Protocol of the Session on October 25, 2007

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Doch, doch!)

Er hat gefragt, ob ich bereit bin, zuzugeben, dass …

Na gut, dann ist das so.

Lieber Kollege Priggen, ich habe die beiden Reden der Kanzlerin, die sie in Japan gehalten hat, genau nachgelesen. Und das, was ich hier vorgetragen habe, ist das, was sie in der Rede gesagt hat. Sie hingegen zitieren lediglich aus einem Interview aus dem „Stern“ oder aus „Die Zeit“.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: „Zeit“!)

Das ist sehr verkürzt und stellt den Sinnzusammenhang nicht dar.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das wird aber autorisiert sein!)

Ich habe den Originaltext gelesen und Ihnen das vorgetragen, was die Kanzlerin tatsächlich ausführlich gesagt und wie sie es dem japanischen Ministerpräsidenten erklärt hat. Das habe ich jetzt hier auch versucht. Die Strategie ist sicherlich richtig. Aber kommen Sie uns nicht mit so einem Zitat! Sonst verlangen wir, dass wir über den Schutz des Lebens einmal diskutieren, und legen

Ihnen dann ein Zitat aus der Bibel vor und sagen: Dem müsst ihr jetzt zustimmen! – Das wollen wir uns doch wechselseitig nicht antun.

Die Strategie, die die Kanzlerin hier betreibt, ist richtig. Sie wird auch von der Landesregierung voll akzeptiert. Aber einzelne Zitate – das sind wirklich Mätzchen; das tut man sich vor dem Hintergrund des Ernstes des Diskussionsgegenstandes nicht an. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Jetzt spricht für die SPDFraktion der Kollege Leuchtenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es geht hier gar nicht um Moral, Herr Weisbrich, sondern es geht um eine politische Aussage. Es ist eindeutig eine politische Aussage, ein Ziel, das Frau Merkel festgelegt hat.

Fünf Minuten sind eigentlich zu kurz, um diesem Thema wirklich gerecht zu werden. Die Bundeskanzlerin hat mit ihrem Beitrag eine große, vielleicht sogar die größte Herausforderung angesprochen, die wir politisch zu beantworten haben: die Herausforderung, das Weltklima zu schützen und den Planeten Erde langfristig bewohnbar zu halten.

Im „Zeit“-Interview beantwortete die Kanzlerin drei zentrale Fragen.

Erstens: Welche Rechte stehen den Menschen in verschiedenen Kontinenten zu?

Zweitens: Könnten wir erfolgreich Politik betreiben, wenn die Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt unterschiedlich viele Verschmutzungsrechte eingeräumt bekämen?

Drittens: Welche Folgen hätte das für uns, wenn wir Deutsche mehr Emissionsrechte beanspruchen, als wir anderen Menschen zugestehen?

Mit diesen Themen hat sie sich auseinandergesetzt und sie beantwortet.

Im vorliegenden Eilantrag ist die Antwort auf die erste Frage zu Recht hervorgehoben. Dieser Antwort ist uneingeschränkt zuzustimmen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist richtig: „Kein Mensch hat per se das Recht, dem Klima mehr Schaden zuzufügen als andere.“ Eine ausführliche Debatte über die ethische Dimension dieser Aussage ist aber aus Zeitgründen heute hier nicht möglich.

Ich möchte kurz zwei praktische Aspekte erwähnen, die im Interview ebenfalls zutreffend angesprochen wurden.

Erstens: Können wir eine Politik betreiben, die Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt unterschiedlich viele Verschmutzungsrechte einräumen?

Die Antwort zu dieser Frage ist eindeutig: Nein. Globale Klimaschutzziele werden wir nur vereinbaren können, wenn wir den Menschen in China und Indien bereits heute zusagen, dass wir uns auf lange Sicht auf weltweit vergleichbare Werte zubewegen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Auf lange Sicht!)

Aber lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass gerade die Vergleichbarkeit ein mehr als schwierig zu lösendes Problem sein wird. Wer bekommt die Emissionen angerechnet? Derjenige, der das Auto in Deutschland oder in China produziert, oder derjenige, der es in Luxemburg fährt? Der einzige Weg, aufstrebende Länder wie China und Indien und die Entwicklungsländer überhaupt beim Klimaschutz mitzunehmen, wird sein, vergleichbare Werte zu schaffen. Wir müssen diese Länder mitnehmen, denn ohne diese Länder ist das 2-Grad-Ziel nicht zu erreichen.

Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss: Wer glaubt, dass es im Klimaschutz Privilegien für Menschen in Deutschland gibt, verabschiedet sich damit unmittelbar von den weltweiten Klimaschutzzielen. Auch dies ist ein politisches Ergebnis aus Heiligendamm.

Zweitens: Welche Folgen hätte es für uns, wenn wir Deutsche mehr Emissionsrechte beanspruchen, als wir anderen Menschen zugestehen?

Eine Politik gegen engagierte internationale Klimaschutzziele würde uns gleich dreifach treffen. Die Folgen und Kosten eines rasanten Klimawandels treffen uns ganz unmittelbar, wie Kyrill uns gezeigt hat. Unsere Wettbewerbsfähigkeit in den klassischen Märkten wäre gefährdet, wenn nicht langfristig weltweit gleiche und hohe Standards zum Beispiel für die Produktion von Stahl gelten würden. Weiter würden unsere Zukunftschancen im Export von Umwelt- und Effizienztechnologien verbaut werden. Diese sind heute eine Stütze des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Die Aussagen im Interview sind richtig. Deshalb werden wir dem Antrag zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Leuchtenberg. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man diesen MerkelAusspruch für sich nimmt – dazu ist schon viel gesagt worden –, ist sinnfällig, was der Kollege Weisbrich dazu gesagt hat. Das kann ich nur unterstützen. „Du sollst nicht töten“ ist auch eine Aussage, der wir nur zustimmen können. So können wir aber meiner Meinung nach nicht mit dem Thema umgehen. Gleichwohl: Beim Kollegen Priggen ist es ja nach seinem Weltbild folgerichtig, das so zu nehmen. Das muss ich einfach für mich akzeptieren. Ich komme aber gleich noch dazu, ob das wirklich so richtig ist.

Meine Damen und Herren, dieses politische Dogma, das jetzt hier im Raume steht, müsste eigentlich vor Ort umgesetzt werden. Dann muss derjenige, der das Dogma verbreitet, in Vorbildfunktion so handeln. Ich habe Umweltminister Gabriel, der das ja umzusetzen hätte, noch nicht mit dem Fahrrad täglich zum Dienst fahren sehen. Das wäre dann auch so ein Bild, das man hier darstellen müsste. Also ist das mit der Glaubwürdigkeit so eine Sache. Das wird hier nicht so deutlich.

Wenn die Bundeskanzlerin dieses dann wirklich in der vom Kollegen Priggen dargestellten dogmatischen Situation so gemeint hätte, dann hätte sie ja auch sagen müssen: Wie sieht es dann mit der Gerechtigkeit und mit der Umsetzung aus? Kann es denn richtig sein? Wie gehen wir damit um, dass ein Großteil der CO2-Reduzierungen in Europa auf Großbritannien und Deutschland entfällt und alle anderen sich dahinter verstecken?

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Priggen?

Selbstverständlich.

Herr Ellerbrock, schönen Dank für die Gelegenheit zur Frage. – Sie haben eben das Beispiel mit Herrn Gabriel und dem Fahrradfahren gebracht. Wenn die Bundeskanzlerin richtig erkennt, wir müssen auf einen einheitlichen Wert kommen, dann würde ich nie erwarten, dass sie mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Das ist völlig absurd. Sie soll fliegen, sie soll mit dem Dienstwagen fahren, sie soll ihren Job gut machen. Also müssen wir uns doch nicht auf so einem Niveau unterhalten, als wenn wir Leuten so etwas unterstellen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Kollege Priggen, ich will doch damit nur einfach deutlich machen: Wenn ich so ein Dogma in den Raum stelle, dann muss ich auch sagen, wie ich damit umgehen will. Ich muss irgendwie zeigen, wie ich dann handle. Dann habe ich eine eigene Vorbildfunktion. Das will ich als Bild genauso in den Raum stellen.

Ich habe eben gefragt, welche Probleme damit verbunden sind: Wir stellen fest, in Europa gibt es Reduzierungen. Das realisieren Deutschland und Großbritannien. Alle anderen verstecken sich. Das ist die eine Sache.

Wie sollen wir innerhalb unserer industrialisierten Welt noch größere Vorleistungen in einer globalisierten und im Wettbewerb stehenden Wirtschaft erbringen? Ist das „Weiter so!“ richtig? Wie erreichen wir es, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer ihren berechtigten Aufholprozess weniger CO2-intensiv hinbekommen als wir? Welche Chancen haben wir und welche Instrumente brauchen wir, um dies zu steuern?

Ich will gar nicht verhehlen, dass ich den anthropogenen Einfluss auf diese Klimaänderung anders sehe als Sie. Das ist aber eine ganz andere Sache. Ich glaube, Kollege Priggen meint es von seinem Weltbild her so. Jetzt muss ich aber einen Antrag vorlesen:

„Alle Staaten dieser Welt sind aufgerufen, ihren Beitrag zum internationalen Klimaschutz zu leisten. Die globale Umweltsituation fordert entschlossenes Handeln der internationalen Staatengemeinschaft. Nur wenn wir heute handeln, werden die nachfolgenden Generationen akzeptable Lebensräume vorfinden.“

Dieser Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag wurde von der Fraktion der Grünen im Mai abgelehnt.

„Mit Blick auf die Zukunft des Kioto-Protokolls und die Zeit der internationalen Klimapolitik nach 2012 ist von entscheidender Bedeutung, dass der mit dem Kioto-Protokoll begonnene Prozess auf internationaler Ebene in Gang gehalten wird und dass weitere Länder – insbesondere die USA – dazu bewogen werden, einem neuen globalen Abkommen beizutreten.“

Auch das ist ein Antrag der FDP. Er wurde von den Grünen im Deutschen Bundestag abgelehnt.

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, Partnerschaften zwischen G8Staaten und geeigneten Entwicklungs- und

Schwellenländern zur Schaffung von Modellländern anzuregen, um die Potenziale einer breiten und dem jeweiligen Land angepassten Anwendung erneuerbarer Energien für den globalen Einsatz zu demonstrieren.“

Dieser Antrag der FDP wurde von den Grünen im Deutschen Bundestag abgelehnt.