleingang im globalen Konkurrenzkampf gnadenlos bestraft wird. Den Vorteil des First Mover gibt es nämlich nicht überall. Häufig zeigt sich, dass Volkswirtschaften, die sehr schnell sehr viel bewegen wollen, nicht den größten Nutzen haben, mit Sicherheit aber die höchsten Kosten bei der Erprobung junger Techniken. Ergo gilt: Wir müssen mit Augenmaß agieren und dürfen nicht überziehen. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass die Bundesländer, die einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Reduktionsziels leisten müssen, bei der Festlegung dieser Vorgaben seitens des Bundes beteiligt worden wären. Dies gilt in besonderer Weise für die Ausarbeitung des hierzu erforderlichen Maßnahmenpakets.
Das von der Bundesregierung beschlossene Bündel unterschiedlichster Maßnahmen beinhaltet unter anderem die Förderung erneuerbarer Energien zur Beheizung von Gebäuden. Ich begrüße ausdrücklich, dass entgegen der ursprünglichen Planung nicht jedem einzelnen Hausbesitzer ein fester Prozentsatz erneuerbarer Energien beim Heizen vorgegeben wird. Es wäre nahezu absurd gewesen, einen Eigentümer, der in seinem Bestandsgebäude den Heizkessel erneuert und Isolierfenster einsetzt, zusätzlich zu verpflichten, eine Anlage zur Wärmegewinnung aus erneuerbaren Energien einzubauen.
Nichtsdestotrotz fehlt mir bei der jetzigen Regelung jedoch grundlegend an Flexibilität. Ich hätte mir unter Berücksichtigung klar definierter Reinvestitionszyklen größere Freiräume ohne die Festlegung auf bestimmte Technologien gewünscht. Es wäre intelligenter gewesen, die Volkswirtschaft zur Produktion einer bestimmten Menge erneuer
Wir könnten zum Beispiel die Brennstoffhändler auf der ersten Handelsstufe zur Nutzung oder zum Ankauf erneuerbarer Wärme verpflichten. Sie könnten entsprechende Nachweise bei den Hausbesitzern einkaufen, die Wärme regenerativ produzieren. Das, meine Damen und Herren, wäre ein marktwirtschaftlicher Investitionsanreiz für die Hausbesitzer, für den es kein Staatsgeld geben müsste. Aber stattdessen erkauft sich Bundesregierung die Freiwilligkeit regenerativer Wärmegewinnung in Altbauten durch massive Subventionen, um entsprechende Investitionen auszulösen. Mit einem optimalen Einsatz von Kapital hat dies nun wirklich nichts mehr zu tun.
Mir erscheint zudem ein Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen in den einzelnen Bundesländern nicht erstrebenswert. Deshalb haben wir es hierbei nicht für ratsam befunden, Herr Kollege Priggen, in einen übermäßigen Wettlauf mit Baden-Württemberg einzutreten. Wir teilen uns unsere Kräfte gut ein, beispielsweise für unseren Weg zum Innovationsland Nummer eins innerhalb der Bundesrepublik. Herr Oettinger wird hierbei unseren Atem schon bald zu spüren bekommen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von den Grünen eingebrachte Gesetzentwurf deckt sich zu 95 % mit dem Entwurf Baden-Württembergs.
Natürlich ist eine Debatte darüber grundsätzlich sinnvoll, Herr Priggen, durch welche Maßnahmen man den Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmemarkt steigern kann. Mit der Zielsetzung des Gesetzentwurfs haben wir deshalb auch keine Probleme.
NRW liegt beim Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmesektor erst bei rund 6 %, während beim Strom immerhin schon 14 % erreicht worden sind. Deshalb haben wir auch bereits Anfang des Jahres – Herr Priggen spricht immer von „Sammelsurium“ und sagt, er wisse nicht, was das alles solle – eine Reihe von Maßnahmen für NordrheinWestfalen beschlossen: das „NRW Konzept Erneuerbare Energien“ und die Biomassestrategie,
im Rahmen derer wir uns durch Beratungsprogramme, Informationsveranstaltungen usw. für die breite Bevölkerung und für die zu beteiligenden Wirtschaftsorganisationen mit dem Feld erneuerbarer Energien und Ausbau in NordrheinWestfalen befassen.
Ich komme zum eigentlichen Punkt, über den wir heute reden und bei dem wir wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung sind: Wir hatten erstens am Gesetzentwurf Baden-Württembergs eine Menge inhaltlicher Kritik. Aber zweitens ist dieser Entwurf dadurch überholt, dass die Bundesregierung im Oktober einen Entwurf zum ErneuerbareEnergien-Wärme-Gesetz vorgelegt hat.
Als Landesregierung haben wir dazu übrigens schon auf Arbeitsebene heftig Stellung genommen und einige Änderungen am jetzt vorliegenden Gesetzentwurf erreichen können. Dabei ging es zum Beispiel um die Frage, was wir mit dem Gebäudebestand machen wollen. Ich muss Ihnen sagen: Wir sind tatsächlich der Auffassung, dass Sie möglicherweise, wenn Sie den Austausch von Heizungsanlagen immer zwangsweise mit einem Nachweis verbinden wollen, einen bestimmten Anteil erneuerbarer Energien zu berücksichtigen, an einer völlig falschen Stelle im Haus anfangen.
Es kann sein – das habe ich schon einige Male hier vorgetragen –, dass der erste wichtige Schritt – damit kein Unsinn passiert, bieten wir deshalb die Initialberatung an – häufig darin liegt, dass man neue Fenster braucht und die Wände dämmen muss. Dann braucht man möglicherweise eine Heizungsanlage, die nur noch ein Drittel der bisherigen Dimension hat. Diese Schritte tragen doch ebenfalls zu einer erheblichen Reduzierung der Emissionen bei.
Beim Gebäudebestand halten wir nichts vom ordnungsrechtlichen Rahmen. Dabei gehen unsere Auffassungen auseinander. Der Meinung, dass wir im Gebäudebestand das Ordnungsrecht nicht haben wollen, ist übrigens die Bundesregierung gefolgt. In ihrem Vorschlag bezieht sich das Anreizprogramm auf den Gebäudebestand. Wir wollen, dass sich Leute, weil es preiswerter wird, als es ohne die Fördermaßnahme wäre, frühzeitiger für energetische Ertüchtigung und für das Auswechseln der Heizungsanlage entscheiden.
Wir waren darüber hinaus der Auffassung – es kann sein, dass Sie das auch anders sehen –: Wenn man auf welchem Wege auch immer unterhalb der Vorgaben der Energieeinsparverordnung bleibt, ist es auf jeden Fall positiv zu bewerten. Dann braucht man für unsere Begriffe kein Ord
Ich komme zu den jetzt noch bestehenden Regelungsmöglichkeiten. Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet, dass wir, weil der Bund den Umgang mit Neubauten abschließend im Ordnungsrecht regelt, keine Handlungsspielräume mehr haben. Der Bund hat offen gelassen, ob wir auf Landesebene im Bestand noch besondere Regelungen verabreden wollen. Wir werden wahrscheinlich darüber debattieren müssen, ob wir das wollen oder nicht. Dazu habe ich Ihnen unsere Meinung nach jetzigem Stand der Überlegungen vorgetragen.
Außerdem finde ich: Wir machen bei diesen Debatten immer einen Fehler. Es gibt kein Feld der Wirtschaft oder der Versorgung, in dem so viele Veränderungen weltweit, national und auf Landesebene stattfinden. Dann kann man einen Versuch unternehmen, dies alles in eine Zusammenschau zu bringen; das geht aber nicht im Schweinsgalopp. Deshalb werden Sie mir noch zwei Monate den Vorwurf machen können, wir hätten kein Konzept. Aber überlegen Sie bitte, welche Gesetzesinitiativen durch die gestrigen Kabinettsbeschlüsse auf Bundesebene in das Beratungsverfahren von Bundestag und Bundesrat eingehen. Wir sind in all diesen Gesetzesvorhaben bereits im Vorfeld tätig geworden und werden das auch im weiteren Gang der Gesetzgebung tun. Das sind alleine – ich habe den dicken Ordner dabei – 30 unterschiedliche, auch in ihrer Dimensionierung noch abzuwägende Elemente. Da konterkariert das eine das andere.
Noch einmal: Das Gesetz, das Sie hier vorgeschlagen haben, ist überflüssig. Im Ziel stimmen wir überein. Lassen Sie uns die Debatte bitte anhand von Gesetzesvorhaben führen, die bundesweit gelten.
Unsere Beratungsleistungen – noch einmal – sind ziemlich ausgefuchst. Das bestätigen übrigens alle hier im Land. Ich sehe für das Gesetz also keinen Bedarf.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die Debatte geht weiter. Herr Kollege Stinka ist der Nächste, danach Herr Lienenkämper. Bitte erst der Abgeordnete Stinka für die SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Noch zwei Anmerkungen. Einmal zu Herrn Brockes: Herr
Brockes, wenn ich von Ihnen den Satz höre, dass der Einsatz von Kapital nicht optimal gewährleistet sein kann, dann wundert mich das vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Bank in der letzten Woche angekündigt hat, dass sie ihr gesamtes Verwaltungsgebäude sanieren will mit dem Ziel, Energie einzusparen.
Die Deutsche Bank kann nun wirklich nicht die Vorfeldorganisation der SPD genannt werden. Von daher wird es gerade diese Bank wissen, warum sie in diesen Bereich Finanzmittel steckt und investiert.
Das Zweite: Die Allianz-Versicherung hat einen Windpark gekauft, auch vor dem Hintergrund, dass sie a) Geld vernünftig anlegen will und b) deutlich erkennt – und die Münchener Rück mit ihr zusammen –, dass gerade die Klimaauswirkungen massive wirtschaftliche Schäden verursachen. Von daher ist es richtig zu gucken, wo ich Geld einsetze. Das aber so pauschal abzulehnen und zu sagen, die EU sollte nicht der Vorreiter sein, halte ich für falsch.
Wir sind die Nation mit einer der größten Industrieansiedlungen auf der Welt. Wir haben eine Verpflichtung, die auch Sie anerkennen müssen, Herr Brockes, auch wenn das manchmal schwer fällt. Wir haben dadurch mehr Vorteile als Nachteile, wenn man es konzeptionell macht. Genau dieses Konzept ist es, das die SPD-Fraktion häufig einfordert.
Wir wissen sehr wohl, dass wir uns die Einsatzmöglichkeiten von Biomasse, Photovoltaik und Solarthermie genau angucken müssen. Von daher sind Konzepte wichtig und richtig, denn sonst wird Geld verbrannt. Also muss man genau hinschauen; das macht Sinn. Unsere Kritik ist, dass das immer so lange dauert. Dass man genau hinschaut, ist gar keine Frage. Der Markt, Herr Brockes, regelt eben nicht immer alles. Das ist eine klare, eindeutige Ansage.
Frau Thoben, zu Ihrer Aussage, dass man bei Gebäudesanierung eine Gesamtbetrachtung machen muss: Das ist richtig. Es macht wenig Sinn, nur eine neue Heizung einzubauen, und alles andere bleibt schlecht. Nur: Eine Richtschnur ist gerade für den Mittelstand, wichtig. Wir hatten das Gespräch mit Vaillant. Sie müssen wissen, in welche Richtung der Zug bei der Förderung fährt. Sonst werden sie beispielsweise solarthermische
Nein, das sind nicht andere Fragen. Das sind die Fragen, die sie stellen, weil sie im Markt verunsichert sind. Von daher ist die Ansage des Staates ganz klar. Er hat die Pflicht zu sagen, in welche Richtung der Zug geht, wohin wir wollen. Vaillant hat uns das sehr deutlich gesagt. Bei Vaillant besteht auch nicht die Gefahr, dass die Firmengruppe auf der Seite der Sozialdemokraten ist. Das ist ein Unternehmen, das in NordrheinWestfalen ein wichtiger Player ist. Sie müssen wissen, wo es hingeht.
Solarthermie ist eine Chance für dieses Unternehmen genauso wie für Schüco. Wenn ich sage, mit welchen Quoten und in welchen Bereichen ich Altbausanierung betreibe, also ein Gesamtkonzept bei der Altbausanierung habe, dann werden diese Unternehmen auch investieren, und zwar erst dann und nicht vorher. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Jetzt spricht für die CDUFraktion Herr Abgeordneter Lienenkämper.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Einig sind wir uns sicherlich darin, dass der Schutz des Klimas eine der wichtigsten Herausforderungen für die Menschen in diesem Jahrhundert ist. Einig sind wir uns auch, dass erneuerbare Energien in Zukunft dabei einen wichtigen und steigenden Beitrag leisten können und eine zentrale Säule in der Klimaschutzpolitik bilden werden. Das gilt auch für den Wärmesektor, in dem erneuerbare Energien einen wichtigen und wachsenden Beitrag leisten können und müssen.
Vorgetragen wurde umfangreich, was die Bundesregierung am vergangenen Mittwoch vorgelegt hat. Es ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das bereits konkrete Schritte enthält, um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen.
Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen dazu machen, dass Sie uns, Herr Kollege Priggen, immer wieder vorwerfen, die Landesregierung habe eigentlich überhaupt kein eigenes Konzept. Bei genauer Betrachtung ist exakt das Gegenteil der Fall. Die Landesregierung hat bereits im Februar dieses Jahres ein energiepolitisches Konzept vorgelegt. Darin ist das NRW-Konzept „Erneuerbare
Energien“ enthalten. Innerhalb dieses Konzeptes finden Sie einen Zwölf-Punkte-Plan, der bereits klimapolitische Ziele bis zum Jahre 2020 für den Wärmemarkt benennt.
Ich zitiere drei Punkte daraus, damit deutlich wird, wohin die Reise aus Sicht der Landesregierung geht: Erstens. Zielvorgabe für den Neubausektor, Wärmeversorgung: mindestens 20 % Deckung aus erneuerbaren Energien. Zweitens. Zielvorgaben für öffentliche Einrichtungen und Gebäude: Versorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Deckungsbeitrag von mindestens 20 %. Drittens. Zielvorgabe für Gebäudesanierungen: mindestens 20 % der Sanierungen mit Umstellung der Heizung und Warmwasserversorgung auf Systeme mit Nutzung erneuerbarer Energien. – Dieses ließe sich weiter fortführen.
Stattdessen bringen Sie heute einen Gesetzentwurf ein, den Sie, wie Sie selber gesagt haben, aus Baden-Württemberg übernommen haben – und das in einer Situation, in der auf Bundesebene der Gesetzentwurf der Bundesregierung beginnt, das normale parlamentarische Verfahren zu durchlaufen.
Frau Ministerin Thoben hat die bisherigen Stellungnahmen der Landesregierung ausführlich vorgetragen. Dem ist von meiner Seite nichts mehr hinzuzufügen. Wir glauben, dass es richtig ist, eher auf den Anreizweg als auf staatliche Regelungen zu setzen.
Wenn Sie, Herr Kollege Priggen, das Handwerk erwähnen und den Kollegen Knieps dabei zitieren, dann kann ich Ihnen nur sagen: Auf dem Anreizwege wird das Handwerk sehr viel mehr profitieren als auf dem Wege, dass wir staatliche Vorgaben machen.