Protocol of the Session on December 6, 2007

Sie wollen das Geld lieber heute verfrühstücken, statt es zu investieren. Auf diesem Weg können wir Ihnen selbstverständlich nicht folgen.

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2008 – zumal der Einzelplan 06 – zeigt, dass es trotz notwendiger Konsolidierungsmaßnahmen gelingt, konsequent politische Schwerpunkte in Zukunftsfeldern zu setzen. Daran wird deutlich, dass die Koalition nicht von ihrem Ziel abweicht, NordrheinWestfalen bis zum Jahr 2015 zum Innovationsland Nummer eins zu machen. Mit diesem Haushalt sind wir einen großen Schritt weitergekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 14. November 2007 hat Ministerpräsident Rüttgers in seiner Regierungserklärung zielstrebig verkündet:

„Meine Damen und Herren, wir wollen mehr Studierende, nicht weniger. … Wir freuen uns über die steigende Zahl der Studierenden (in den nächsten Jahren).“

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr gut! Ein gu- ter Satz!)

Genau. Wo der Ministerpräsident recht hat, hat er recht. Nordrhein-Westfalen braucht mehr gut ausgebildete junge Menschen. NordrheinWestfalen braucht mehr Hochschulabsolventinnen und -absolventen.

Dies ist in der Tat die zentrale Herausforderung für die Bildungs- und Hochschulpolitik, wenn nicht sogar für die Politik insgesamt in diesem Land. Und da setzen wir unsere Innovationen an, Herr Lindner. Dafür nehmen wir das Geld aus dem Innovationsfonds; denn wir wollen Investitionen in Köpfe, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Und wir haben Glück; denn die Zahl der Studienberechtigten in diesem Land steigt seit Jahren an und wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Es könnte also so einfach sein: mehr Studienbe

rechtigte; mehr Studierende; mehr Absolventinnen und Absolventen. Doch wenn wir uns genau anschauen, was die Landesregierung tut, um sich auf dieser Zielgeraden zu bewegen, erkennen wir, dass diese schöne Seifenblase schon platzt.

Der sogenannte Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder neue Studienplätze schaffen wollen, erweist sich bei näherem Hinsehen als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Hochschulrektorenkonferenz bezeichnet ihn treffend als DumpingPakt. Das Geld reicht nämlich vorne und hinten nicht aus, um die tatsächlich notwendigen Studienplätze in der entsprechenden Qualität zu schaffen.

Deshalb haben wir für den Haushalt 2008 einen entsprechenden Antrag gestellt, den Sie im Ausschuss jedoch abgelehnt haben, Herr Lindner. Darauf werde ich gleich noch genauer eingehen.

Herr Minister Pinkwart, wenn wir uns dann noch Ihre mehr als diffuse Idee von einem nationalen Stipendiensystem vor Augen führen, dann müssen wir sagen, dass viele Ihrer Maßnahmen im Hochschulbereich völlig unausgegoren sind.

(Beifall von GRÜNEN und Karl Schultheis [SPD])

Man könnte auch sagen, dass Sie noch davon träumen; denn zur Frage, wie es gehen soll und woher das Geld kommen soll, schweigen Sie sich aus oder verweisen auf andere – auf private Sponsoren, auf Spender oder Stifter.

Deshalb haben wir Ihnen vorgeschlagen, 2008 ein konkretes Konzept für einen Studienfonds in Nordrhein-Westfalen zu entwickeln. Dieser Fonds soll ab dem Jahr 2009 Studienberechtigten die Angst vor den finanziellen Belastungen eines Studiums nehmen und sie zur Aufnahme eines Studiums bewegen. Aber auch das haben Ihre Regierungsfraktionen leider abgelehnt.

Dass Sie, lieber Herr Pinkwart, sehr freigiebig sind, wenn es darum geht, das Geld anderer Leute zu verteilen, wissen wir schon länger. Welche Verbesserungen auch immer Sie den Hochschulen versprechen – bezahlen sollen es die Studierenden aus ihren eigenen Taschen.

(Beifall von GRÜNEN und Karl Schultheis [SPD])

Schlimmer noch: Die derzeitige Verwendung der Studiengebühren macht deutlich, dass nichts bei den Studierenden ankommt. Das Geld versickert förmlich im System. Herr Pinkwart, Ihre Studiengebühren sind Betrug an den Studierenden.

(Zurufe von der CDU: Unsinn! – Blödsinn!)

Betrug ist das! Tische und Stühle oder geknackte Schließfächer am Juridicum in Bonn, wie wir gerade in der Bonner Uni-Zeitung lesen mussten: Sind das nicht alles Maßnahmen, die aus der Grundfinanzierung der Hochschulen bezahlt werden müssen? Diese Frage möchte ich Ihnen hier gerne stellen, Herr Pinkwart.

Mit den Studiengebühren zeichnet sich darüber hinaus eine fatale Entwicklung in NordrheinWestfalen ab; denn im Ergebnis ist das die schleichende Privatisierung der Hochschulausbildung.

(Beifall von GRÜNEN und Karl Schultheis [SPD])

Zudem haben die Studiengebühren offensichtlich – auch wenn Sie es nicht gerne hören – potenzielle Studierende abgeschreckt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Zahlen, die Sie vor einigen Wochen verkündet haben, Herr Pinkwart, waren ja doch nicht so gut. Zieht man die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger von der Zahl der Studienberechtigten ab, ergibt sich ein ernüchterndes Bild. 2005, also vor Einführung der Studiengebühren, waren es noch 36.000 junge Menschen, die kein Studium aufgenommen haben, obwohl sie formal das Recht dazu gehabt hätten. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Trotz aller guten Gründe, die es in jedem Einzelfall dafür gegeben haben mag, waren auch das schon 36.000 Nichtstudierende zu viel. – 2006, nach Einführung der Studiengebühren, ist diese Zahl schlagartig auf 46.000 hochgeschnellt.

Und heute? Ja, es ist richtig, dass die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger wieder leicht angestiegen ist. Aber auch die Zahl der Studienberechtigten ist angestiegen, sodass im Saldo immer noch 45.000 junge Menschen nicht studieren, obwohl sie es könnten – 45.000, von denen viele nicht den Mut haben, zu studieren, weil sie nicht wissen, wie sie die finanziellen Belastungen für den Lebensunterhalt und auch für die Studiengebühren aufbringen sollen;

(Bodo Löttgen [CDU]: So ein Quatsch!)

45.000 junge Menschen, die uns in wenigen Jahren mit ihren Qualifikationen als Lehrerinnen und Lehrer, als Ingenieurinnen und Ingenieure und in vielen anderen Bereichen fehlen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es besteht also wahrlich kein Anlass, sich zurückzulehnen, Herr Pinkwart, und darauf zu hoffen,

dass andere es schon richten werden. Mit diesem Haushalt hätten Sie handeln können. Hierzu haben wir Ihnen Vorschläge gemacht, Vorschläge, die im Übrigen solide gegenfinanziert sind, um diesem Vorwurf gleich zuvorzukommen.

Um 32 Millionen € hätte dieser Landtag Ihren Entwurf für den Hochschulpakt 2020 aufstocken können, wenn die anderen Fraktionen unserem Antrag gefolgt wären – 32 Millionen €, mit denen dann nicht nur knapp 4.200, sondern mehr als 7.000 € für jeden der neu zu schaffenden Studienplätze zur Verfügung gestanden hätten. Aber leider, Herr Minister Pinkwart, haben Ihre Fraktionen Sie hier im Stich gelassen und unseren Antrag abgelehnt.

(Beifall von den GRÜNEN – Manfred Kuhmi- chel [CDU]: Oh!)

Das Gleiche gilt für die Stipendien. Hier betreiben Sie nichts anderes als reine Symbolpolitik. Stattdessen hätten Sie schon im Haushalt Nägel mit Köpfen machen können. Sie hätten bereits zusätzliche Mittel einstellen können. 1 Million € wollte unsere Fraktion Ihnen für den Haushalt 2008 für ein Konzept zur Verfügung stellen. Mit diesem Geld hätte man schon jetzt ein zukunftsweisendes Stipendiensystem entwickeln können. Aber auch diesem Vorschlag sind die anderen Fraktionen nicht gefolgt.

Bei unserem dritten Haushaltsantrag – Herr Lindner hat ihn bereits erwähnt – ging es um die Frauenförderung an unseren Hochschulen. Im letzten Jahr haben Sie erst einmal 3,4 Millionen € für die Frauenförderung gekürzt. Das ist die traurige Wahrheit. Kompensiert werden sollte dies durch einen neuen Verteilungsschlüssel bei den Mitteln des Innovationsfonds, der heute Strukturfonds heißt. Das hat sogar – das will ich gerne zugeben, liebe Kolleginnen und Kollegen – zum Teil funktioniert, und zwar bei all den Maßnahmen, bei denen es um die Erhöhung des Frauenanteils bei den Professuren ging. Bei allen anderen Maßnahmen aus dem Bereich der Frauenförderung klafft aber nach wie vor eine große Lücke. Diese Lücke wollten wir mit 2 Millionen € in 2008 schließen. Auch diesen Antrag haben die Regierungsfraktionen abgelehnt.

Deshalb bleibt mir nur noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Es hätte auch in diesen Haushaltsberatungen die Chance auf substantielle Verbesserungen im Hochschulbereich gegeben. Leider, Herr Pinkwart, haben die Kollegen von Schwarz-Gelb das mit ihrem Nein zu unseren Anträgen verhindert.

Umso bedauerlicher ist es, dass die Regierungsfraktionen ihrerseits keine Änderungsvorschläge eingebracht haben. Angesichts der offensichtlichen Probleme ist das mehr als ein Armutszeugnis, und zwar nicht nur im finanzpolitischen Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Studierenden und die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen hätten mehr und Besseres verdient. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich im Jahre 2005 nach Regierungsübernahme ein ebenso klares wie ehrgeiziges Ziel gesetzt: Wir wollen, dass wir bis zum Jahre 2015 nicht nur das mit Abstand bevölkerungsreichste Bundesland bleiben, sondern dann auch das Innovationsland Nummer eins sind, das Land mit den meisten Patenten, mit den meisten in Forschung und Entwicklung Beschäftigten. Die Herausforderungen, die sich damit für uns stellen, sind keineswegs klein, denn die Ausgangslage war alles andere als positiv.

Wir müssen immer mehr junge Menschen auf immer höherem Niveau für das Leben und Arbeiten in der globalen Wissensgesellschaft ausbilden. Es wird immer wichtiger, dass die Natur- und Technikwissenschaften intensiven Wissenstransfer betreiben, damit aus Erkenntnisvorsprung marktreife Innovation und Vorsprung der Unternehmen im internationalen Wettbewerb werden. Die Gesellschaft ist immer mehr darauf angewiesen, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften auf möglichst hohem Niveau helfen, Lösungen für das Zusammenleben in einer Zeit rapiden und globalen Wandels zu entwickeln. Wir müssen also in die Köpfe investieren, um die Basis für den Innovationsvorsprung von morgen zu schaffen, und wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich diese kreativen Köpfe entfalten können.

Die wesentliche Voraussetzung, damit all das geschehen kann, ist nicht zuletzt die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates. Hier, liebe Frau Seidl, muss man doch den Unterschied zwischen dem, was Sie mit Ihren Vorgängerregierungen in Nordrhein-Westfalen geleistet haben, und dem,

was die neue Landesregierung leistet, kennzeichnen. Denn auf der Grundlage von verfassungswidrigen Haushalten können Sie nicht nachhaltig in die Zukunft bester Köpfe investieren, sondern das können Sie nur, wenn Sie den Haushalt in Ordnung bringen. Die große Leistung dieser Regierung ist, dass sie endlich mit der Hyperverschuldung in Nordrhein-Westfalen Schluss gemacht hat

(Beifall von CDU und FDP)

und gleichzeitig durch konsequentes Reformieren die Voraussetzungen dafür schafft, dass investiert werden kann, und zwar in die Bereiche des Einzelplans 06 und in die Bildung.

Für den Einzelplan heißt das im Einzelnen: Wir werden die finanzielle Basis der Hochschulen nicht nur entsprechend der im Zukunftspakt vereinbarten Garantien fortschreiben, sondern auch im Rahmen des Hochschulpakts 2020 sowie mit weiteren Anstrengungen ausbauen. Wir möchten die Mittel für den Bereich der Innovationsförderung erneut deutlich steigern und den Wettbewerb um Exzellenz in der Forschung weiter intensivieren.