Dann ist das Konnexitätsprinzip eingeführt worden. Jetzt hat die neue Landesregierung das Problem, dass wir diese Frage nicht mehr durch die Kommunen regeln lassen können, ohne ein Riesenproblem mit den kommunalen Spitzenver
bänden zu bekommen. Die Schulmittelfreiheit in der Sozialhilfe war eine kommunale Leistung. Sie muss auch wieder dort hinein. Aber dass wir das nicht mehr schaffen, geht doch auf Ihr Versagen zurück. Das ist doch das Versagen Ihrer Administration gewesen, hierzu falsche Vorschläge in den nordrhein-westfälischen Landtag einzubringen. Bitte werfen Sie das jetzt nicht der neuen Regierung vor.
Sie reden heute genau das Gegenteil dessen, was Sie damals mit Ihrer Mehrheit gemacht haben. Das ist die Wahrheit, die ich bei Ihnen durch die Bank weg feststelle.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Zum hundertsten Mal: Die Wahr- heit ist nicht das, was Sie als Wahrheit sa- gen!)
Vom ersten Tag an, als wir die politische Verantwortung übernahmen, haben wir in unserer Politik eine Linie in allen Bereichen verfolgt: Wir haben die Probleme nicht ignoriert, wir haben sie auch nicht versteckt, sondern wir haben das, was wir festgestellt haben, transparent dargestellt und haben ganz konkrete Lösungsvorschläge gemacht.
Da komme ich ins Ministerium, nachdem Sie 39 Jahre lang die Sozialminister und Arbeitsminister gestellt haben, und stelle fest, dass es in diesem Land 20.000 junge Leute gibt, die weder eine Lehrstelle noch einen Arbeitsplatz haben, die teilweise nicht einmal in die Berufsschule gehen. Unsere Antwort war das Werkstattjahr. Das sind Antworten, um Menschen in Teilhabe zu bringen und aus der Isolation zu führen.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Die Wahrheit ist nicht das, wenn Sie sagen, dass es die Wahrheit ist!)
Sie haben 39 Jahre lang die Bildungsminister gestellt, Sie waren 39 Jahre lang für die frühkindliche Erziehung in diesem Land zuständig. Dann kommen wir an die Regierung und stellen fest, dass es nur für drei von hundert Kindern, die geboren werden, einen Kinderplatz gibt, obwohl Ihr Sozialbericht das Problem der Alleinerziehenden schon vor fünf oder sechs Jahren genauso dargestellt hat. Sie haben damals die Situation der armen Kinder ignoriert. Das ist die Wahrheit.
Außerdem stellen wir fest, dass Kinder aus Migrationshaushalten Teilhabe an Bildung haben sollen. Wir schaffen Schritt für Schritt mehr Ganztagsschulen.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ihre Kollegen ha- ben gegen die Ganztagsschule gewettert! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wer hat denn die Ganztagsschule eingeführt?)
Auch Ihre Sozialberichte haben diese Probleme aufgezeigt. Sie haben sie aber ignoriert. Sie haben nichts entschieden. Sie haben nichts für diese Kinder getan. Das ist die Wahrheit Ihrer Politik in 39 Jahren.
Sie haben Sozialberichte erstellt und haben nicht einmal den Landtag über den Inhalt dieser Sozialberichte informiert, weil Sie ignoriert haben, wie die Lebenschancen der Menschen in NordrheinWestfalen tatsächlich aussehen.
Eines sage ich Ihnen: Dadurch, dass wir mit diesem Problem offen umgehen, dass wir uns die Welt nicht schöner malen, als sie ist,
haben wir dazu beigetragen, dass es jetzt eine breit angelegte Debatte gibt, um die Lebensverhältnisse der Menschen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland zu verbessern. Wir werden auch die entsprechenden Vorschläge machen. Wenn wir Sie dann an unserer Seite haben, vor allen Dingen in der großen Koalition in Berlin, damit wir diese Vorschläge auch umgesetzt bekommen, dann ist es ja gut. Aber Ihre Vorschläge, in
einer Woche alles zu entscheiden, wobei Sie nichts handfest unterlegen, können Sie sich sparen, auch wenn sich diese Debatte vielleicht am Weltkindertag gehört.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Diesen Wortbei- trag hätten Sie sich auch sparen können, weil er zynisch ist, Herr Minister!)
Ich bin es leid, mir in dieser Frage von solchen Pharisäern wie Ihnen Vorhaltungen machen zu lassen. – Schönen Dank.
(Anhaltender Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Eine Unver- schämtheit! – Weitere Zurufe von der SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Laumann und liebe Kollegen von CDU und FDP, ich weiß nicht, ob Sie wirklich gut beraten sind, am Weltkindertag, an dem das Thema Kinderarmut in allen Medien besprochen wird,
so zu tun, als ob Sie alle Antworten auf alle Fragen, die zu dem Thema gestellt werden können, schon hätten. Das ist schon sehr peinlich.
Etwas anderes kann ich Ihnen auch nicht ersparen: Keine der Parteien in diesem Parlament ist unschuldig daran, dass es in diesem Land arme Kinder gibt, dass es Kinder von ArbeitslosengeldII-Empfängern gibt, für die die Regelsätze nicht ausreichen. Keine!
Daran, wie das Arbeitslosengeld II zustande gekommen und wie es berechnet worden ist, sind alle hier beteiligt, Sie auch über den Bundesrat. Die CDU war sogar dafür, dass die Regelsätze noch gesenkt werden.
(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Laumann auch! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Laumann sogar in Berlin!)
Herr Minister Laumann, ich lasse mir ja vieles gefallen. Aber dass Sie mich in dieser Frage Pharisäer nennen, das ist wirklich das Allerletzte.
Der Kollege Garbrecht hat Ihnen heute eine Stellungnahme des Bundesarbeitsministers Franz Müntefering vorgetragen. Ich will das gern noch einmal tun. Dafür legt der Arbeitsminister ein VierPunkte-Programm vor: Schaffung von mehr und fair bezahlter Arbeit, Erhöhung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, Erwerbstätigenzuschuss mit Kinderzuschlag und Sachhilfen gegen Kinderarmut.
Wir haben vor 14 Tagen auf unserer Fraktionsklausur – auch mit Bundespolitikern – über dieses Thema geredet. Letzte Woche im Landesvorstand waren Bundespolitiker anwesend. Wenn Sie also auf Reaktionen von Franz Müntefering warten, dann, glaube ich, ist das heute so eine gewesen. Da haben Sie diese.
Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Jetzt hat für die Fraktion der Grünen Frau Steffens das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die CDU-Fraktion: Ich kann ja nach all den Punkten, denen Sie gestern zustimmen mussten und die Sie wegstecken mussten, verstehen,
dass Sie sich heute bei einem Redebeitrag von Laumann so begeistern können, weil Sie das Gefühl haben, dass wenigstens einer noch ein bisschen inhaltlich Symbole setzt, die Ihren Inhalten vielleicht an der einen oder anderen Stelle entsprechen.
Herr Laumann, es ist auch immer wieder nett zu erleben, wie Sie sich in Rage reden, bis man eigentlich gar nicht mehr so richtig verstehen kann, welche Botschaft Sie uns übermitteln wollen, aber Sie vergessen dabei anscheinend, dass es auch 16 Jahre Helmut Kohl gab.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ah! – Minister Karl-Josef Laumann: Das war eine gute Zeit für Deutschland!)