Protocol of the Session on October 25, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 72. Sitzung des Landtags von NordrheinWestfalen und heiße Sie herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Besucherinnen und Besuchern auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 22 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Auch heute haben wir ein Geburtstagskind unter uns. Ihren Geburtstag feiert heute Frau Carina Gödecke, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Frau Gödecke, herzlichen Glückwunsch auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung gibt es eine Wortmeldung des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU zur Geschäftsordnung. Bitte schön, Herr Biesenbach.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen den Vorschlag der Präsidentin für die heutige Tagesordnung erhalten. Dort ist unter Punkt 2 eine Aktuelle Stunde vorgesehen, die gestern durch die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen beantragt worden ist. Seitens der Koalitionsfraktionen stelle ich den Antrag, diesen Punkt als letzten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Feige! Haben Sie Angst vor der Pres- se? – Weitere Zurufe von SPD und GRÜ- NEN)

und alle anderen folgenden Punkte nach oben aufrücken zu lassen. Unser Antrag besteht also darin, Tagesordnungspunkt 1 zu belassen, die Aktuelle Stunde am Ende der heutigen Tagesordnung zu platzieren und alle anderen Tagesordnungspunkte hochzuziehen.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD)

Danke schön, Herr Biesenbach. – Frau Gödecke hat das Wort zu einer Gegenrede. Anschließend folgt Herr Remmel.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Frau Gödecke hat das Wort.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Frau Präsidentin! Dieser Antrag zur Änderung der Tagesordnung trifft uns nicht völlig unvorbereitet. Das hat sich gestern, nachdem geschäftsordnungsgemäß aus der Fragestunde heraus eine Aktuelle Stunde beantragt und durch den amtierenden Sitzungspräsidenten genehmigt wurde, abgezeichnet.

Für meine Fraktion und für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sage ich, dass wir das ganze Verfahren für befremdlich halten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Natürlich steht es Ihnen zu, heute die Geschäftsordnungsregelung zur Änderung der Tagesordnung anzuwenden. Das ist keine Frage. Aber unsere Fraktion hält den Vorschlag der Präsidentin für sachgerecht und für gerechtfertigt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn bis Montagnachmittag gab es für den heutigen Tag einen Platz in der Tagesordnung für eine Aktuelle Stunde. Dieser Platz war der Tagesordnungspunkt 2. Wir haben im Landtag von Nordrhein-Westfalen neben der Geschäftsordnung und der Verfassung gute Regelungen, gute Traditionen, gute Geflogenheiten des Umgangs miteinander und Geflogenheiten, wie wir Tagesordnungen und damit Abläufe von Plenarsitzungen gestalten. Danach sind Aktuelle Stunden immer vorne auf der Tagesordnung,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und zwar völlig unabhängig von der Frage, wann sie beantragt wurden und unter welchen aktuellen Ereignissen sie zustande gekommen sind.

Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie sind die stärkste und größte Fraktion in diesem Hause und haben damit eine Verantwortung, die weit über diese Tagesordnung und diesen Tag hinausgeht. Ich appelliere eindringlich an Sie, sich dieser Verantwortung bewusst zu werden und von diesem Geschäftsordnungsantrag Abstand zu nehmen.

Ich bitte Sie auch eindringlich, sich klar zu machen, was Sie damit hier und heute beantragen. Es geht nicht nur um die Tagesordnung, sondern um die Demonstration von Macht, weil Sie sich geärgert haben, dass wir gestern ein verbrieftes Recht wahrgenommen haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deshalb unterstütze ich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich die Entscheidung der Präsidentin, die Aktuelle Stunde als Tagesordnungspunkt 2 zu behandeln. Ich bitte Sie: Nehmen Sie die Verantwortung, die Sie haben, wahr, und machen Sie nicht das, was Sie heute hier versuchen. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Gödecke. – Herr Remmel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich möchte ich an dieser Stelle die Gegenrede zu dem Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Biesenbach halten, den er im Namen der Koalitionsfraktionen gestellt hat.

Ich halte es für einen außerordentlich gewichtigen Vorgang, dass heute per Geschäftsordnung über den Platz der Aktuellen Stunde in der Tagesordnung entschieden werden soll, nachdem die Präsidentin die Tagesordnung festgelegt hatte.

Ich will das darlegen. Aus mehrerlei Gründen – so glaube ich – ist das parlamentarische Selbstverständnis an der Stelle mehrfach betroffen, und zwar in Bezug auf unseren Umgang miteinander, in Bezug auf unser Verhältnis zur Landesregierung und in Bezug auf die Öffentlichkeit. Lassen Sie mich das bitte kurz darlegen.

Was sagt die Geschäftsordnung zur Aktuellen Stunde? In der Geschäftsordnung steht, dass Aktuelle Stunden dann stattfinden, wenn es sich um aktuelle Fragen der Landespolitik handelt und wenn es ein dringendes öffentliches und parlamentarisches Interesse gibt.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Weitere Zurufe)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses dringende öffentliche Interesse wird aber nicht mit Mehrheit festgestellt,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

sondern es gibt im Umgang zwischen Mehrheit und Minderheit den Common Sense, dass die Beantragung einer Aktuellen Stunde jeweils dem einen oder anderen Teil des Hauses überlassen bleibt. Die geübte Praxis ist, dass Aktuelle Stunden am Beginn einer Tagesordnung stattfinden und nicht am Ende.

(Zurufe von der CDU)

Wenn es also zukünftig so sein sollte, dass Mehrheiten in diesem Hause über die Wertigkeit von

Aktuellen Stunden entscheiden, hat das gravierende Auswirkungen auf das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit, auf den Umgang miteinander, auf das parlamentarische Klima, und es öffnet zukünftigen Entscheidungen über Aktuelle Stunden Tür und Tor. Das kann nicht im Interesse der Mehrheit und auch nicht im Interesse der Minderheit in diesem Hause liegen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Zweitens berührt das die Frage des Selbstverständnisses im Umgang mit der Landesregierung. Es handelt sich bei der Landesregierung um die zweite Gewalt. Der Landtag ist die erste Gewalt im Staat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn die Landesregierung während eines laufenden parlamentarischen Verfahrens – das ist kein Einzelfall – eigene Öffentlichkeitskampagnen und Inszenierungen gestaltet, wenn die Öffentlichkeit an bestimmten Stellen getäuscht wird, muss das im Landtag an prominenter Stelle behandelt werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Wider- spruch und Zurufe von der CDU: Oh!)

Diese Art der Inszenierung nimmt nämlich auf die freie Willensbildung der Abgeordneten Einfluss, und die ist durch die Verfassung garantiert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Drittens ist es einfach an der Tagesordnung, nach dieser Strecke der Inszenierung, der Täuschung, des Wegduckens im Hauptausschuss und der gestrigen Nichtanwesenheit zur Beantwortung der Frage hier und heute und an prominenter Stelle auch die Öffentlichkeit zu unterrichten und diese ganze Inszenierung zu beenden. Helfen Sie dabei mit! – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Remmel. – Herr Biesenbach.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen hören wir hier hehre Worte. Frau Gödecke, lassen Sie uns mit dem beginnen, wo wir Ihnen zustimmen, nämlich dass wir die größte Fraktion sind. Wir werden alles dafür tun, damit wir das auch bleiben.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Herr Eumann, vielleicht hören Sie einfach erst mal zu, denn dann können wir auch eine Basis finden, auf der wir uns unterhalten können.