Protocol of the Session on September 20, 2007

Bildungsziele und -standards sind die Referenz und nicht das gegliederte Schulsystem aus der Mottenkiste der ständischen Gesellschaft.

Angesichts der aktuellen OECD-Studie sind Ihre Scheuklappen in dieser Frage in der Tat ein Bildungsarmutszeugnis erster Güte. Dabei hat es selbst die „BILD-Zeitung“ geschnallt und analysiert glasklar im gestrigen „BILD-Kommentar“ online: „Dumm sein ist keine Schande – dumm bleiben schon!“

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

„BILD“ fragt angesichts der Tatsache, dass wir im internationalen Vergleich immer weiter zurückfallen:

„Wie viele Studien brauchen wir denn noch?

Bis die Experten in Bund und Ländern endlich begreifen, dass der Anteil der Abiturienten in Deutschland zu niedrig ist. Dass wir zu wenige Studenten an den Unis haben. Und dass es eben Unfug ist, 10-Jährige nach der vierten Klasse zu sortieren – die guten zum Gymnasium, die schlechten lernen schon mal für Hartz IV.

In Europa haben das alle begriffen – nur wir nicht!“

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich sage: In diesem Parlament haben es endlich viele begriffen, nur Sie nicht!

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Wider- spruch von CDU und FDP)

Jetzt verlieren Sie mit der „BILD-Zeitung“ auch noch die Lufthoheit über die Stammtische. Richten Sie also bitte die Ausbildung zukunftsorientiert aus und nicht nach dem ständischen Gesellschaftsmodell der Ururgroßeltern!

Besonders sollte für die Lehramtsstudierenden gelten: Sie wissen, was sie tun. Deshalb ist es für uns wichtig, Berufseingangsfilter zu setzen, Selbstevaluationsinstrumente einzuführen und die Ausbildung mit einer vernünftigen Praxis zu verzahnen. Wir möchten an dieser Stelle die Idee der Ausbildungsschulen hineinbringen, die mit Ressourcen ausgestattet sind, denn es reicht nicht, die zukünftigen Studierenden einfach ein zehnwöchiges Eingangspraktikum ohne Begleitung absolvieren zu lassen. Die Schulen brauchen die entsprechenden Ressourcen, damit das überhaupt gelingen kann.

Wenn wir also über eine Lehrerausbildung sprechen, muss uns zweierlei sehr bewusst sein: Eine solche Reform braucht Sorgfalt und Zeit für eine ausführliche Diskussion, ohne zu verharren.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Wir werden uns in diese Diskussion intensiv einbringen und sie vor allen Dingen mit allen Beteiligten und Betroffenen in den Schulen führen und die Ergebnisse daraus in den Prozess einspeisen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ralf Witzel [FDP]: Dann können wir ja beruhigt sein!)

Danke schön, Frau Beer. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Sommer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beame mich auch hoch und warte, bis der Rauch verflogen ist; es ist aber kein Weihrauch.

(Beifall von FDP und Manfred Kuhmichel [CDU])

„Überfällig“ – „Neue Westfälische“, „Längst überfällig“ – „WAZ“, „Endlich praxisnah“ – „Westfäli

sche Rundschau“, „Der richtige Ansatz“ – „Neue Rhein-Zeitung“: So lauten die Überschriften der Zeitungen am 12. September 2007, nachdem mein Kollege, Minister Pinkwart, und ich die neuen Eckpunkte zur Lehrerausbildung vorgestellt hatten. Endlich eine Reform der Lehrerausbildung! Eine richtige Reform ist nach Jahrzehnten des Stillstands dringend nötig.

Denn eine Lehre, die Bildungswissenschaftler aus den Ergebnissen der PISA-Studie gezogen haben, lautet: Leistungen von Schülerinnen und Schüler lassen sich nicht durch Debatten über das Schulsystem verbessern, sondern nur durch guten Unterricht.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir wollen unser gegliedertes Schulsystem stärken, indem wir die Lehrerausbildung grundlegend verbessern und den Praxisbezug deutlich erweitern. Wir stehen mit unserer Meinung nicht allein. Selbst die GEW, die nicht gerade den Ruf hat, der Regierungskoalition besonders nahezustehen, bezeichnet unser Ausbildungsmodell als bundesweit zukunftsweisend.

(Zuruf von der SPD: Zitieren Sie doch einmal den Philologenverband!)

Der VBE stellt fest, dass nun endlich auch der Lehrerberuf aufgewertet werde. Auch aus den Hochschulen bekommen wir positive Rückmeldungen. Wir werden künftig den Praxisschock vermeiden, indem wir schon vor und während des Studiums die unmittelbare Praxisnähe stärken. Das wird sich auch in den Studiengängen niederschlagen.

Wir reden nicht von einer halbherzigen Reform der Lehrerausbildung, wie sie zuletzt 2002 durch die alte Landesregierung durchgeführt wurde. Wir wollen kein Durcheinander, Herr Prof. Bovermann, von Stufenlehrer, Schulformlehrer und Modellversuchen.

(Beifall von der CDU)

Wir sprechen von Qualitätsentwicklung und fühlen uns durch die positive Resonanz bestätigt.

Wenn man sich die Presseartikel, die ich eben zitiert habe, und Ihre Pressemitteilung, sehr geehrte Frau Schäfer, ansieht, dann kann ich nur sagen: Sie haben jeglichen Anspruch verloren, bildungspolitische Weichen zu stellen.

(Beifall von CDU und FDP – Bodo Wißen [SPD]: Wenn Sie so etwas sagen, dann ist das nicht so schlimm! – Prof. Dr. Gerd Bol- lermann [SPD]: Wenn Sie das sagen, dann ist das ein Kompliment!)

Wie eng denkt man, Frau Schäfer, wenn man als erste Reaktion nur darauf achtet, ob die Vorschläge der Expertenkommission 1:1 umgesetzt worden sind? Wie wenig Ideenkraft muss man haben, wenn man sich nicht vorstellen kann, dass eine reformierte und mehr praxisbezogene Lehrerausbildung zu einer Verkürzung der zweiten Ausbildungsphase führen kann? Dass ausgerechnet Sie den Sinn und Zweck eines Assistenzpraktikums von Studienbeginn an hinterfragen, ist mir völlig unverständlich.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie waren doch irgendwann auch einmal Lehrerin. Von daher ist Ihnen doch der Unterschied klar, ob man lehrt und vor Schülern steht oder ob man selbst noch Schüler ist und auf den Lehrer wartet. Das ist mir nicht nachvollziehbar.

Sie sprechen im Übrigen auch immer von Berufswahlorientierung. – Hier, an dieser Stelle, ist sie etabliert.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wie wol- len Sie das denn machen? Das ist doch nur eine Worthülse!)

Jetzt, da wir es für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer ermöglichen, reden Sie es schlecht. Das ist klein.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist dafür verantwortlich, dass wir gute Lehrerinnen und Lehrer haben und weiterhin gute Lehrerinnen und Lehrer bekommen. Unsere angehenden Studentinnen und Studenten sollen wissen, wie es in der Schule aussieht und wie es sich anfühlt, in der Lehrerrolle zu sein. Wir können es nicht verantworten, dass angehende Lehrkräfte erst nach dem Staatsexamen die Wirklichkeit des schulischen Alltags als Unterrichtende kennenlernen.

Ihre Sorge, es könnten nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer für bestimmte Fächer ausgebildet werden, wird noch getoppt von dem Vorwurf, wir hätten unser Modell nicht mit der KMK abgestimmt. Ist das alles nicht klein-klein? Ist das nicht alles an den Haaren herbeigezogen?

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD)

Wir sind unseren Lehrerinnen und Lehrern die beste Ausbildung schuldig. Gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sind jetzt und in Zukunft unsere einzige Chance.

Wir wollen die Qualität von Unterricht stetig verbessern. Guter Unterricht ist der Schlüssel zum Bildungserfolg unserer Kinder und Jugendlichen. Keine Einheitsschule, keine Einheitslehrer, keine Gleichmacherei – für uns zählen individuelle Förderung, guter Unterricht und gerechte Bildungschancen. Es gibt, Herr Prof. Bovermann, in dem Zusammenhang auch keinen Gewinner oder Verlierer auf der Regierungsbank. Es gibt nur einen einzigen Gewinner, und das sind unsere Schülerinnen und Schüler. Deswegen gibt es ein neues Schulgesetz. Deswegen gibt es eine neue Lehrerausbildung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Ministerin Sommer. – Für die SPD spricht nun der Kollege Schultheis.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Sommer, ich habe gerade darüber nachgedacht, ob die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung in der Vergangenheit so schlecht gewesen ist. Denn ich stelle fest, dass zwei gestandene Lehrerinnen, Sie und Ihre Vorgängerin, hier das Ministeramt bekleiden bzw. bekleidet haben. So schlecht kann also diese Ausbildung nicht gewesen sein, wenn man sich nicht selbst infrage stellen will. Ich gehe davon aus, dass das niemand möchte.

(Bodo Wißen [SPD]: Mit unterschiedlichen Ergebnissen, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, zu einer abschließenden Bewertung – Aktuelle Stunden dienen ja dazu, eine gewisse Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben – der Absichten der Landesregierung zur Reform der Lehrerausbildung ist es meines Erachtens zu früh. Wir haben in diesem Hause gelernt, was es heißt, wenn diese Regierung Eckpunkte oder Referentenentwürfe vorlegt. Das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz wurde in Eckpunkten eingebracht, und zuletzt gab es ein Konsenspapier zum sogenannten Kinderbildungsgesetz. Das sind beredte Beispiele dafür, was das Papier wert ist, auf dem solche Eckpunkte formuliert werden. Wir werden das sehr genau beobachten.

(Beifall von der SPD)

Bliebe es wirklich bei den Eckpunkten, dann wäre das erfreulich. Das gilt auch für die hochschulrelevanten Empfehlungen. Denn auch hier würden die Vorschläge der Baumert-Kommission weitgehend übernommen werden. Wir würden es daher außerordentlich begrüßen, verzichtete die Lan

desregierung in diesem ganz konkreten Fall auf eigene Vorschläge. Das wäre ein Riesenvorteil für die Schülerinnen und Schüler in unserem Land.

(Beifall von der SPD)