Protocol of the Session on November 14, 2007

Herr Prof. Sternberg, mich würde interessieren, warum Sie die Studienkollegs erst abschaffen und dann Modellversuche auf den Weg bringen. Normalerweise würde man zunächst die Modelle entwickeln und danach das Bestehende abschaffen.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) : Frau Hendricks, zunächst muss man so etwas auslaufen lassen, um überhaupt einen Wechsel hinzubekommen. Die entscheidende Frage war: Wird das Ganze mit den Ressourcen – den Personen –

der Studienkollegs gemacht, also mit Lehrern, die ganz in den Schulbereich gehören, oder mit einem neuen Modell an den Universitäten, bei denen nachher wirklich alle ausländischen Studierenden erfasst werden? Die einen, die das können, zahlen das selbst, und für die anderen, die das nicht selbst bezahlen können, wird ein Stipendiensystem eingerichtet.

An diesen Fragen werden wir künftig erheblich zu arbeiten haben. Wir werden ein solches Modell entwickeln, und Sie werden sehen: NordrheinWestfalen wird ein zukunftsfähiges, gutes Modell vorlegen, wie die Ressourcen, die jetzt für den Erwerb eines Schulabschlusses gebraucht werden, für Propädeutik eingesetzt werden.

Der Leiter des Münsteraner Studienkollegs, Lothar Jansen, der für sein Studienkolleg und die Studienkollegs allgemein wie ein Löwe gekämpft hat, hat ganz ohne Frage einen etwas resignierten Brief an die Hochschullehrer der Universität Münster geschrieben. Darin heißt es zum Schluss, dass die Mittel, die jetzt an der Universität frei werden, weiter für das grundständige Ausländerstudium verwendet werden sollen. Das Lehrgebiet der Universität, das erhalten bleibt, müsste dringend um fachliche Propädeutik und fachliche Auswahlverfahren ergänzt werden. Hier könnte dann auch ein Teil der Kompetenz der Studienkollegs genutzt werden. So weit Lothar Jansen.

Meine Damen und Herren, er hat völlig recht. Genau das werden wir tun. Wir werden fachliche Propädeutik für ausländische Studierende und Studierwillige einführen, damit sie bei uns in Nordrhein-Westfalen gut und besser studieren können und sich nicht vor der Hürde sehen, sie müssten erst ein nordrhein-westfälisches Abitur ablegen, um dann zu prüfen, ob sie irgendwo ein Studium aufnehmen können.

Es wird in der nächsten Zeit darauf ankommen, wie wir diese Modelle entwickeln werden. Aber verlassen Sie sich darauf: Wir haben durch die Sicherung der Ressourcen einen guten Weg begonnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Prof. Sternberg. – Für die FDP-Fraktion hat Kollege Lindner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Antrag hinkt seiner Zeit hinterher. Das Parlament hat bereits im Sommer dieses Jahres mehrheitlich be

schlossen, dass die Vorbereitung ausländischer Studierender auf eine neue Basis gestellt wird.

Die Position der SPD, den Status quo der Studienvorbereitung ausländischer Studierender beizubehalten, ist hinlänglich bekannt, weil sie heute zum dritten Mal eine Initiative mit diesem Gegenstand einbringt. Um nicht noch einmal den identischen Wortlaut einzubringen, haben Sie sich an eine BMBF-Stellungnahme angelehnt, über deren Qualität Kollege Sternberg eben Erhellendes gesagt hat.

Dennoch haben Sie auch das BMBF-Positionspapier noch nicht hinreichend zur Kenntnis genommen. Sie haben es gar nicht richtig gelesen. Denn es untermauert nicht Ihre Forderung, sondern im Gegenteil die mehrheitlich beschlossene Neuausrichtung.

Das BMBF rückt schließlich insbesondere den Studienerfolg ausländischer Studierender in den Mittelpunkt und stellt hier erhebliche Defizite fest. Es gibt auch Positives: ausländische Studierende, Studierende mit Migrationshintergrund, die hervorragend sind, Erfolg haben und für Magister- und Diplomarbeiten, die in unterschiedlichen Fächern geschrieben werden, ausgezeichnet werden. Aber wir haben auch erhebliche Defizite.

In diesem Sinne lässt sich auch der Bericht des Landesrechnungshofs lesen. Vor diesem Hintergrund stellt das BMBF weiter fest, dass es mit dem Programm PROFIS – Programm zur Förderung der Institutionalisierung an den deutschen Hochschulen –, darauf abzielt, die Rahmenbedingungen ausländischer Studierender zu verbessern.

Wenn man sich ansieht, wie die NRWHochschulen die Mittel aus diesem Programm einsetzen, wird deutlich, dass sie bereits einen Schritt weiter sind als die SPD. Die Hochschulen verwenden die Gelder nämlich nicht dafür, die Studierfähigkeit junger Ausländer herzustellen, sondern konzentrieren sich darauf, die schon im Hochschulsystem verankerten Studenten besser zu unterstützen bzw. denjenigen mit Hochschulzugangsberechtigung den Einstieg zu erleichtern.

Ich will zwei Beispiele benennen:

Die RWTH Aachen hat das Zulassungs- und Bewerbungsverfahren für ausländische Studienbewerber durch die Schaffung eines Onlinebewerbungs- und Informationsangebotes neu gestaltet, und die FH Münster hat die Gelder zum Aufbau eines eigenen Programms genutzt. PASTA – Prozessanalyse zum Studienerfolg ausländischer Studierender – stellt unter anderem differenzierte Informationen für ausländische Studierende be

reit, um so – Zitat – „Studienfachwechsel und Studienabbrüche zu verhindern“.

In diesem Sinne hat auch die schwarz-gelbe Landesregierung Schwerpunkte bei der Reform des Zugangs ausländischer Studierender gesetzt. Während sich Rot-Grün ressourcenintensiv darauf konzentrierte, junge Ausländer erst einmal studierfähig zu machen, konzentrieren wir unsere Kräfte darauf, diejenigen, die die Voraussetzungen für ein Studium mitbringen, so zu unterstützen, dass sie erfolgreich zum Abschluss gelangen. Dabei werden wir über ein Stipendienprogramm erstmalig auch Gelder zur Sicherung des Lebensunterhalts bereitstellen.

Die Neuorientierung der Studienvorbereitung bedeutet aber explizit nicht, dass wir unsere Verantwortung gegenüber begabten jungen Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung, insbesondere gegenüber solchen aus Entwicklungsländern, nicht wahrnehmen würden. Im Gegenteil, wir wollen die Ressourcen für die Herstellung der Studierfähigkeit auf die jungen Erwachsenen konzentrieren, die aus Ländern kommen, die über kein funktionierendes Schulsystem verfügen.

Leider nimmt der Antrag mit keinem Wort Bezug auf die von der Landesregierung eingeleiteten Maßnahmen – ich sage es noch einmal – wie zum Beispiel Stipendienprogramm, Fortführung der kirchlichen Kollegs. Insofern ist er als seriöse Gesprächsgrundlage für eine Debatte nicht geeignet – erst recht nicht für eine Wiederaufnahme einer schon geführten Debatte. Aus diesem Grund kann ich Ihnen keine Hoffnung machen, dass dieser Antrag eine Mehrheit findet. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es schon für ein Ding aus dem Tollhaus, dass wir immer wieder feststellen müssen – wir reden hier und heute ja nicht das erste Mal darüber, Herr Lindner –, dass Sie mit der Auflösung der Studienkollegs ganz alleine dastehen, sozusagen politisch und fachlich im Regen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nicht nur die betroffenen Pädagogen, die Kollegiaten und die Landes-ASten, sondern die gesamte Fachwelt, die sich mit der Internationalisierung der

Hochschulbildung befasst, und selbst das Bischöfliche Generalvikariat in Münster schütteln den Kopf über Ihre Pläne, die sieben Studienkollegs in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie stehen mit Ihrer Meinung also ziemlich alleine da, Herr Dr. Sternberg.

Über diesen beispiellosen Alleingang in der KMK regt sich nun zu Recht auch das Bundesbildungsministerium auf. Dessen Stellungnahme spricht eine deutliche Sprache, Herr Dr. Sternberg. Man muss das einfach noch einmal zitieren:

„Statt einer Abschaffung wären eine bessere Vernetzung der Studienkollegs mit den Hochschulen sowie die Ausweitung auf einen deutlich größeren Kreis von ausländischen Studierenden geboten.“

So lautet die Kernbotschaft. Das heißt: keine Abschaffung, sondern eine Ausweitung.

Genau das schlagen auch die meisten nordrheinwestfälischen Rektoren vor. Es geht ihnen nicht um eine Auflösung der Studienkollegs, sondern um deren Überleitung in die Verantwortung der Hochschulen; denn dort könnten sie allen ausländischen Studierenden eine Einführung in die Lernkultur einer deutschen Hochschule bieten – vergleichbar mit der Foundation an einem amerikanischen College.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wir glauben, dass mit Ihrer Kahlschlagpolitik bei den Studienkollegs der internationale Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen gefährdet ist. Mehr noch: Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen wir unsere staatliche Verantwortung wahrnehmen, um möglichst vielen jungen Menschen den Einstieg in die Hochschule zu erleichtern.

Deshalb wird Ihnen Ihre „Privat vor Staat“Strategie, Herr Minister Pinkwart und Herr Lindner, die Sie jetzt auch bei den Studienkollegs verfolgen, in einigen Jahren mit Sicherheit noch auf die Füße fallen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich erinnere daran, dass auch wir Grüne uns am 20. September 2007 in einem Entschließungsantrag für eine Reform der Studienkollegs hin zu einer systematisierten Studieneingangsphase ausgesprochen haben. Diese Reform, die auch das Bundesbildungsministerium vorschlägt, ist vernünftig. Sie ist richtig.

Deshalb fordere ich heute noch einmal die Kolleginnen und Kollegen insbesondere der CDU auf, den Mut aufzubringen und der Regierung zu sagen: Nein. Was ihr hier wollt, schadet dem Land. Nehmt es zurück.

Wir als Landtag, die wir gewählt sind, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten, sagen: Was die Studienkollegs an Bildungsarbeit, an Integrationsarbeit und an internationaler und Entwicklungszusammenarbeit leisten, ist wichtig für das Land. Das ist auch eine öffentliche Aufgabe.

Ich will Ihnen aber darlegen, worum es Ihnen eigentlich geht und warum Sie sich so schwer damit tun, hier ein verantwortungsvolles bildungspolitisches Konzept zu entwickeln, Herr Minister Pinkwart. Eigentlich wollen Sie ja das Ende der Entwicklungshilfe. Das ist bei der Anhörung auch ziemlich deutlich geworden. Herr Lindner hat dort nach meiner Erinnerung vom Ende der Entwicklungshilfe gesprochen, wie es vonseiten der Liberalen ja manchmal etwas despektierlich heißt. Ihnen geht es mehr um die Bestenauslese

(Ralf Witzel [FDP]: Natürlich geht es um Bestenauslese!)

im globalen Wettbewerb um die größten Talente und nicht um die Förderung Benachteiligter aus anderen Ländern. Das meinen Sie doch.

(Ralf Witzel [FDP]: Es geht in der Tat um Bestenauslese!)

Das ist bei der Anhörung auch klar geworden. Ich glaube, das habe ich richtig verstanden.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lind- ner [FDP]: Es geht auch um die benachteilig- ten Begabten! Begabt müssen sie allerdings schon sein!)

Wir hingegen glauben, dass sich ein solches selektives Denken in Zeiten der Globalisierung und der Internationalisierung bzw. Transnationalisierung von Bildungs- und Forschungsarbeit noch einmal bitter rächen wird – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Überlegungen.

Deshalb möchten wir an den Appell der SPDFraktion anknüpfen und Sie bitten, sich mit der Position des BMBF einmal richtig auseinanderzusetzen, den Beschluss zur Schließung der Studienkollegs rückgängig zu machen und sich auch im Sinne unseres Entschließungsantrages für eine Weiterentwicklung der Studienkollegs einzusetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Jetzt hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Plenarsitzung vom 20. September 2007 wurde durch die Koalitionsfraktionen das Ende der staatlichen Studienkollegs in Nordrhein-Westfalen endgültig besiegelt. Die gute Arbeit der Studienkollegs und die Möglichkeit einer Reform derselben wurden offensichtlich nicht berücksichtigt. Erst abschaffen, dann irgendetwas Neues entwickeln – so machen CDU und FDP Politik.