Natürlich bin ich gut vorbereitet. Ich will Ihnen vorlesen, wie sich mein Vorgänger Steinbrück am 10. September 2002 und auch noch am 18. November 2004 zur Einführung von Studiengebühren geäußert hat: „Ich teile die Auffassung, dass Studiengebühren generell kommen werden. Denkansätze bieten Modelle wie in Australien oder Neu
(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Nicht für das Erststudium! - Hannelore Kraft [SPD]: Er hat über Studiengebühren geredet!)
Oder Ministerpräsident Platzek, der bei Ihnen als einer der neuen Hoffnungsträger für die Zeit nach der Bundestagswahl gehandelt wird, wenn neue Leute gebraucht werden: „In Deutschland sollten Studiengebühren in einem einigermaßen überschaubaren und von gleichen Richtlinien ausgehenden System eingeführt werden.“
Oder Ute Vogt, Sigmar Gabriel, Christoph Matschie, Heiko Maas: Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wollen ein System nachgelagerter Studiengebühren entwickeln. - Aha! Das sind doch die Hoffnungsträger, über die in Ihrer Parteizeitung immer etwas steht.
Wahrscheinlich sehen sie deshalb so alt aus, weil sie noch nicht an der Position sind, wo sie sich der Realität stellen müssen.
Deshalb ist es ungeheuer wichtig, dass die Landesregierung mit diesen Eckpunkten sehr früh ein Modell vorlegt, mit dem - erstens - mit 320 Millionen € netto jährlich die Verbesserung der Studienbedingungen sichergestellt werden kann, welches - zweitens - nachgelagerte Studienbeiträge vorsieht - das heißt: Die Beiträge müssen erst bezahlt werden, wenn der ehemalige Studierende im Job ist und zu den Besserverdienenden gehört -, bei dem - drittens - zwei Drittel der BAföG-Empfänger nicht bezahlen und bei dem es - viertens - noch eine Garantie gibt, dass dem Studierenden die in seinem Studienplan vorgeschriebenen Angebote auch unterbreitet werden. Ich frage mich, was gegen ein solches Modell einzuwenden ist.
Hier ist aus der Koalitionsvereinbarung der Satz zitiert worden, wir wollten die BAföG-Empfänger ausnehmen. - Wenn Sie das ansprechen, habe ich damit überhaupt kein Problem, denn das war das, was wir wollten. Darüber haben wir diskutiert, weil wir in Nordrhein-Westfalen ein System wollen, das keinen abgeschreckt.
den, gehen davon aus, dass alle BAföGEmpfänger natürlich Studiengebühren bezahlen. Wir gehen jetzt einen neuen Weg, den Professor Pinkwart entwickelt hat, weil wir es ganz ernst nehmen mit der These: Jeder soll unabhängig vom Einkommen seiner Eltern hier studieren können.
Wenn wir dann plötzlich bei der Erarbeitung der Eckpunkte in der Gesetzgebungsarbeit feststellen, dass wir erstens ein Problem mit der Gerechtigkeit an der Schnittstelle bekommen und damit viel mehr Leute ins BAföG-System hineinrutschen, und zweitens - mindestens genauso wichtig - Rechtsprobleme auftauchen, …
(Zuruf von der SPD: Vor der Wahl haben Sie das Gegenteil behauptet! - Dr. Axel Horst- mann [SPD]: Versprochen gebrochen! - La- chen von CDU und FDP)
Wenn wir einräumen, dass wir das, was wir politisch wollten, nicht umsetzen können, aber erreichen, dass zwei Drittel der BAföG-Empfänger nicht bezahlen müssen, und das fünf Tage vor der Bundestagswahl und nicht, wie Sie es mit Ihren Studienkonten gemacht haben, nach der Wahl,
dann bin ich stolz darauf, dass diese Regierung und die Koalitionsfraktionen den Mut aufbringen, den Leuten die Wahrheit zu sagen, anstatt sie dauernd hinters Licht zu führen, wie Sie das getan haben.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Als nächster Redner hat für die SPD-Fraktion Kollege Schultheis das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir bisher in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt erlebt haben, ist eine Lehrstunde - Lernstunde will ich es nicht nennen, denn so etwas sollte man nicht lernen - für Demagogen und Rabulisten,
und zwar in verteilten Rollen: Herr Stahl in der lauten Variante, Herr Ministerpräsident mit den leisen Tönen, aber in der Methode gleich und
Herr Ministerpräsident, Sie haben gerade gesagt, man müsse sich den Gegebenheiten anpassen. Wenn etwas nicht ginge, dann ginge es nicht. Aber Sie haben ja ganz bewusst formuliert, dass BAföG-Empfängerinnen und BAföG-Empfänger ausgenommen werden.
Dabei haben Sie sich ja etwas gedacht, warum das so sein soll. Denn Sie werden ja nicht erst in den letzten 14 Tagen erfahren haben, dass die Finanzsituation so ist, wie Sie sie jetzt darstellen.
Im Übrigen darf ich Ihnen sagen, dass wir Sie nicht gezwungen haben, die Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen.
Die Sozialdemokraten - und ich gehe davon aus, auch Bündnis 90/Die Grünen - wären bereit gewesen, diese Verantwortung für Nordrhein-Westfalen im Sinne der Menschen in diesem Land weiter zu schultern.
Nun komme ich zu einigen Vorwürfen und zu Klarstellungen, die einfach notwendig sind, und zwar zunächst zum Nachtragshaushalt. Den habe ich mitgebracht, damit auch alle sehen, was für ein Konvolut das ist.
Darin ist zu lesen, dass 45 Millionen € der Einnahmen aus dem Studienkonten- und -finanzierungsgesetz den Hochschulen zur Verfügung stehen, und zwar zur Verbesserung der Lehre und zur Verkürzung der Studiendauer. Das steht explizit im Nachtragshaushalt, und dieser Nachtragshaushalt gilt. Also jeder, der hier behauptet, dass den Hochschulen diese Mittel nicht zur Verfügung stünden, der lügt in diesem Falle.
Damit verbunden war allerdings eine leistungsbezogene Vergabe im Hinblick auf diese beiden Aspekte Verbesserung der Lehre und Verkürzung der Studiendauer.
(Helmut Stahl [CDU]: Virtuell! Nicht real! - Gegenruf von Gisela Walsken [SPD]: Sag die Haushaltsstellen für den Kollegen zum Nachlesen! Das ist nicht virtuell!)
- Das ist nicht virtuell. Diesen Nachtragshaushalt hat der Landtag so beschlossen, mit diesen Zahlen. Diese Zahlen gelten. Das ist gar keine Frage.
Wenn Herr Stahl über 10.000 € spricht, die ja jeder haben müsste, verkennt er, glaube ich, die soziale Wirklichkeit,
Ihre Steuerpolitik - wenige Tage vor der Bundestagswahl will ich gerne darauf eingehen - wird gerade dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger Geld in der Tasche haben,
das sie für ihre Kinder investieren können. Wie viele Menschen können denn heute einfach über 10.000 € frei verfügen?
Sie wissen auch, dass sich gerade viele junge Menschen heute in der Schuldenfalle befinden. Das beklagen wir alle, aber wir tragen durch solche Maßnahmen wie der Einführung von Studiengebühren hier in Nordrhein-Westfalen dazu bei, die Verschuldung gerade junger Menschen und auch junger Familien in die Höhe zu treiben. Was ist das eigentlich für ein Startkapital, das wir jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Ich hielte es für gerecht, dass jemand, der unter Inanspruchnahme öffentlichen Engagements, mit Hilfe von Steuergeldern, studieren konnte und danach einen Job hat, ordentlich Steuern bezahlt und über seine Arbeit und über einen hohen Steuersatz der Gesellschaft das zurückgibt, was er oder sie vorher aus der Gesellschaft an Unterstützung erfahren hat.