Was wir überhaupt noch nicht wissen, geschweige denn wirtschaftlich beziffern können, sind die Folgeschäden. Wir beobachten bei den Tieren, die die Krankheit überleben, deutliche Leistungseinbußen: weniger Milch, geringere Tageszunahmen, vorzeitiges Absetzen der noch nicht lebensfähigen Kälber und Lämmer, erhebliche Probleme bei der Fruchtbarkeit.
Dazu kommen noch die ganz aktuellen Verluste. Allein in diesem Jahr werden die Mitglieder der größten Rindviehzuchtorganisation unseres Landes, der Rinder-Union West, Erlöse von ca. 5 Millionen € verlieren.
Die einzige nachhaltige Lösung ist die Impfung. Aus der Industrie kommen ermutigende Signale dahin gehend, dass im kommenden Frühjahr ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung stehen wird, sofern alles gut geht. Dabei war es übrigens ganz wichtig, dass von Minister Uhlenberg von Anfang an eindeutige Absichtserklärungen pro Impfung kamen. Die Arzneimittelhersteller haben dies zu Recht als Hinweis darauf aufgefasst, dass ihre Entwicklungsaufwendungen nicht vergebens sein würden.
Mit unserem Antrag geben wir das eindeutige Signal an die Regierung, alle organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Nordrhein-Westfalen die benötigten 5 Millionen Dosen Impfstoff im kommenden Jahr rechtzeitig zur Verfügung stehen und eine flächendeckende Impfung möglich sein wird.
Ganz wichtig war und ist, dass es gelungen ist, die zunächst zögerliche Haltung des Bundes und der EU zur Zulassung von Impfungen aufzuweichen. Wir bedanken uns nicht nur beim Minister, sondern auch bei den Landwirtschaftsverbänden, bei den Tierzuchtverbänden, bei den Veterinären
Herr Deppe, Sie haben gerade ausgeführt, dass der Impfstoff nur noch bereitgestellt werden muss. Können Sie uns auch erklären, welche rechtlichen Vorschriften auf Bundes- und EU-Ebene erfüllt werden müssen, damit die Zulassung des Impfstoffes im Frühjahr sichergestellt ist?
Wir müssen auf Bundes- und EU-Ebene vor allem klären, ob es eine Pflichtimpfung geben wird, die zwar von der veterinärmedizinischen Seite her sicherlich die richtige Lösung wäre, allerdings eine Menge Geld kosten würde. Denn eine Pflichtimpfung muss aus öffentlichen Kassen bezahlt werden. Der Minister befindet sich im Moment in Diskussionen darüber, und wir sind optimistisch, dass es wohl klappen wird.
Wir bedanken uns bei dem Minister – das hatte ich eben erwähnt – und bei allen, die sich beteiligt haben. Insofern gehen wir davon aus, dass auch im kommenden Jahr geimpft werden kann.
Diese Impfpolitik reicht übrigens weit über die Blauzungenkrankheit hinaus. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg der Tierseuchenbekämpfung, die wir Schritt für Schritt verändern. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch aus der ethischen Verantwortung heraus, die die Tiere als Geschöpf Gottes anerkennt, setzen wir uns für den Vorrang von Impfungen vor Tötungen ein. Von daher hat die Überschrift unseres Antrags „Impfen statt Töten“ eine programmatische Bedeutung, die über die Bekämpfung der Blauzungenkrankheit hinausgeht. – Ich bedanke mich bei Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Deppe hat eben schon darauf hingewiesen: Für Tierhaltende gibt es kaum etwas Schlimmeres als den Fall, dass ihr Betrieb von einem Seuchenzug heimgesucht wird; sei es nun Schweinepest, die Vogelgrippe, Maul- und Klauenseuche oder – wie in diesem Fall – die Blauzungenkrankheit. Das ist nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ethischen Gründen eine Katastrophe für die Betroffenen. Auch darauf hat der Kollege Deppe eben hingewiesen, und das kann man nur unterstreichen.
Die Blauzungenkrankheit, über die wir heute hier reden, hat zum Glück weniger verheerende Auswirkungen als andere Seuchen. Sie tritt jedoch inzwischen leider in immer mehr europäischen Ländern auf. Deswegen müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir hier ein gemeinsames, auf Europa bezogenes Vorgehen gestalten können.
Diesbezüglich sind noch viel Fragen zu klären. Insbesondere der Infektionsweg über Gnitzen ist für die Entwicklung einer Bekämpfungsstrategie ausgesprochen problematisch. Leider haben wir kein Patentrezept, aber der Weg „Impfen statt Töten“ ist – wie ich finde – der richtige Weg. Wenn wir diesen hier weiter beschreiten, ist das in Ordnung.
Aspekte wie Handelsrestriktionen und Markerimpfstoffe werden wir in die Diskussion einbinden müssen. Wir befinden uns auf einem guten Weg. Der Kollege Deppe hat all diese Punkte sehr zielgerichtet und umfassend dargestellt. Auch für die Initiative zu diesem Antrag und die darüber geführten Diskussionen möchte ich mich, Herr Kollege Deppe, herzlich bedanken. Das ist ein guter Antrag, und wir werden ihn sicherlich konstruktiv beraten können. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Brisanz der gesamten Thematik macht es dringend erforderlich, dass wir uns umgehend ziel- und sachorientiert mit ihr auseinandersetzen. Denn alleine in der zweiten Jahreshälfte 2007 liegen nun laut der letzten Erhebung 9.011 bestätigte Fälle in Nordrhein-Westfalen vor.
Der Verlauf der Ausschusssitzung zum Stand der Bekämpfung der Blauzungenkrankheit vom 7. dieses Monats, der vorliegende Antrag und die
heutigen Debattenbeiträge der beiden Kollegen haben deutlich gemacht, dass die Einschätzung des Gefahrenpotenzials dieser für Schafe, Ziegen und Rinder gefährlichen, oft tödlich verlaufenden Krankheit endlich fraktionsübergreifend weitgehend gleichlautend erfolgt.
Hingegen sehen wir noch große Unterschiede zu den beiden regierungstragenden Fraktionen, insbesondere aber noch auf dem Gebiet der Beurteilung von möglichen Gegenmaßnahmen. In Anbetracht der heute zur Verfügung stehenden Zeit kann ich nur holzschnittartig darauf eingehen.
Reizthemen: Klimawandel und Tiertransporte. – Durch Mücken, Zecken und Nagetiere aus anderen Regionen können weitere gefährliche Krankheiten nach Nordrhein-Westfalen gelangen. Wenn solche Verschleppungen hier auf passende klimatische Bedingungen treffen, steigt das Ausbreitungsrisiko von Erregern immens.
Damit das Gefahrenpotenzial auch in Zukunft kalkulierbar bleibt, wären flächendeckende Überwachungsprogramme von Mücken, Zecken und anderen Insekten hilfreich, wie sie in einzelnen europäischen Ländern bereits Standard sind.
Bei der Blauzungenkrankheit hatten wir Glück im Unglück, weil Menschen gesundheitlich nicht davon betroffen waren. Wir dürfen aber nicht verdrängen, dass die ursprünglich im Mittelmeer beheimatete Leishmaniose nachweislich bei einem Kind auftrat. Da auch Hunde daran erkranken, ist der weiteren Verbreitung auf den Menschen weiterhin Tür und Tor geöffnet.
Hochsensibler Punkt: Impfungen. – Ob die Blauzungenkrankheit wirksam mittels eines Impfstoffes zu bezwingen ist, bleibt bislang offen. Es ist aus tiermedizinischer Sicht zurzeit unklar – das hat Herr Kollege Deppe gerade bestätigt –, ob sowohl rechtzeitig als auch im ausreichenden Umfang bis zum Frühjahr 2008 ein geeignetes Präparat für die Betroffenen vorliegt.
Große Fragezeichen auch in rechtlicher Hinsicht! Es ist nicht zweifelsfrei gesichert, ob vor dem Hintergrund geltenden EU-Rechts und europäischer Gemeinschaftspraxis eine solche Impfung überhaupt möglich ist, geschweige denn eine Kofinanzierung in Aussicht steht.
Reicht es aus, Zuchtverbände und Erzeugergemeinschaften einzubeziehen? Verdient das Jagdwesen in unserem Land mit Hege und Pflege wegen des möglichen Befalls von Wildwiederkäuern nicht ebenso unsere Aufmerksamkeit? Also: Bei der Tiergesundheit, bei dem Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten und bei der Logistik für eine
wirksame Bekämpfung besteht im weiteren Prozess der Zielfindung noch ein erheblicher Klärungsbedarf.
Bei einem Punkt springen Sie mit Ihrem Antrag deutlich zu kurz: Es erschließt sich für uns nicht, warum die Landesregierung lediglich gebeten werden soll, Maßnahmen zu ergreifen und diese durchzuführen. Diesen Bückling machen wir ganz sicher nicht mit. Denn es ist das gute Recht einer jeden Volksvertretung, dass die jeweilige Regierung dazu aufgefordert wird. Auch wenn Sie aus nachvollziehbaren Motiven Ihre Landesregierung stützen, braucht hier niemand gleich im vorauseilenden Gehorsam freiwillig mit Samtpantoffeln daherkommen und dem zuständigen Minister weiße Salbe verabreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, eines müsste Ihnen doch jetzt auch dämmern: Wo die Blauzungenkrankheit grassiert, reicht es nicht, von jedem Maulwurfshügel aus Ihre Heilslehre von „Privat vor Staat“ zu verkünden und dabei naiv zu hoffen, der Markt würde das schon regeln. Zur wirksamen Bekämpfung eines Super-GAU bei Tierseuchen bedarf es eines Partners, nämlich des Staates.
In diesem Sinne werden wir uns im Interesse von Züchtern, Erzeugern, Jägern, Verbrauchern und nicht zuletzt der Tiere selbst weiter in die anstehenden notwendigen landespolitischen Entscheidungsprozesse einbringen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt so manche Anträge – ich kenne das aus eigenem Erleben als Regierungsabgeordneter –, die schreibt man auf, weil man noch etwas konfirmieren will, aber eigentlich ist das, was da aufgeschrieben worden ist, eine Selbstverständlichkeit: dass nämlich die Blauzungenkrankheit von der Landesregierung auch bekämpft wird.
Insofern kann man an der Stelle nur sagen: Machen, tun und vielleicht auch dafür sorgen – das an dieser Stelle als Hinweis –, dass die einzelnen Untergliederungen der Ministerien und der Behörden diese Linie dann auch vertreten. Wir haben im Ausschuss schon darauf hingewiesen, dass in
verschiedenen Veranstaltungen die Linie „Impfen statt Töten“ noch ganz anders gesehen wurde. Wir sind uns in dieser Frage grundsätzlich auch aufgrund der Diskussionen in der letzten Legislatur und anderen Zusammenhängen einig. Aus den verschiedensten Gründen ist die Strategie „Impfen statt Töten“ richtig.
Etwas irritiert bin ich allerdings bei der Formulierung des Beschlussvorschlages, wo geschrieben steht, dass es noch einer umfangreichen Abstimmung mit der Bundes- und EU-Ebene bedarf. Ist das der Pferdefuß? Wollen Sie nur die Impfstrategie eingehen, wenn es diese Orientierung quer durch Europa und die nationale Ebene gibt? Oder geht Nordrhein-Westfalen wie in anderen Fällen andere Länder ein Stück voran? Das wird aus dem Antrag nicht deutlich. Ich bin davon überzeugt, dass die betroffenen Schafhalterinnen und Schafhalter mächtig Druck machen, und das zu Recht. Deshalb ist es notwendig, so schnell wie möglich zu der Impfmöglichkeit zu kommen. Insofern gilt hier schnelle Beratung, schnelles Aufden-Weg-Bringen und Druckmachen an der Stelle. Das kann ich nur unterstützen. Wir werden uns im Ausschuss noch darüber unterhalten. Insofern stimme ich auch der Überweisung zu.
Letzte Bemerkung: In dem Antrag wird nicht erwähnt – darauf hat Herr Unruhe schon hingewiesen –, dass wir aufgrund des Klimawandels zukünftig noch mit ganz anderen Fragestellungen konfrontiert sein werden. Wir müssen da unser Beobachtungssystem ausbauen, um frühzeitig eingreifen zu können.
Bereits im letzten Jahr hat es eine Diskussion über die Infektion Blauzungenkrankheit gegeben. Man hat gehofft, noch einmal glimpflich davonzukommen. Aber das ist nicht eingetreten, sondern die Krankheit hat sich ausgebreitet. Solche Fälle werden sich wiederholen. Deshalb muss man ein Frühwarnsystem entwickeln, das nicht nur auf Tiere und Insekten bezogen ist, sondern auch auf Pflanzen, Stichwort Ambrosia als das bekanntere Beispiel in diesem Zusammenhang.
Wenn das in dem Antrag noch ergänzt werden könnte, könnte ich mir vorstellen, dass wir vielleicht zu einem gemeinsamen Antrag kommen. – Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Remmel. – Jetzt spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Müller-Piepenkötter in Vertretung von Frau Thoben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Spätsommer letzten Jahres müssen wir uns intensiv mit der Blauzungenkrankheit auseinandersetzen. Bis dahin galt diese Tierseuche in Mitteleuropa als exotisch. Der Klimawandel trägt aber auch in diesem Bereich dazu bei, dass wir uns in Zukunft auf neue Herausforderungen und Krankheitsbilder einstellen müssen.
Von daher begrüße ich den Antrag der Koalitionsfraktionen. Er rückt in den politischen Fokus, vor welchen Aufgaben wir stehen. Es geht um wirksamen Tierschutz. Es geht um veterinärmedizinische Innovationen. Es geht vor allem um Hilfen und Perspektiven für die betroffenen Schafhalter. Der Umweltminister weiß aus eigener Anschauung, wie schwer die Lage für diese ist.