Protocol of the Session on September 19, 2007

Dass Ungewissheit für jedes Unternehmen schlecht ist, müsste sich eigentlich auch bis zu Ihnen herumgesprochen haben. Dass die WestLB derzeit ihren größten Wert verliert, nämlich den immens großen Stamm an international erfahrenen Investmentbankern, die, wie man hört, gerade in Scharen das Haus verlassen, ist Ihnen nach wie vor völlig egal. Was machen Sie? Sie schalten

einen Investmentbanker ein, so als hätten Sie alle Zeit dieser Welt.

Um das an dieser Stelle auch zu sagen: Nicht, dass Sie sich durch externen Finanzsachverstand beraten lassen, ist das Problem, sondern wann und wie Sie das machen.

Seit zwei Jahren tragen Sie Ihren Koalitionsvertrag wie eine Monstranz vor sich her, in dem davon die Rede ist, eine bestmögliche Verwertung des Anteils an der WestLB zu erzielen. Ausgerechnet in dieser großen Krise sind Sie nicht entscheidungsfähig, sondern spielen auf Zeit.

Glauben Sie im Ernst, verehrter Herr Finanzminister und liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dass Ihnen ausgerechnet die CityGroup einen Vorschlag präsentiert, der möglichst viele Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen sichert? Ich glaube, so naiv können nicht einmal Sie sein. Sie haben den Bock zum Gärtner gemacht,

(Beifall von der SPD)

und Sie haben die politische Verantwortung an der Garderobe dieses Investmentbankers abgegeben, nur damit Sie in Ruhe weiter streiten können. Das, was Sie tun, ist planlos, ziellos und letztlich auch verantwortungslos. Diesem Vorwurf müssen Sie sich stellen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Einzig die beiden Sparkassenverbände und in deren Windschatten – sie halten ja eine deutlich kleinere Beteiligung – auch die Landschaftsverbände nehmen derzeit ihre Verantwortung für die Zukunft der WestLB wahr.

Einzig die beiden Sparkassenverbände haben einen tragfähigen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Sie favorisieren nämlich den Zusammenschluss mit der Landesbank Baden-Württemberg – eine Lösung, die zur Bildung der zweitgrößten deutschen Bank führen würde, die natürlich für weitere Partner offen ist und hinter der sich auch mehr als die Hälfte aller deutschen Sparkassen versammeln würde. Das ist doch ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Deswegen sollte man diesen Vorschlag der Sparkassenverbände auch so ernst nehmen.

(Beifall von der SPD)

Es drängt sich die Frage auf, warum Sie vonseiten der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen nicht über diese goldene Brücke gehen, die Ihnen die beiden Sparkassenverbände mit ihrem klugen Beschluss gebaut haben. Wie viel ist hinter den Kulissen gerungen worden, damit Sie nicht

weiter das Gesicht verlieren müssen, wenn Sie auf das eingehen, was die Sparkassenverbände erarbeitet haben!

Warum blockieren Sie weiterhin so hartnäckig eine Lösung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Sektors, die für Nordrhein-Westfalen und für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WestLB so wichtig und so bedeutsam wäre? – Doch nur deswegen, weil sich Ministerpräsident Rüttgers nicht damit abfinden kann, dass die WestLB in einem solchen Konstrukt, in einer solchen Lösung der etwas kleinere Partner wäre.

Wir wissen, dass Sie, Herr Finanzminister Linssen, längst nicht mehr Herr des Verfahrens sind. Sie wurden vom Ministerpräsidenten zur Lame Duck degradiert. Nachdem er dieses Thema zur Chefsache erklärt hat, hat jetzt ausschließlich der Ministerpräsident die Rolle als größter Bremser des Landes angenommen.

(Beifall von der SPD – Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Der Finanzminister ist amtsmüde!)

Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen: Je länger Sie warten, umso stärker wird der Wert der WestLB abnehmen – so wie der Wert der WestLB schon in den zweieinhalb Jahren Ihrer Regierung abgenommen hat. Auch das ist ein Teil der Verantwortung, die Sie tragen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich möchte meinen Eingangsbeitrag – ich eröffne hier nur die Beratungen; von der Kollegin Walsken und anderen werden wir hier noch viele Details hören – mit dem dringenden Appell schließen: Handeln Sie schnell. Handeln Sie endlich verantwortungsbewusst. Lassen Sie den Quatsch mit Privatisierung und Vertikalisierung. Gehen Sie über die vielen goldenen Brücken, die Ihnen die anderen gebaut haben. Handeln Sie im Sinne des Standorts und der Mitarbeiter in NordrheinWestfalen. Blockieren Sie nicht einfach deswegen, weil es Ihnen nicht passt, dass die Idee von anderen kam! – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Börschel. – Für die grüne Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist ein schwieriger Schritt, aber wir können und dürfen die Wahrheit nicht verschweigen:

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Tag für Tag, für alle sichtbar, rinnt Landesvermögen wie Sand durch unsere Finger. Ja, es stimmt: Mit jedem Tag, der ins Land zieht, wird die Werthaltigkeit unserer Landesbank beeinträchtigt. Mit jedem Tag, der ins Land zieht, werden die Beschäftigten und die Kundinnen und Kunden weiter verunsichert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Warum? – Weil kein Tag vergeht, an dem diese Landesregierung keinen neuen Vorschlag zur Zukunft der WestLB macht. Wie der Kollege bereits erwähnt hat, steht man staunend und teilweise zugleich erschüttert davor: Chaos; Zaudern; unzählige Zickzackschleifen.

Sie steuern das große Boot WestLB auf einem Schlingerkurs. Erst segelt der Finanzminister nach Europa – mit Blick auf die Institute in Frankreich und den Niederlanden. Dann rudert Rüttgers zurück – ab nach Norddeutschland; Fusion mit NORD/LB und Nordbank. Kurz darauf greift flugs FDP-Papke ins Ruder – Richtung Bermudadreieck; Vertikalisierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann hart Backbord – Land in Sicht; die Commerzbank hat Interesse. Aber plötzlich Flaute! Eine Beratungsinstanz muss her. Die Citigroup kommt ins Beiboot. Und dann doch Heimat statt großer weiter Welt – also Kurs ab nach Bayern.

Herr Ministerpräsident, die Sache mit der WestLB ist keine Kaffeefahrt auf dem Rhein,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

sondern schwierigste Steuerkunst in rauer See. Sie verwalten das Landesvermögen, das Vermögen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, ausgesprochen schlecht. Kein Mensch in diesem Land hat zurzeit den Eindruck, dass der Finanzminister und der Ministerpräsident das Steuer fest im Griff haben.

(Dr. Jürgen Rüttgers [CDU]: Aber Sie haben Ahnung davon?!)

Herr Ministerpräsident, stattdessen lassen Sie einen leibhaftigen Klabautermann in Gestalt von Herrn Papke

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

über weite Teile das Steuer in die Hand nehmen – in der Landespolitik wie auch in der Seefahrt ein einmaliger Vorgang!

Vertikalisierung, Privatisierung, gesteigerte Drohung und ständig Gift und Galle in Richtung unserer Sparkassen – dass Sie so etwas zulassen, ist ein starkes Stück, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ja, das ist unerhört!)

Wohin muss die Reise stattdessen gehen? – Keine Privatisierung der WestLB; möglichst kein Personalabbau; konsequente Signale und Konsenssignale an die Miteigentümer, insbesondere die Sparkassen; und natürlich positive Signale für eine öffentlich-rechtliche Struktur. Das bedeutet: klare Konsequenzen ziehen – keine vertikale Verschränkung; denn die Sparkassen dürfen ihre regionale Stärke nicht verlieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine Vertikalisierung wäre der erste Schritt zu einer zentralistischen Konzernbildung. Das können wir nicht wollen. Wir wollen weiter ein flächendeckendes Angebot der Sparkassen. Dieses Angebot darf nicht verschwinden.

Der Zeitpunkt für die Entscheidung ist jetzt da. Eine Lösung zeichnet sich ab. Das Zusammengehen mit einer oder mehreren Landesbanken, um sich auf dem Bankenmarkt zu behaupten und die Stärken als zentrales Sparkasseninstitut sicher und zukunftsfest zu gestalten, liegt auf der Hand.

Herr Ministerpräsident, wir brauchen eine Entscheidung, die sich konsequent an der Sache orientiert. Dabei gilt es, Gesicht zu zeigen, aber keine Fragen der Gesichtswahrung in den Mittelpunkt zu stellen. Die einzige derzeit realistische Perspektive für die WestLB heißt LBBW. Das ist keine Liebesheirat; das ist klar. Eine gute Vernunftehe geht aber auch. Ein solcher Kurs ist gut für die WestLB und gut für unser Land.

(Dr. Jürgen Rüttgers [CDU]: Das glauben Sie selber nicht!)

Herr Ministerpräsident, es gab in unserem Land die gute Tradition, in Sachen Landesvermögen und Sparkassenrecht den Konsens über alle Fraktionen zu suchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben diesen Weg bisher nicht beschritten. Wir haben Ihnen das mehrfach angeboten. Auch heute halten wir Ihnen wieder die Hand hin. Ich sage aber deutlich: Wer die Zukunftschancen leichtfertig verspielt, wird die Folgen dann auch mit aller Konsequenz alleine zu tragen haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Klein das Wort.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Jetzt kommt der Dank an den Minister!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für schon ein ganzes Stück verantwortungslos halte ich vor allen Dingen das Krisengerede über die WestLB.