So, nachdem jetzt der Bundesparteitag der SPD war – Herr Wißen hat es ausgeführt –, sagt Herr Lorth nun, das sei der letzte Sargnagel für den Börsengang. Was haben Sie denn gemacht, Herr Lorth, als Herr Wittke das im Ausschuss vorgetragen hat? – Hätten Sie es da gesagt, wären Sie glaubwürdig gewesen. Das haben Sie aber nicht gemacht – Schweigen im Walde –, Herr Rasche auch nicht. Davon habe ich nichts gehört.
Jetzt bedankt sich Herr Wittke hier bei den drei Fraktionen – weil Sie die Grünen auch im Boot haben – für deren konstruktive Arbeit. Die konstruktive Arbeit ist doch offensichtlich durch den Bundesparteitag der SPD geleistet worden, der genau das umgesetzt hat, was Sie gefordert haben. – Jetzt erzählen Sie, das wäre eine Volksverdummung. Ich sage Ihnen, die Volksverdummung liegt eindeutig auf Ihrer Seite.
Der zweite Aspekt ist die Schnelligkeit. Das ist entlarvend, was heute passiert. Sie haben plötzlich einen Antrag gestellt. Im Ausschuss – auch da hätte ich ein Zitat – haben Sie uns noch erklärt, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehe. Seit 1989 sei das das wichtigste Projekt in Deutschland mit den bedeutsamsten Konsequenzen. Plötzlich – aus der Hüfte geschossen – stellen Sie einen Antrag. Vorgestern wollten Sie noch direkt abstimmen. Ich habe mir das gerade noch einmal angesehen: zweite Änderung der Tagesordnung:
Sie haben also kalte Füße gekriegt, weil es überhaupt keine Notwendigkeit gibt, diesen Antrag heute zu verabschieden. Im Gegenteil, Sie würden sich in der bundesweiten Diskussion als Außenseiter gerieren, wenn Sie heute diesen Antrag verabschieden würden. Das haben Sie erkannt, wenn auch ziemlich spät.
Ich kann Ihnen nur sagen – das mit dem Ausschuss ist doch der Versuch, sich selber rauszumogeln –: Ziehen Sie den Antrag zurück, dann haben Sie was Gescheites getan! Herr Wittke, hören Sie auf, die Leute vorzuführen!
Die Leute merken das, und wir als Fachleute merken das auch. Einen solchen Blödsinn kann man hier doch gar nicht ernsthaft vortragen. Es ist völlig unglaublich, was Sie hier machen. Sie können doch die Leute nicht vorführen. Kehren Sie zur Sachlichkeit zurück und handeln Sie als Minister seriös! Das ist wohl für das Land NordrheinWestfalen jetzt dringend erforderlich. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Habe ich das richtig gesehen, dass Sie, Herr Becker, noch mal ums Wort gebeten haben? – Sie haben eineinhalb Minuten. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bischoff, ich würde gerne noch mal in aller Ruhe auf eines hinweisen wollen. Ich habe eben ausdrücklich gesagt, manchmal muss man möglicherweise ein Modell wie die Volksaktie als Ausstieg aus einem anderen Modell wählen. Ich habe dazu den Kollegen Scheer zitiert.
Da Sie uns als eine von drei Fraktionen mit angesprochen haben, will ich gerne noch mal versuchen, den Hinweis zu geben, was nach meinem Verständnis in dem Ehlers-Gutachten steht. Ich habe es sehr intensiv durchgearbeitet.
Darin steht: Eine der Bedingungen, um dieses Modell überhaupt in Betracht ziehen zu können – falls man überhaupt an dieses Modell denke –, sei die stimmrechtslose Vorzugsaktie. Es steht aber auch die Passage drin, die ich eben vorgelesen habe und in der quasi ausdrücklich eine Reformunfähigkeit des Modells testiert wird.
Die eine Bedingung und das Bedenken, die sich im Wesentlichen auf die rechtliche Konstitution und auf die Durchgriffsfähigkeit der Bahn auf das Netz beziehen, greifen Sie jetzt heraus und erklären: Das war dann die Erfüllung. – Das war es aber nicht; denn es gibt eine Reihe von weiteren Bedenken bis hin zu den mangelnden Sanktionsmöglichkeiten.
Am Ende des Gutachtens wird davon geredet, dass es dringend einer Kaskade von Sanktionsmöglichkeiten bedarf, insbesondere für die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Ansonsten kann die Bahn den Ländern, den Verkehrsverbünden und dem Dienst an den Fahrgästen in der Fläche einen schweren Schaden zufügen.
Insofern – das sage ich mit allem Respekt – bin ich froh, dass Sie das Volksaktienmodell verabschiedet haben. Das meine ich überhaupt nicht ironisch und auch nicht zynisch. Es ist der Einstieg in eine neue Debatte. Aber das Modell als solches ist es, glaube ich, nicht, und da sollte man auch nicht mit so viel Verve rangehen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Man sollte vielmehr jetzt noch einmal gemeinsam nachdenken, wie man den Interessen der Fahrgäste und der Länder, die die ganze Sache hinterher ein Stück weit mit zu tragen haben, gerecht wird. Und das sind nicht per se die Interessen à la Mehdorn, die Herr Tiefensee leider in dem letzten Entwurf – beim ersten war das übrigens nicht so – fast 1:1 übernommen hatte. Die Bahn hatte sie ihm in einem Schreiben mitgeteilt. Das muss man noch einmal deutlich markieren.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Bahnprivatisierung ist gegen Bevölkerung und Beschäftigte gerichtet. Die Linke ist die einzige Partei, die konsequent gegen die Bahnprivatisierung ist. Es ist schon unerträglich, wie dieses Rumgeeiere bei der SPD mit dem Volksaktienmodell und bei den Grünen mit dem Moratorium betrieben wird.
Öffentlicher Verkehr gehört zum Kern der Daseinsvorsorge. Die Privatisierung der Bahn ist aber rein ökonomisch motiviert. Im Sinne neoliberaler Politik – das wundert natürlich wenig – sollen möglichst große Gewinne von Privaten realisiert werden.
Den Weg dahin hat Herr Mehdorn in den letzten Jahren schon beschritten, als er immer wieder versucht hat, die Gewinne der Bahn AG zu steigern.
Die Privatisierung der Bahn hat aber noch weit größere Dimensionen als zum Beispiel die Privatisierung von Telekom und Post. Erstens geht es um eine groß angelegte Enteignung von Volksvermögen, letzten Endes um die Zerstörung einer kulturgeschichtlichen Leistung, die über lange Zeit von deutschen Architekten, Bahnbeschäftigten usw. erbracht wurde.
Es geht um die Anpassung der Transportwege und Transportströme auf Schienen an die Anforderungen der großen Konzerne und ihre Arbeitsteilung, die volkswirtschaftlich und umweltpolitisch gesehen in absurder Weise weltweit organisiert ist. Es geht auch um eine dauerhafte Veränderung des Verkehrsmarktes weg von der Schiene und hin zum Straßenverkehr, vor allem zur Luftfahrt. Das ist hier auch von unserem Minister angesprochen worden, der das in einem großen Logistikkonzern erreichen will, womit weitreichende negative umwelt- und klimapolitische Folgen verbunden sind.
Letzten Endes sind die negativen Effekte eines Börsengangs der Deutschen Bahn AG weit größer als die rein finanziellen Verluste. Mit dem Börsengang der Bahn gibt der Bund ein wichtiges infrastrukturelles umwelt- und verkehrspolitisches Instrument aus der Hand. Die Möglichkeiten, im Sinne einer nachhaltigen Umwelt- und Klimapolitik zu wirken, werden enorm reduziert. Die Wahrscheinlichkeit, dass private Bahnbetreiber das Schienennetz und das rollende Material herunterwirtschaften, da sie primär eine hohe Rendite erzielen wollen und keine Anlageperspektiven haben, die der Umschlagszeit des hier angelegten Kapitals entspricht, ist groß.
Die Bahnprivatisierung würde weitreichende negative Effekte im sozialen Bereich und hinsichtlich der Beschäftigung haben. Bereits seit Beginn der Bahnreform 1994 und bis Ende 2005 wurde die Beschäftigtenzahl von 365.000 auf 185.000 reduziert oder halbiert. Es gibt keinen anderen Sektor
Gleichzeitig haben sich die Arbeitsbedingungen deutlich verschlechtert. Die Arbeit wurde verdichtet, in vielen Bereichen kam es zum Reallohnabbau, und die Lokführer streiken im Moment nicht umsonst mit dramatischen Auswirkungen, wie wir das zurzeit erleben.
Der auf diesem Gebiet erreichte Stand von Beschäftigung, Stress bei der Arbeit und Qualität der Ausbildung müssen hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen bereits als kritisch bezeichnet werden. Das alles wird natürlich noch verschärft, wenn es tatsächlich zu einer Privatisierung der Bahn kommen sollte.
„Es wäre ein riskantes und in seinen Folgen unüberschaubares Experiment, einen weltweiten Logistikkonzern, dessen Eigentümersteuerung alleine dem Bund und damit der Politik unterliegt, in den internationalen Wettbewerb zu Logistikkonzernen zu schicken, die dem Effizienzdruck der Kapitalmärkte unterliegen.“
„Um den Wettbewerb auf der Schiene zu forcieren, kann es durchaus sinnvoll sein, den Betrieb des Personenverkehrs oder des Güterverkehrs ganz oder teilweise durch Dritte erledigen zu lassen.“
zeigt das, dass auch Sie sich nicht ganz im Klaren sind, was eine Position gegen diese Bahnprivatisierung angeht. Deswegen werde ich beiden Anträgen nicht zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es gibt ein altes indianisches Sprichwort, das da heißt:
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der Sozialdemokratie, es wird allerhöchste Zeit, dass Sie von diesem „toten Gaul Volksaktienmodell“ absteigen.