Protocol of the Session on October 25, 2007

Wer auf neue Technologien setzt, braucht qualifizierte Arbeitskräfte, insbesondere mit Blick auf den demografischen Wandel. Der bildungspolitische Scherbenhaufen, den Rot-Grün hinterlassen hat, ist bekannt. Die neue Landesregierung setzt deshalb ihr Konzept der Bildung von Anfang an konsequent der früheren Bestandsaufnahme entgegen. Dazu gehört unter anderem die verbindliche Sprachförderung im Kindergarten, der Aufbau von Familienzentren, die individuelle Förderung aller Schüler, die qualitative Verbesserung des Nachmittagsbereichs an Grundschulen, die Einrichtung zusätzlicher geburtennaher Ganztagsschulen, die Einstellung von mehr Lehrern und Sozialarbeitern und die Stärkung der Jugendarbeit.

Zudem wollen wir nichts unversucht lassen, junge Menschen schon frühzeitig in die faszinierende

Welt der Wissenschaft zu führen. Dazu zählt die Landesinitiative „Zukunft durch Innovation“, die das Ziel verfolgt, bei Kindern und Jugendlichen das Interesse an ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen und Berufen zu wecken. So entstand beispielsweise das erste Innovationszentrum Schule-Technik, das mit seinen Laboren Unterricht für Oberstufenschüler anbietet. Damit setzen wir öffentlich ein sichtbares und deutliches Zeichen gegen den von unserem ChemieNobelpreisträger Gerhard Ertl zur Sprache gebrachten naturwissenschaftlichen Analphabetismus. So geäußert im „Spiegel“, Ausgabe 42/2007.

Meine Damen und Herren, das Entscheidende ist – deshalb müssen wir die Debatte beflügeln und in unserem Land Nordrhein-Westfalen weiterführen –, was die hohen Spitzenauszeichnungen, die vielen guten Platzierungen nordrhein-westfälischer Hochschulen kulturell in den Köpfen auslöst und welche Maßstäbe für die Zukunft gesetzt werden. Deshalb sagen wir zu Recht als Koalition der Erneuerung: Wir haben eine hohe Übereinstimmung der aktuellen Erfolge mit dem Regierungshandeln und dem parlamentarischen Mehrheitshandeln der Koalitionsfraktionen der letzten Monate,

(Beifall von FDP und CDU)

weil wir die Weichen richtig gestellt haben.

Wir haben bei der Frage der Studienkollegs, die von der Opposition ideologisch bekämpft worden ist, deutlich gemacht: Gerade weil wir Exzellenz wollen, muss der Schwerpunkt darauf liegen, exzellente Köpfe aus dem Ausland zu gewinnen, sie zu fördern, sie mit Stipendienangeboten zu unterstützen, um im internationalen Wissensaustausch und -transfer gemeinsam von neuer Stärke, angesiedelt in Nordrhein-Westfalen, zu profitieren.

Deshalb geben wir nicht mehr wie Rot-Grün früher schwerpunktmäßig Gelder dafür aus, um überhaupt die Studierfähigkeit festzustellen oder herzustellen, sondern wir geben das Geld dafür aus, um auf hohem Niveau dafür zu sorgen, dass im Rahmen unserer Strategie Spitzenköpfe aus Nordrhein-Westfalen ihre Auslandserfahrungen sammeln. Das ist ja gerade im Bereich der Stammzellenforschung geschehen. Junge Wissenschaftler, oftmals Anfang 30, aus Nordrhein-Westfalen kommend, sind ein paar Jahre im Ausland gewesen und dann nach Nordrhein-Westfalen mit neuem Know-how zurückgekommen. So funktioniert der Transfer.

Für ganz wesentlich halte ich – zeigen Sie mir einmal ein anderes Bundesland in Deutschland, das das so hervorragend symbolisiert – das Rückkehrerprogramm. In Zeiten von Rot-Grün

sind exzellente Wissenschaftler ins Ausland geflohen. Wir hingegen signalisieren: Ihr seid bei uns gewollt. Wir wollen ein attraktiver Forschungs- und Technologiestandort sein. Wir unterstützen euch, bieten euch attraktive Angebote, damit ihr eure wissenschaftliche Laufbahn in NordrheinWestfalen fortsetzen könnt. Das ist doch ein exzellentes Programm, das signalisiert: Nicht die Flucht von Leistungsträgern, von Spitzenköpfen der Wissenschaft aus Nordrhein-Westfalen ist angesagt, sondern wir sind der Standort, der Leute attrahiert, zu uns zu kommen, hier mit anzupacken und Nordrhein-Westfalen voranzubringen.

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Nordrhein-Westfalen mit der Koalition der Erneuerung bei Bildung und Wissenschaft ist auf einem hervorragenden Weg. Wir haben uns ehrgeizige Ziele für die Zukunft gesetzt und deshalb noch Arbeit vor uns. Aber wir sind bereits heute Lichtjahre der Zukunftsverweigerung und Rückschrittlichkeit von Rot-Grün voraus. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU – Marc Jan Eu- mann [SPD]: Der Grad der Selbsttäuschung ist in der Tat unermesslich!)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Jetzt hat für Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Hochschulen in unserem Land leisten eine hervorragende Arbeit in Forschung und Lehre. Das haben sie auch schon vor der Zeit der neuen Regierung, der sogenannten Koalition der Erneuerung, getan, Herr Witzel.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Marc Jan Eumann [SPD]: Koalition der Ernüchterung!)

Darauf können wir in Nordrhein-Westfalen sehr stolz sein. Deshalb möchte ich von hier aus unsere Gratulation nach Aachen, Bielefeld, Köln, Münster und Bonn aussprechen, die alle zu den Gewinnern der Exzellenzinitiative gehören. Denn – das sollten wir nicht vergessen – die sogenannten Elitehochschulen sind nur ein Standbein der Exzellenzinitiative. Bei den Exzellenzclustern hat NordrheinWestfalen in dieser Runde mit den Erfolgen von Aachen, Köln, Münster und Bielefeld deutlich bes

ser abgeschnitten als Bayern und genauso gut wie das stets von Ihnen gelobte Land BadenWürttemberg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gleichwohl muss auch ich etwas Wasser in den Wein gießen, der heute so viel Euphorie ausgelöst hat. Leider zeigt sich nämlich, wie schon in der Vergangenheit, dass Baden-Württemberg auch diesmal bei den Fördermitteln überproportional abgesahnt hat.

Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, was ich schon in der ersten Vergaberunde gesagt habe: Dem Wissenschaftsminister dieses Landes ist es im Vorfeld offensichtlich wieder einmal nicht gelungen, die Stärken der nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft darzustellen.

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämtheit!)

Oder – um es auf den Punkt zu bringen –: Hier haben Sie schlecht verhandelt, Herr Minister Pinkwart.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt doch gar keinen Zweifel daran, dass die nordrhein-westfälische Hochschullandschaft eine andere Geschichte, eine andere Tradition als die in Baden-Württemberg hat. Sie hat eine andere, aber keine schlechtere – auch wenn die jungen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen noch nicht so viel Zeit hatten wie Heidelberg oder Freiburg, um sich national wie international einen Namen zu machen. Ich jedenfalls bin fest überzeugt, dass es die Ruhruniversität Bochum genauso verdient hätte, in der dritten Förderrunde zu gewinnen.

Man spricht zwar immer von den Elitehochschulen, und damit verbindet sich ein traditionsreicher Name wie Heidelberg tatsächlich eher als der Name Bochum. Inhaltlich ging es bei der dritten Förderlinie aber nicht um eine ruhmreiche Vergangenheit, sondern um innovative Zukunftskonzepte. Was die Zukunftskonzepte angeht – davon bin ich fest überzeugt –, kann es Bochum durchaus mit Freiburg oder Konstanz aufnehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nur – ich sage es noch einmal –: Auch solch eine Erkenntnis kommt den Mitgliedern einer Vergabekommission nicht von alleine. Es hätte sicher geholfen, wenn auch der Wissenschaftsminister dieses Landes, der sich selbst immer gerne als „Innovationsminister“ bezeichnet, an den entsprechenden Stellen deutlicher gemacht hätte, dass Bochum bei der Innovation ganz vorne mit dabei ist, insbesondere auch was die Lehre angeht.

Wenn diese Exzellenzentscheidung nämlich eine gemeinsame Entscheidung von Wissenschaft und Politik ist – ich zitiere hier aus Frau Schavans Pressemitteilung –, war aus unserer Sicht zumindest die politische Einflussnahme aus NordrheinWestfalen nicht stark genug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sieben von neun sogenannten Eliteuniversitäten befinden sich in Bayern und Baden-Württemberg. So sehr ich den Hochschulen in Süddeutschland diesen Erfolg gönne, möchte ich mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Wissenschaftspolitikerin doch die Freiheit nehmen, zu hinterfragen, wie es zu diesem offensichtlichen Ungleichgewicht kommt.

Dabei geht es mir keineswegs um das Ergebnis an sich. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die jetzt ausgezeichneten Hochschulen auch tatsächlich ausgezeichnete Arbeit leisten. Allerdings – auch das möchte ich noch einmal hervorheben – ist das Bochumer Zukunftskonzept sicher nicht schlechter als das von Konstanz oder Freiburg.

Nein, mir geht es bei der Frage darum, aus welchen Mitteln die Erfolge der Hochschulen aus Bayern und Baden-Württemberg finanziert worden sind. Natürlich ist es so, dass die Studienbedingungen in Baden-Württemberg vielfach besser sind als bei uns. Hier kommen etwa zwei Studierende auf einen Studienplatz. Dort sind es 1,3. Hier stehen für jeden Studierenden und jede Studierende an den Hochschulen im Durchschnitt 3,9 qm Hauptnutzfläche zur Verfügung. In BadenWürttemberg sind es 6,7 qm.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch die schlechtesten Relationswerte bundesweit hinterlassen! Das sind doch Ihre Zahlen!)

Warum ist das so? Diese Antwort wollen Sie jetzt hören, Herr Witzel. Nun, das liegt schlicht daran, dass wir in Nordrhein-Westfalen immer noch mehr Studierende ausbilden, als es in Baden-Württemberg der Fall ist, und zwar nicht nur absolut gesehen, sondern auch relativ, gemessen an unserem Anteil in Deutschland insgesamt.

Es fällt dann schon einmal leichter, Spitze zu sein, wenn man für die Breite nicht so viel tut wie andere, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, die Sie immer wieder gern auf die vermeintlichen Vorbilder im Süden dieser Republik hinweisen.

(Ralf Witzel [FDP]: Reden Sie doch über die Absolventenzahlen!)

Die spannende Frage lautet nun aber, von welchem Geld diese Spitzenpositionen finanziert wurden. Ich kann nur noch einmal auf die wundersame Verschiebung der Hochschulbaumittel des Bundes verweisen, die zu Beginn der 90erJahre stattgefunden hat. Herr Schultheis hat es eben auch schon einmal gesagt. Seit dieser Zeit flossen nämlich plötzlich viel mehr Bundesmittel für den Hochschulbau in den Süden unserer Republik als vorher –

(Beifall von den GRÜNEN)

mehr übrigens als nach NRW und auch mehr als in alle neuen Länder zusammen, obwohl sich dort die Hochschullandschaft gerade im Neuaufbau befand. Wenn man – um die letzte Zahl aus dem aktuellen Rahmenplan zu nehmen – im Jahr 2004 pro Studierendem nicht wie NRW knapp 300 € Bundesmittel für den Hochschulbau erhält, sondern 636 € wie Baden-Württemberg, lässt sich auch leichter Exzellenz schaffen.

Wenn jetzt mit dem unseligen Föderalismuskompromiss dieses Ungleichgewicht weiter fortgeschrieben wird, wird es für unsere Hochschulen auch in Zukunft nicht einfacher, Herr Pinkwart. Da hätten Sie mehr tun können. Nein, Sie hätten aus unserer Sicht in Ihren Gesprächen auf Bundesebene mehr tun müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dabei ist das sogenannte Exzellenzsiegel wichtig, wenn es darum geht, die Reputation deutscher Hochschulen im Ausland zu erhöhen. Bereits jetzt zeigt sich, dass das Interesse ausländischer Universitäten an einer Zusammenarbeit mit den Exzellenzinitiativen deutlich zunimmt.

Deshalb sagen wir: Die jetzt ernannten Spitzenunis dürfen sich nicht ausruhen. Exzellenz wird nicht vererbt. Sie muss vielmehr immer wieder neu verdient werden. Neben einem Aufstieg in die Champions League der Spitzenhochschulen muss auch ein Abstieg möglich sein. Wenn nämlich in den nächsten 20 Jahren das Geld immer nur nach München und Heidelberg fließt, profitiert die Wissenschaft insgesamt wenig davon.

Darüber hinaus sind wir mit der Bundesbildungsministerin, Frau Schavan, einer Meinung, wenn sie sagt – ich zitiere –: „Die Exzellenzinitiative muss jetzt verstetigt werden.“ Ihre Stärken und Schwächen müssen analysiert und der Wettbewerb muss zu einem festen Bestandteil in der Wissenschaft werden.

Aber hierfür ist eines dringend notwendig. Die Hochschulen brauchen eine ausreichende Grundfinanzierung. Sonst ist kein fairer Wettbewerb

möglich. Diese Grundfinanzierung ist Sache der Länder, Herr Minister Pinkwart. Insbesondere muss zusätzliches Geld in die Lehre fließen. Es ist ein Drama, wenn man sich vor Augen führt, wie die Hochschulen derzeit unter ihrer Überlast ächzen. Von einer qualitativ hochwertigen Ausbildung kann da keine Rede mehr sein.

Deshalb sind wird der Überzeugung: Wenn Leistungen in der Lehre nicht ebenso hoch bewertet werden wie die Spitzenforschung, werden künftig noch mehr Studierende in überfüllten Hörsälen sitzen und in der Bibliothek vor leeren Regalen stehen.

Es ist erfreulich, Herr Minister Pinkwart, wenn derzeit die Studienanfängerzahlen wieder steigen. An dem miserablen Betreuungsverhältnis und der ebenso miserablen Ausstattung an den Hochschulen hat sich aber leider nichts grundlegend verändert.