Protocol of the Session on November 16, 2007

Danke schön, Herr Lienenkämper. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Bereits am 24. Oktober, also vor drei Wochen, haben wir im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die Strompreise diskutiert. Der Titel damals – ich will das noch einmal in Erinnerung rufen –: „Ungerechtfertigte Strompreiserhöhungen der Energiekonzerne – Was tut die Landesregierung?“.

Was tut die Landesregierung? war damals die Frage. Die zentralen Fragen an das Handeln einer

Regierung sind, welche Lösungskonzepte die Landesregierung anzubieten hat und welchen Nutzen Verbraucher und Wirtschaft von diesen Konzepten haben.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Frau Ministerin, der Befund nach der ersten Hälfte Ihrer Regierungszeit ist vernichtend. Die erste Hälfte Ihrer Regierungszeit besteht energiepolitisch und klimapolitisch aus verlorenen Jahren. Sie agieren immer noch mit reiner Verhinderungspolitik und sagen den Menschen, wogegen Sie sind.

Ich will einmal einige Beispiele nennen: erstens Ihre Verhinderungspolitik gegen die Windenergie. Ihr Windenergieerlass behindert sogar den Austausch veralteter Windräder. Dadurch fällt Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich immer weiter zurück. Investoren werden aus unserem Land vertrieben. Der Anteil von Nordrhein-Westfalen am Neubau von Windrädern in Deutschland ist von 2004 bis 2006 bereits von 11,3 auf 7,5 % eingebrochen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Beispiel 2: Ihre Politik gegen die Steinkohle. Sie wollten den Ausstieg ohne Konzept für die Regionen. Wir als SPD konnten Schlimmeres verhindern. Sie lassen die Regionen, Frau Ministerin, im Stich. Das ist besonders dort dramatisch, wo Ihre Regierung, Frau Thoben, auch andere Strukturbrüche nicht verhindern kann wie in Kamp-Lintfort. Sie haben bis heute noch keine Antwort auf den drohenden Verlust von fast 3.000 Ausbildungsplätzen im Bergbau. Auch das gehört zur Bilanz.

(Beifall von der SPD)

Sie machen Politik gegen den Klimaschutz. Sie verweigern nach wie vor einen Sonderausschuss Klimawandel im Landtag. Es gibt immer noch kein Klimaschutzkonzept dieser Landesregierung.

Im Bundesrat, Frau Ministerin, versuchen Sie erfolglos Sonderregelungen für die Braunkohle durchzusetzen und dafür anderen Marktteilnehmern dringend benötigte Zertifikate zu entziehen. Das ist nicht nur klimaschädlich, sondern auch wettbewerbsfeindlich. Das ist Ihre Politik.

Sie machen durch Verschärfung der Gemeindeordnung Politik gegen die Stadtwerke – wir haben das wiederholt hier diskutiert –, obwohl gerade die Stadtwerke für mehr Wettbewerb bei der Stromerzeugung dringend benötigt werden.

Ich will noch ein Beispiel nennen: Ihr chaotisches Regierungshandeln behindert die Nutzung der Erdwärme. Die Vervielfachung der Genehmi

gungsgebühren wie für Wärmepumpenanlagen durch Erlass des Umweltministers vom 30. März 2007 und die hilflosen Versuche, dies im Landeswassergesetz zu reparieren, werden uns im Landtag noch weiter beschäftigen.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, soweit zur Ausgangslage. Die Debatte um die Strompreiserhöhung ist ansonsten heute die gleiche wie vor drei Wochen.

Aus der Debatte vor drei Wochen waren mir allerdings keine Konzepte der zuständigen Energie- und Wirtschaftsministerin in Erinnerung geblieben. Ich habe mir deshalb noch einmal das Plenarprotokoll vom 24. Oktober angesehen. Ich habe im Redebeitrag von Frau Thoben genau fünf Aussagen gefunden, die ich einmal kurz beleuchten möchte.

Erstens. Frau Thoben, Sie wollten mich damals zur Eröffnung des GuD-Kraftwerks nach Hamm einladen, damit ich dort mit Stadtwerkern reden könne. Dazu zwei Anmerkungen. Zum einen: Die Voraussetzungen dafür, dass in Hamm ein GuDKraftwerk gebaut werden konnte, sind von der Vorgängerregierung geschaffen worden.

(Beifall von der SPD)

Der Baubeginn und Baubeschluss war bereits im Mai 2005 vorhanden.

Zum anderen: Mit Stadtwerkern rede ich sehr häufig, mit Betriebsräten und mit Geschäftsführungen. Aussagen, wie sehr die Landesregierung den Stadtwerken hilft, habe ich bisher in keinem einzigen Gespräch gehört; im Übrigen auch nicht bei der Demonstration von 10.000 Kraftwerkern hier in Düsseldorf. Dem Hinweis auf Hamm und die Stadtwerke ist also kein konzeptioneller Beitrag der Wirtschaftsministerin zu entnehmen.

Zweitens. Sie haben, Herr Lienenkämper, wieder einmal Ihre begrenzten Möglichkeiten bei der Strompreisaufsicht dargestellt. Die Landeszuständigkeit betrifft nur die kleinen Versorger, fast ausschließlich Stadtwerke. Nur diese können Sie auf Landesebene erreichen. Diese sind aber bei ihrer Preisgestaltung abhängig von Vorlieferanten. Dem Hinweis auf die begrenzten Möglichkeiten des Landes ist also ebenfalls kein Konzept der Wirtschaftsministerin zu entnehmen.

Drittens. Sie weisen auf die Subventionen für Fotovoltaik hin. Hierzu ist in der Sache klar, dass die vergleichsweise geringen Steigerungen der Einspeisevergütungen mit den Strompreiserhöhungen der Oligopole überhaupt nichts zu tun haben. Der Hinweis auf die Fotovoltaik lenkt von den wahren Problemen ab. Er taugt nicht, Frau Tho

ben, um von Ihrer Konzeptionslosigkeit abzulenken.

Viertens. Sie stellten am 24. Oktober dar, dass nachwachsende Rohstoffe wie Raps und Mais nicht wirklich zur Problemlösung beitrügen. Der Hinweis auf die Grenzen der Biomassenutzung ist ebenfalls kein Konzept gegen steigende Strompreise.

Fünftens. Sie rühmen sich Ihrer Informationskampagnen für Handwerker. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Die Landesregierung behindert den Ausbau der Geothermie durch abenteuerliche Gebührenerhöhungen – Sie wissen das – und will jetzt offensichtlich die Handwerker noch dafür verantwortlich machen, als Sachverständige in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren aufzutreten.

(Dietmar Brockes [FDP]: Blödsinn!)

Gleichzeitig werden die Haushaltsmittel für die Effizienzberatung, die Energieagentur und die erneuerbaren Energien zusammengestrichen. Das alles, Frau Ministerin, schadet den kleinen Betrieben, schadet den Handwerkern. Also, Strich drunter – wieder kein sinnvoller Beitrag der Landesregierung!

(Beifall von Wolfram Kuschke [SPD] – Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Mein Fazit lautet: Die Rede der Wirtschaftsministerin – Sie können das gleich korrigieren – am 24. Oktober enthielt keinen einzigen Hinweis dazu, was diese Landesregierung konkret zu tun gedenkt, um gegen den Strompreiswucher vorzugehen. Mein Kollege Uwe Leuchtenberg wird gleich auf die Bedeutung dieser energiepolitischen Konzeptionslosigkeit für den Strommarkt eingehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Römer. – Für die FDP spricht nun Kollege Brockes.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich die Begründung der Grünen für die heutige Aktuelle Stunde gesehen habe und auch gerade die Ausführungen vom Kollegen Römer zur Kenntnis nehmen durfte, fiel mir ein Satz von Herrn Thomas Wels ein, den ich am Dienstag in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen durfte. Ich zitiere:

„Wenn die Politik so allmählich beginnen würde, weniger populistisch mit dem Thema Strom

umzugehen, wäre auch schon etwas gewonnen.“

Meine Damen und Herren, vor drei Wochen haben die Grünen in einer Aktuellen Stunde des Landtags die Landesregierung aufgefordert, gegen ungerechtfertigte Strompreiserhöhungen vorzugehen. Ich habe bereits damals diesen Antrag hier im Plenum als blanken Populismus bezeichnet und eine Versachlichung der Debatte angemahnt. Gleichwohl wiederhole ich das hier gerne.

Herr Kollege Priggen, wer wie die Grünen in der Vergangenheit in erster Linie durch die Einführung immer neuer Steuern und Abgaben auf Energie aufgefallen ist, der sollte sich beim Thema Preistreiberei besser vornehm zurückhalten.

Auch der heutige Antrag ist durch und durch populistisch, zeugt er doch von Realitätsverlust und reißt bewusst Aussagen aus dem Zusammenhang. So wird in dem Antrag behauptet, die Landesregierung drangsaliere die Stadtwerke. Herr Priggen, wenn ich „Drangsalieren der Stadtwerke“ höre, muss ich unweigerlich an den erbitterten Widerstand der Grünen gegen das von Trianel und 26 Stadtkraftwerken geplante Kohlekraftwerk in Krefeld denken.

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Nicht die novellierte Gemeindeordnung schränkt die Entwicklungsperspektiven der Stadtwerke ein – wir haben vor kurzem noch trotz neuer Gemeindeordnung ein Kraftwerk in Hamm eröffnet –, sondern der ideologische Kampf der Grünen gegen das Kraftwerkserneuerungsprogramm in NordrheinWestfalen, der jegliche Perspektive auf mehr Wettbewerb im Strommarkt schon im Ansatz erstickt, ist das eigentliche Problem.

Meine Damen und Herren, die FDP-Landtagsfraktion wird auch zukünftig die Stadtwerke bei der Realisierung gemeinsamer Kraftwerksprojekte unterstützen.

(Zuruf von Wolfram Kuschke [SPD])

Um die Gefahr von Fehlinvestitionen zu begrenzen, sollten wir es den Unternehmen überlassen, wie sie ihren Kraftwerk-Mix gestalten und auf welche Technologien sie zukünftig setzen.

Des Weiteren wird in dem Antrag behauptet, die Stadtwerke würden jetzt verstärkt von den großen Stromversorgern gekauft.

(Uwe Leuchtenberg [SPD]: Hört, hört!)

Auch dies ist blanker Unsinn, meine Damen und Herren. Denn nachdem sich Rot-Grün im Bund über das Veto des Bundeskartellamtes bei der

Übernahme der Ruhrgas AG durch E.ON hinweggesetzt hatte – also Ihre Bundesregierung, Herr Priggen –, überzog das Kartellamt die großen Stromversorger mit einem Bann. Aus Sorge um eine irreparable Konzentration von Marktmacht wurden E.ON und RWE seitdem jegliche Beteiligung an konkurrierenden Energieversorgern in Deutschland untersagt.

(Uwe Leuchtenberg [SPD]: Letzte Woche in Krefeld!)

Ende Oktober hat das Bundeskartellamt einem der beiden Konzerne zum ersten Mal, Herr Kollege Leuchtenberg, wieder eine Genehmigung für eine substanzielle Beteiligung erteilt. RWE darf sich allerdings nur dann, Herr Kollege Leuchtenberg, mit knapp 25 % an der geplanten Fusion der Stadtwerke Krefeld und Neuss beteiligen, wenn es sich gleichzeitig von einer Beteiligung an den Stadtwerken Wuppertal trennt.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Ja!)

Das Bundeskartellamt hat unmissverständlich klargemacht, dass die Freigabe in Krefeld und Neuss keinesfalls eine Abkehr von seiner restriktiven Haltung bedeutet.

Die einzige Übernahme, die in jüngster Zeit in die Kategorie „Groß schluckt Klein“ fällt, ist der Einstieg von der Gaz de France bei den Stadtwerken in Leipzig. Nun, Frau Thoben, wir wissen ja, dass Leipzig nicht in Nordrhein-Westfalen liegt, aber ich möchte nicht ausschließen, dass Kollege Priggen auch hierzu die Landesregierung auffordern wird, davon abzusehen.