Protocol of the Session on October 24, 2007

Und der ist bekanntlich weder stabil noch verlässlich.

Was hat uns Jürgen Rüttgers nicht alles versprochen? Es würde den Rahmen des Plenartages sprengen, wenn ich die Rubrik „versprochen – gebrochen“ hier allumfassend nennen würde.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, bei den Kindern und Familien tut es besonders weh, wenn ein Ministerpräsident nicht das einhält, was er verspricht. Er wollte Nordrhein-Westfalen zum familienfreundlichsten Land machen. Er wollte die Eltern entlasten, die Qualität der Erziehung, Bildung und Betreuung bei den Kleinsten verbessern. Er hat vor der Wahl alles allen versprochen. Und nun, wo er die Möglichkeiten hat: Was passiert heute? Das genaue Gegenteil!

(Zustimmung von der SPD – Manfred Kuh- michel [CDU]: So ein Quatsch!)

Eltern werden durchweg mehr belastet, die Qualität von Bildung, Erziehung und Betreuung droht gravierend zu sinken. Die Kindereinrichtungen werden Marktmechanismen ausgesetzt. Die Erzieherinnen und Erzieher werden zusätzlich enorm belastet. Der Stimmungsgrad, meine sehr verehrten Damen und Herren, in unseren Kindereinrichtungen ist weit im Minusbereich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist eine Katastrophe, weil Jürgen Rüttgers den Kindern eine bessere Bildung und Erziehung in unseren Einrichtungen nimmt. Herr Rüttgers ist für dieses Kinderverwahr- und Spargesetz letztendlich verantwortlich. Das wollte ich zu Beginn meiner Ausführungen deutlich hervorheben. Er hat die Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die peinliche Krönung seiner Arbeit ist aus meiner Sicht, dass Jürgen Rüttgers im kinder- und familienpolitischen Bereich derart inkompetent ist, dass er selbst die spontanen Fragen von kleinen Kindern fürchtet

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und seine Mitarbeiter vorformulierte Fragen von Kindern auf Veranstaltungen vortragen lassen, zu einem Preis, wie man hört, von 100 €. Herr Ministerpräsident, Ihr Niveau ist unterirdisch.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Ihre Rede ist unterirdisch!)

Mit diesem Verwahr- und Spargesetz bekommt Nordrhein-Westfalen das wohl europaweit schlechteste Kindergartengesetz. Denn überall in Europa versuchen die Regierungen die Rahmenbedingungen zu Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zu verbessern. Diese Regierungen haben erkannt, dass vernünftige Rahmenbedingungen in den Kindereinrichtungen unmittelbar mit einer später guten und von uns allen gewünschten Bildungsbiografie zusammenhängen.

Nur in Nordrhein-Westfalen wird das genaue Gegenteil organisiert. Hier ist die schwarz-gelbe Landesregierung in einem ideologischen Nebel gefangen, der ihr die klare Sicht auf die Vergleichswerte der unterschiedlichsten Untersuchungen in Europa nimmt.

PISA ist nur eine von vielen Studien, die zeigt: Wir brauchen ernsthafte Reformen im Bildungsbereich, und zwar von Anfang an. Und diese Landesregierung ist leider nicht in der Lage, das Nötigste hierbei zu tun – weder bei den Kindereinrichtungen noch in den Schulen.

Wir werden mit diesem Gesetz europaweit von einer modernen, kindgerechten Politik abgehängt. Aber wie bereits gesagt, der ideologische Nebel hat von vornherein dazu geführt, dass es bei der Regierung keinen Zugang zu den Erkenntnislagen im Elementarbereich gibt.

Von Anfang an blockte der Minister ab. Im gesamten Verfahren sprach er nicht mit den Erzieherinnen und Erziehern, er sprach nicht mit den Eltern, er sprach auch nicht mit den Professoren oder ebenso nicht mit den Experten, die im breiten Feld der frühkindlichen Pädagogik unterwegs sind.

Er sprach ausnahmslos mit den Vertretern der Spitzenverbände und den Vertretern der Kommunen und Gemeinden.

(Minister Armin Laschet: Was haben Sie ge- gen die Spitzenverbände?)

Denn Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, ging es ausschließlich ums Geld. Wenn das nicht so wäre, Herr Laschet, dann wären sie anders vorgegangen. Das liegt auf der Hand; denn dann hätten Sie sich erst einmal angehört, was nötig und richtig ist. Aber das war nicht Ihr Anliegen.

Sie wollten sich als Minister profilieren, der mal eben eine hochkomplexe und für die Entwicklung unserer Gesellschaft sehr zentrale Gesetzgebung domptiert und dabei die Ansprüche von Eltern und Erzieherinnen in Schach hält. Sie wollten es allen zeigen.

Ich habe selten gesehen, sehr geehrter Herr Minister, dass jemand mit so hohen eigenen Ansprüchen die Ausgangslage derart verrudert. Das war schon ein Meisterstück.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Fachlich sind Sie im ideologischen Nebel isoliert, und Sie haben sämtliches Vertrauen verspielt: bei allen Verbänden, bei allen Eltern und bei den Mitarbeitern in den Einrichtungen. Sie stehen blank und allein da.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Selbst die Kollegen aus Ihrer Fraktion und Ihrer Partei üben heftigste Kritik. Wir können das heute in den Medien genau verfolgen.

Die Geschichte dieser Gesetzgebung, Herr Minister, ist die Geschichte Ihres Versagens.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Erst durch die massivsten Proteste von Eltern und den Mitarbeitern in den Einrichtungen haben Sie sich überhaupt zu den kleinsten Zugeständnissen hinreißen lassen. Ohne diese Proteste hätten Sie

sich keinen Millimeter bewegt. Diese Zugeständnisse sind nicht aus freiwilligem Antrieb gekommen, sondern sie wurden ihnen durch die Massenproteste aufoktroyiert. Deshalb möchte ich mich herzlich bei allen bedanken, die mit sehr viel ehrenamtlichem Engagement, das wir doch alle fördern wollen, Herr Minister, diesen Widerstand organisiert haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ohne sie und ihren Protest wäre es noch schlimmer gekommen. Ich rufe ihnen zu, wo immer sie gerade sind: Machen Sie weiter! Organisieren Sie sich vor Ort, und beraten Sie gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen die Verwerfungen, die mit diesem Verwahr- und Spargesetz auf uns zukommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich habe mir vorgenommen, den von Ihnen, Herr Laschet, gewählten Namen dieses Gesetzes nicht mehr zu nennen. Denn schon die Namensgebung führt die Eltern und die Bevölkerung insgesamt an der Nase herum. In diesem Verwahr- und Spargesetz ist kein einziger substanzieller Satz zum Thema Bildung.

(Zuruf von der CDU: Hoppla!)

Die wenigen Wischiwaschi-Formulierungen sind wohl zur Besänftigung der Kolleginnen und Kollegen – da meldet sich gerade einer – der Regierungskoalition gedacht, um deren Kopf herum sich der bereits erwähnte ideologische Nebel wenigstens hin und wieder mal lichtet.

Fazit: Erstens. Jürgen Rüttger hat wie immer viel versprochen und nichts gehalten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Kinder liegen ihm nicht am Herzen; sonst hätte er dieses Gesetz verhindert.

Zweitens. Die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen werden für die Mitarbeiter, aber vor allem für unsere Kinder gravierend schlechter.

Drittens. Alle Ansprüche an eine moderne und kindgerechte Bildung, Erziehung und Beratung werden bei Weitem nicht erfüllt.

Sehr verehrte Damen und Herren, mein letzter Satz soll ein Zitat einer Erzieherin sein, sehr geehrter Herr Minister: Dieses Gesetz wirft uns 30 Jahre zurück. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Herr Abgeordnete Lindner das Wort.

(Sören Link [SPD]: Dürfen Betroffene auch reden?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Dieses Kinderbildungsgesetz ist überfällig.

(Lachen von der SPD – Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Es ist erstens überfällig, weil die Bedeutung der frühen Kindheit für das lebenslange Lernen gestiegen ist, weil wir eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem Elementarbereich und der Grundschule brauchen, weil wir angesichts von 38 % Zuwandererkindern in jedem Jahrgang mehr Sprachförderung brauchen, weil wir Kindertageseinrichtungen stärker für die Bedürfnisse der Eltern öffnen müssen – Stichwort: Familienzentren.

Dieses Kinderbildungsgesetz ist zweitens überfällig, weil Nordrhein-Westfalen mit einer Bedarfsdeckungsquote von 2,8 % bei den unter Dreijährigen nicht länger das Schlusslicht in Deutschland bleiben durfte.

(Beifall von FDP und CDU)