Noch etwas zur Sicherheit, weil auch Sie wieder die Autobahnen mit Landstraßen verglichen haben. Erstens gibt es auf Autobahnen keine Fußgänger und keine Radfahrer. Zweitens haben wir auf Autobahnen keinen Gegenverkehr, es sei denn, der Innenminister ruft wieder zum Wenden auf, wenn Staus auf der Autobahn sind.
Von daher sage ich unter dem Strich, meine Damen und Herren: Tempo 130, das weiß auch ich, wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Eine knappe Mehrheit ist für Tempolimit, eine große Minderheit ist dagegen. Das spricht dafür, dass wir diese Diskussion sorgfältig führen, dass wir die Menschen mitnehmen, dass wir aber irgendwann zu einem Ergebnis kommen müssen, welches die Verkehrssicherheit erhöht. Da kann man es sich nicht so einfach machen wie Sie mit Ihrem Antrag.
Vielen Dank, Herr Kollege Hilser. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Becker noch einmal um das Wort gebeten, was er hiermit auch gerne bekommt. Bitte schön, Herr Kollege.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss noch einmal versuchen, wenige Dinge gerade zu rücken. Zunächst einmal, Herr Minister: Wenn Sie von seriöser Diskussion reden, sollten Sie nicht mit Zahlen arbeiten, die sich einmal auf 100.000 pro Bevölkerung und einmal auf Kilometer beziehen. Dann sollten sie durchgehend die gleichen Maßstäbe anwenden.
Die zweite Bemerkung richte ich an die CDU. Herr Kollege, wenn Sie die Dinge lesen würden, die zu lesen sind – und ich kann Ihnen den Testbericht gerne geben, der von der „Auto-Bild“ zusammen mit einem Institut gemacht worden ist –, dann würden Sie nicht behaupten: Das sind meine Zahlen. Die Zahlen sind belegt. Die 66 Liter sind tatsächlich getestet worden – nicht über die Verbrauchsanzeige des Autos, sondern indem man hinterher nachgemessen hat, wie viel nachzutanken war. Dabei ist diese Zahl herausgekommen. Sie ist durch ein Institut verbrieft.
Nächste Bemerkung, die ich gerne machen würde: Wer hier wie Herr Rasche und auch letztlich wie Herr Wittke denen, die ein Tempolimit wollen, quasi unterstellt, Ideologie zu wollen, auf den fällt der Vorwurf umgekehrt zurück.
Ich will Ihnen das ganz deutlich sagen. Erstens. Es ist beweisbar, dass die Unfallzahlen stark sinken, wenn Sie ein Tempolimit haben. Ich finde es in der Tat geradezu zynisch, dass Sie mit Ihren Zahlen belegen wollen, dass es keine relevante Senkung gäbe. Wenn Sie die Zahlen der Todes
Zweite Bemerkung in Ihre Richtung: Wenn Sie hier sagen, der einzig signifikante Beitrag sei der Abbau von Staus, und übersehen, dass sich Staus abbauen, wenn Sie Geschwindigkeiten verstetigen, dass Sie die Durchflussmenge von PKWs und LKWs deutlich erhöhen, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist Ideologie.
Sie erinnern mich an diejenigen in den USA, die bis heute – entgegen allen Untersuchungen – den freien Schusswaffengebrauch fordern. So verhalten Sie sich beim Tempolimit, meine Damen und Herren.
Ich kann Ihnen nur sagen: Nahezu die gesamte europäische Gemeinschaft arbeitet mit einem Tempolimit. Das ist im Verhältnis zu Ihrer Argumentation die zivilisierte Welt. Und Sie sind die unzivilisierte Welt beim Tempolimit.
Ja, meine Damen und Herren, ich setze gern noch einen drauf: Bei Ihnen besteht das Menschenrecht aus einem Menschenrecht zum Rasen
und nicht aus einem Menschenrecht zur Unfallvermeidung und einem Menschenrecht auf Klimaschutz. Ihr Menschenrecht ist das Menschenrecht des Rasens.
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Rasche für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Worte von Herrn Becker waren wieder bezeichnend:
Wenn den Grünen die Argumente ausgehen, zählen Polemik und Lautstärke. Etwas anderes haben Sie nicht, Herr Becker.
Nun will ich rein sachlich zur Argumentation des Kollegen Hilser kommen. Natürlich gibt es Verkehrssituationen auf Autobahnen, in denen der Verkehrsfluss besser läuft, wenn die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h reduziert ist. Das hat kein Mensch bestritten – weder die CDU noch die FDP.
Sie müssen mir aber Folgendes erklären: Wie will man durch ein Tempolimit von 130 km/h den Verkehrsfluss verbessern, wenn nachts kein Verkehr ist und pro Kilometer ein Auto fährt? Diese Möglichkeit gibt es überhaupt nicht. Das wissen Sie auch, lieber Herr Hilser. Genau deshalb schlägt Ihnen die Koalition vor, je nach Verkehrsaufkommen und je nach Situation der Verkehrssicherheit technisch die Geschwindigkeitsbegrenzung dynamisch und individuell zu regeln. Das entspricht den Zielen der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses. Herr Hilser, ich weiß, dass Sie im Grunde selber dieser Meinung sind.
Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen, Herr Hilser. Sie haben Herrn Brockes mit Blick auf die 2 % eben gesagt, das seien die Kommunalwahlergebnisse der FDP. In meiner Heimatstadt Erwitte war die FDP bei der letzten nordrheinwestfälischen Kommunalwahl mit 43 % doppelt so stark wie die SPD. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Es liegt noch eine Wortmeldung der Landesregierung vor. Herr Minister Wittke, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Weil es so selten vorkommt, dass ich mit Herrn Hilser einer Meinung bin, habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Kollege Hilser, Sie haben völlig recht, dass man Debatten sorgfältig führen, sorgfältig abwägen und anschließend entscheiden muss.
Genau das haben wir getan. Wir haben das komplette nordrhein-westfälische Autobahnnetz untersucht und Unfallschwerpunkte herausgestellt. Als Konsequenz haben wir auf 33 % des Netzes in Nordrhein-Westfalen ein Tempolimit verhängt. Ich kann Ihnen für jeden Kilometer ganz genau sagen, warum dort schon heute ein Tempolimit eingerichtet worden ist.
Weil ich den Kollegen Dellmann aus Brandenburg sehr schätze – er war im Übrigen derjenige, der den Mut hatte, in Sachen Bahnreform einen klaren Kurs zu fahren und nicht herumzueiern –, will ich gerne auch zu den Untersuchungen in Brandenburg Stellung nehmen. Es mag sein, wie es Kollege Henke in seiner Zwischenfrage angedeutet hat, dass ein Tempolimit von 130 km/h auf der einen oder anderen Strecke in Brandenburg zu mehr Sicherheit und zu einem besseren Verkehrsfluss führt.
Wir haben beispielsweise festgestellt, dass etwa die Pförtnerampeln auf der A 40 bei Essen zu mehr Verkehrssicherheit – hier sind die Unfälle um 25 % zurückgegangen – und zu einer höheren Durchlassgeschwindigkeit führen; während der Rushhour hat sie sich um, ich glaube, 10 km/h erhöht. Das würde uns aber nie auf den Gedanken bringen, generell eine Pförtnerampel an jeder nordrhein-westfälischen Autobahnauffahrt zu fordern.
Darum sage ich noch einmal: Es muss sorgfältig diskutiert und sorgfältig entschieden werden. Das haben wir in Nordrhein-Westfalen getan. Ich warne vor den Vereinfachern, die jetzt wieder unterwegs sind. Ich warne vor den Propagandisten, die hier herumlaufen und sagen: Es gibt leichte Lösungen für alles. Wir schützen das Klima mit einem Tempolimit von 130 km/h. Wir schaffen die Verkehrstoten ab, indem wir ein generelles Tempolimit einführen. – Das ist nicht der Fall. Darum haben wir schon in der Vergangenheit in Nordrhein-Westfalen sorgfältig abgewogen und gehandelt. So werden wir es auch weiterhin tun. Schnelle und einfache Lösungen sind die falschen Lösungen.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegt noch eine Wortmeldung des Kollegen Lehne für die Fraktion der CDU vor. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Hilser, Herr Becker, die Art und Weise, wie Sie Ihre Meinung äußern, geht mir ehrlich gesagt ziemlich auf den Keks. Das ist Moralinspritzerei. Was haben Sie eigentlich vor dem Mai 2005 gemacht? Sie haben dieses Thema totgeschwiegen.
Jetzt stellen Sie sich hierhin und machen die große Welle – im Übrigen, das darf ich noch einmal sagen, gegen die Auffassung Ihrer Kollegen im Deutschen Bundestag. Das finde ich mehr als peinlich. – Danke schön.