Protocol of the Session on October 25, 2007

Das ist ein Defizit: Selbst wenn es einzelne Leuchttürme bei der Exzellenzinitiative gibt, gibt es doch ein Ungleichgewicht zwischen Naturwissenschaften/Ingenieurwissenschaften und Geisteswissenschaften/Sozialwissenschaften bei den Ergebnissen, bei den Clustern, bei den Graduiertenschulen und bei den Spitzenuniversitäten oder Eliteuniversitäten – nicht, dass Sie meinen, ich würde diesen Begriff scheuen. Die Exzellenzinitiative zieht sich über verschiedene Strukturen hinweg.

Fassen wir alle Anträge für Graduiertenkollegs, Exzellenzcluster und Zukunftskonzepte zusammen, kommt Nordrhein-Westfalen auf eine Erfolgsquote von 20% und belegt im Ranking damit den fünften Platz.

Zum Vergleich: Spitzenreiter bei den Erfolgsquoten ist Baden-Württemberg mit 37 %, gefolgt von Sachsen mit 34 %. Den dritten Platz belegt Berlin mit 33 %, gefolgt von Bayern mit 31 % auf dem vierten Platz.

Nordrhein-Westfalen kann durchaus mit dem flächenmäßig größten Bundesland Bayern mithalten. Das ist gut so. Unser Ziel sollte es jedoch sein, mit dem Spitzenreiter Baden-Württemberg gleichzuziehen. Diese Zielmarke sollten wir uns gemeinsam setzen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Machen Sie mal!)

Wir machen da mit. Die Exzellenzinitiative ist eine Initiative von SPD und Grünen im Bundestag.

(Beifall von der SPD)

Ich sage das noch einmal, damit alle das wissen und es nicht in Vergessenheit gerät.

Ich muss auch noch hinzufügen, dass BadenWürttemberg und Bayern in einer vergleichsweise besseren Position sind. Was die Infrastruktur angeht, sollten Sie einmal in die Jahre der Regierungszeit von Helmut Kohl zurückschauen und sich vergegenwärtigen, welche Förderungen damals im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen und zum norddeutschen Raum in den süddeutschen Raum gegangen sind. Hier hat es ein Ungleichgewicht gegeben, meine Damen und Herren,

(Beifall von der SPD)

das sich natürlich positiv auswirkt. Das zeigt: Wenn man rechtzeitig in Infrastruktur investiert, bewegt sich etwas.

Die Förderung von Spitzenforschung und Spitzenlehre erfordern jedoch zusätzliche Mittel. Ich habe das eben schon gesagt. Andere Bundesländer handeln entsprechend. Wir haben in unserem Haushalt zurzeit 20 Millionen € dafür angesetzt. Das ist der jetzige Stand.

Im Jahr 2008 brauchen wir insgesamt über 35,75 Millionen €. Diese sind notwendig, um auch das zu bedienen, was wir jetzt eingespielt haben. Wir erwarten natürlich, dass die Landesregierung eine Deckung vorschlägt, durch die die Mittel zusätzlich zu dem bereitgestellt werden können, was in den Hochschulhaushalten zur Verfügung steht. Es kann nicht sein, dass die Hochschulen nachher noch angebettelt werden, sich daran zu beteiligen.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Das hätten Sie gemacht!)

Nein, das hätten wir nicht gemacht. – Es gibt Anzeichen dafür, dass man darüber nachdenkt. Wir wollen dem von vornherein einen Riegel vorschieben. Wir erwarten, dass das Geld zusätzlich bereitgestellt wird. Das ist auch die politische Aussage, die dahinter steht.

In der schriftlichen Antwort des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie zu den Haushaltsfragen der SPD-Landtagsfraktion ist festgehalten, dass im Gesamthaushalt lediglich 85,4 Millionen für eine flexible Finanzierung zur Verfügung stehen. Das müssen wir feststellen und gehört in diesen Kontext.

Wenn man die dazugehörigen Haushaltsvermerke richtig interpretiert, stehen diese Mittel fast ausschließlich zur Kofinanzierung von Ziel-2-Mitteln der Europäischen Union zur Verfügung.

Sie haben so viele Deckungsvermerke in diesem Haushalt, dass man sich die Frage stellen muss, ob der Haushalt überhaupt noch mit unserem Haushaltsrecht kompatibel ist. Der Haushaltsgesetzgeber wird quasi ausgehebelt. Sie haben einen Haushalt nach dem Prinzip „anything goes“ auf den Tisch gelegt: Alles geht und alles kann für alles eingesetzt werden. – Das mag zwar flexibel sein, hat aber mit dem Recht des Haushaltsgesetzgebers Landtag nicht besonders viel zu tun.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen muss eben nicht nur ordnungspolitisch handeln. Wir sind der Meinung, dass Sie das Ganze an der einen oder anderen Stelle in die falsche Richtung bewegen. Die Spitzenforschung und Spitzenlehre in NRW müssen mit finanzieller Unterstützung auch aktiv weitergeführt werden. Das heißt auch: Wir müssen daran arbeiten, dass der Wettbewerb

der Universitäten und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen kein ruinöser ist. Wir müssen daran arbeiten, an unseren Hochschulen gleichwertige Qualität anzubieten.

Zum Abschluss meines Redebeitrags schließe ich an die gestrige Debatte an. In dieser ging es um die Hochschulabschlüsse und den Hochschulzugang. Ich schließe damit ab, weil es im Endeffekt eine Qualitätsfrage ist.

Welchen Sinn macht es eigentlich, wenn sich die Landesregierung für ein NRW-Abitur einsetzt, die Bundesregierung in Gestalt von Frau Schavan sogar bundesweite Standards für ein Abitur ansetzen will, man sich aber gleichzeitig weigert, gleichmäßige und gleichwertige Standards an unseren Hochschulen anzubieten? Das ist widersprüchlich. Wenn man genau hinsieht und hinterfragt, kann man sich auch denken, worum es geht.

Wir wollen das nicht. Wir wollen möglichst viele gute Hochschulen haben, die an der einen oder anderen Stelle sicherlich herausragen. Die RWTH ist sicherlich ein Paradebeispiel dafür. Das soll auch so sein. Die grundlegende Qualität muss aber gleich sein. Es sollte auch ein Ergebnis dieser Exzellenzinitiative sein, möglichst viele Hochschulen in einen guten Stand zu versetzen. Wir fordern Sie auf, die haushaltsmäßigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Kuhmichel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Pinkwart, zunächst einmal bedanke ich mich bei Ihnen für die Unterrichtung des Landtags über den Verlauf der Exzellenzinitiative mit Blick auf NordrheinWestfalen.

Sie haben deutlich gemacht, dass es nicht zuletzt auch einer neuen Wissenschaftspolitik in diesem Land zu verdanken ist, dass es diesen Ruck in Nordrhein-Westfalen gegeben hat. Um das Wort aufzugreifen: Es ist ein Kulturwandel. – Für das Tempo dieses Kulturwandels haben wir in dieser Zeit nach der Wende maßgeblich gesorgt.

(Beifall von CDU und FDP)

Im Namen der CDU-Fraktion möchte ich Glückwünsche aussprechen, und zwar zunächst einmal an die RWTH Aachen dafür, dass sie eine Elite

universität geworden ist. Sie hat es sich wirklich verdient. Die Enttäuschung vor einem Jahr war sehr groß. Jetzt hat sie es geschafft. Herzlichen Glückwunsch dazu.

Herr Schultheis, Sie haben gerade gesagt, das hätte mit der neuen Regierung nichts zu tun. Gerade Rektor Rauhut und seiner Mannschaft ist es zu verdanken, dass dieser Erfolg zustande gekommen ist. Erinnern Sie sich daran, dass er mit dem, was Sie an Hochschulsystem hinterlassen haben, durchaus sehr kritisch umgegangen ist. Ohne diese Hinterlassenschaft wäre die RWTH Aachen wahrscheinlich noch schneller in diesen Ruf gekommen.

(Beifall von der FDP)

Wir gratulieren der Uni Bielefeld sehr herzlich zu ihrem Erfolg. Wir gratulieren der Uni Bochum zu ihrem Erfolg und der Uni Bonn zu ihrer Berücksichtigung. Wir gratulieren auch der Uni Köln und – last but not least – der Uni Münster dazu, dass dieser Exzellenzcluster auf sie entfallen ist.

Gerade am Beispiel der Uni Münster – Sie haben es eben auch schon angesprochen, Herr Minister – ist festzuhalten, dass sich die NRW-Wissenschaftspolitik nicht allein auf Natur- und Ingenieurwissenschaften reduziert, sondern auch die Geisteswissenschaften mit den wichtigen Themen im gesellschaftlichen Kontext umfasst. Also herzlichen Glückwunsch auch last but not least nach Münster!

Herr Schultheis, Sie kann ich leider zu Ihrer Rede nicht beglückwünschen. Wenn Sie Wasser mitbringen, um es in den Wein zu gießen, müssen Sie auch das Glas treffen. Lieber Herr Schultheis, das ist eine Kritik, die wir nicht annehmen können. Sie haben im Kaffeesatz gelesen. Sie haben gemäkelt. Das kann ich aus Sicht der Opposition auch verstehen. Ihnen wäre es lieber, das alles würde zu Ihrer Zeit stattfinden. Das ist aber nicht so.

Wenn Sie sagen, mit Elite haben Sie kein Problem, dann mag das für Sie persönlich gelten – d’accord. Aber Sie wissen doch, dass in Ihrer Partei Menschen unterwegs sind, die aus ideologischen Gründen immer große Probleme hatten, sich dem Begriff der Elite positiv zuzuwenden. Da haben Sie sicherlich vieles versäumt. Sie haben die Rahmenbedingungen nicht hinterlassen, auf denen jetzt das gewachsen ist, was jetzt so erfolgreich läuft.

Dann haben Sie von Protokollen gesprochen. Ich habe einmal nachgelesen, Herr Schultheis,

(Karl Schultheis [SPD]: Legendenbildung!)

was vonseiten der Opposition vergangener Zeit alles versucht worden ist, um in NordrheinWestfalen rechtzeitig eine neue Situation zu schaffen, damit es schneller besser wird.

Wir haben zum Beispiel am 22. November 1995 einen Antrag zur Neuordnung des Hochschulzugangs gestellt. Abgelehnt! Weggestimmt! 1996 wollten wir den Hochschulstandort für den Wettbewerb in Europa fixieren und besserstellen. Abgelehnt! Weggestimmt! Den Unternehmergeist wollten wir gefördert sehen. Ein Gründungsmanagement wollten wir entwickeln. Eine neue Kultur der Selbstständigkeit an den Hochschulen wollten wir sehen. Das war 1997. Weggestimmt! Sie haben sich immer wieder in den alten Gleisen bewegt nach dem Motto „Weiter so!“ Sie haben nichts davon aufgenommen.

Dadurch haben Sie uns ein Hochschulsystem hinterlassen, das natürlich jetzt von uns befruchtet werden muss. Deswegen haben wir auch für solche Exzellenzinitiativen eine wirklich schlechtere Ausgangsposition als andere Länder im bundesweiten Vergleich.

Privates Geld für unsere Hochschulen wollten wir genutzt sehen. Stiftungsmodelle wollten wir eingerichtet sehen. All das hat Sie weiter nicht interessiert.

Last but not least will ich zitieren, was der wirklich exzellente Forscher und Hochschullehrer Prof. Erichsen als Vorsitzender des Expertenrats Ihrer Politik 1999 ins Stammbuch geschrieben hat. Er hat nämlich gesagt, dass er ein solch kühles und von Misstrauen geprägtes Klima wie zwischen einem Ministerium – gemeint war das Wissenschaftsministerium Ihrer Zeit – und den Hochschulen wie in NRW in keinem anderen Bundesland vorgefunden hat. Das war die rote Karte für Ihre Politik.

Damit ist nun Schluss. Mit Misstrauen ist Ende. Es gibt ein so hervorragendes Klima zwischen Ministerium und Hochschullandschaft, wie wir es vorher nie hatten.

Deswegen, meine Damen und Herren: Lassen Sie die Mäkelei! Machen Sie einfach mit! Ich hoffe, Sie sind dazu imstande.

Wir gucken nach vorne. Wir starten durch. Wir machen weiter. Wir kämpfen. Die Hochschulen stehen im Wettbewerb. Manche werden es langsamer schaffen, manche schneller. Das ist gelegentlich auch abhängig von handelnden Personen, aber auch von Standortbedingungen. Die ehemaligen Gesamthochschulen im Ruhrgebiet haben durchaus ihre Probleme. Sie haben einen

schlechteren Ausgangspunkt – die Gesamthochschulen, die Sie nachher einfach haben fallen lassen. Hier muss natürlich im Ruhrgebiet nachgelegt werden.

Damit komme ich zu Bochum. Es wurde ja eben deutlich angesprochen: Bochum ist kein Verlierer. Bochum ist genauso Gewinner wie die anderen eben zitierten Hochschulen. Sie waren keine Gesamthochschulen. Sie mussten sich im Wettbewerb ganz anders positionieren.

Wir begrüßen sehr herzlich – das ist mir auch immer eine Herzensangelegenheit gewesen – die Universitätsallianz Metropole Ruhr, in der sich die Unis Duisburg, Bochum und Dortmund zusammengefunden haben, um die Ruhrgebietshochschullandschaft weiterzuentwickeln mit dem Ziel, als Einheit wahrgenommen zu werden in der Vielfalt dessen, was sie anbieten.

(Zurufe von Marc Jan Eumann [SPD] und Karl Schultheis [SPD])

Das war immer eine Vorstellung, die ich nach vorne getragen habe.