Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die bisherigen Erfahrungen mit den Diskussionen zum Thema PFT haben deutlich gemacht, dass wir uns als Parlament noch einmal vergewissern müssen, was eigentlich unsere Aufgabe in diesem Zusammenhang ist. Ich denke, es ist nicht unsere Aufgabe, uns in die wissenschaftlichen Untersuchungen einzumischen – da gebe ich dem Kollegen Ortgies recht –, und nach meinem Kenntnisstand haben wir in unseren Reihen auch keinen Hydrologen, keinen Toxikologen …
Entscheidend ist: Hier geht es um die politischen Rahmenbedingungen. Und um die müssen wir uns verdammt noch mal kümmern.
Entschuldigen Sie den Ausdruck, Herr Präsident. – Wir müssen dafür sorgen, dass wir dort Kontinuität und Verlässlichkeit haben. Wir sind die Sachwalter der Bürgerinnen und Bürger. Und die haben nur ein einziges Interesse – die interessiert Nanogramm nämlich auch nicht –: Sie wollen sauberes, gesundes Trinkwasser. Das ist der entscheidende Punkt, meine Damen und Herren.
Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass es eine Reihe von anderen Beratungsgegenständen in diesem Hohen Hause gibt, bei denen sich diese Frage für uns auch stellt: Was ist unsere Aufgabe in dem Prozess der Bewertung und Beurteilung? Wie weit geht die? Was ist das Geschäft sozusagen von anderen?
Das heißt für uns aber auch, meine Damen und Herren, dass wir bei dem konkreten Thema PFT die Debatte jetzt endlich – und wenn es geht, heute – vom Kopf auf die Füße stellen müssen.
Ich will weg, Herr Minister – das habe ich Ihnen auch im Umweltausschuss gesagt –, von ca. Hundert Seiten Zahlenkolonnen, die im Zweifelsfall richtig sind.
Ich weiß, dass sie angefordert worden sind, aber ich habe keine Lust, mich damit zu beschäftigen. Wir können uns auch nicht damit beschäftigen, weil wir die gar nicht beurteilen können.
Ich will auch weg – ich sage das ganz deutlich – von dem wissenschaftlichen Streit um die beste Technik. Auch das kann von uns nicht beurteilt werden. Die Forderung kann doch nur lauten, die beste Technik für ein gesundes Trinkwasser zu nutzen, und dies auch zu kontrollieren. Das ist der entscheidende Punkt, meine Damen und Herren.
Insofern – ich will das an dieser Stelle in dem notwendigen knappen, aber auch direkten Umfang wiederholen – brauchen wir keine Belehrungen aus Berlin. Herr Kollege Remmel, ich weiß, dass Sie das nicht veranlasst haben. Wir brauchen aber die Hinweise von Frau Höhn nicht. Ich habe schon im Umweltausschuss gesagt, dass ich mir nicht ganz sicher darüber bin, ob uns nicht der damals zuständige Abteilungsleiter mit seinem Bohren bei einer bestimmten Technologie davon abgehalten hat, andere Maßnahmen zu treffen. Das sei hier aber nur am Rande erwähnt.
Uns geht es vielmehr – ich will das noch einmal wiederholen – um das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher. Allerdings geht es uns auch um die Position eines integrierten Umweltschutzes. Herr Ortgies, ich weiß nicht, ob sich unser Verständnis vom integrierten Umweltschutz mit entschlossener Umweltpolitik deckt, wie Sie es in Ihrem Antrag formulieren.
Außerdem brauchen wir eine pro-aktive Ausrichtung gerade beim Thema PFT und in der Umweltpolitik insgesamt. Das ist der Punkt, den ich, bezogen auf das Verhalten der Landesregierung und des Ministers, aber auch, Herr Kollege Ortgies, in Ihrem Antrag, nach wie vor kritisch sehe.
Ihr Antrag mit den zwölf Punkten einschließlich des Vorspanns beschäftigt sich doch viel zu sehr mit dieser Eine-Punkt-Ursachenaufklärung.
Sie hängen bei der Darstellung, Aufarbeitung und dem Lob an die Landesregierung – das kann ich ja alles verstehen, und das würden wir umgekehrt auch so machen, aber das hilft uns nicht weiter – viel zu sehr an der Eine-Punkt-Aufklärung. Auch ein Großteil der Maßnahmen des Ministers hat sich zunächst sehr stark darauf konzentriert. Das heißt nicht, dass das falsch war. Die Frage lautet
aber, ob das nicht dazu geführt hat, dass wir viele weitergehende Gesichtspunkte aus den Augen verloren haben.
Das heißt für die Bewertung der vorliegenden Anträge Folgendes: Dem Antrag von CDU und FDP können wir auf keinen Fall zustimmen. Von den zwölf Punkten, die Sie gerade noch einmal genannt haben, betreffen mindestens die Hälfte die Aufarbeitung der Vergangenheit. Diese Punkte kann man zwar nennen, aber das hat nichts mit Handeln und nichts mit den notwendigen Maßnahmen zu tun, die jetzt in einen Maßnahmenplan eingehen müssten.
Zum Antrag der Grünen: Herr Kollege Remmel, wenn wir es so halten, dass wir Ihrem Antrag zustimmen und Sie unserem Entschließungsantrag, dann ergibt das in der Kombination etwas Vernünftiges. Dann wird das, was Sie mit „unverzüglichem Handeln“ überschrieben haben und was bei uns unter „Maßnahmenplan“ in der Überschrift firmiert, einen Sinn ergeben.
Wir erheben gegenüber der Landesregierung die konkrete Forderung, ein geschlossenes Konzept, einen Maßnahmenplan vorzulegen. Ich habe schon im Umweltausschuss gesagt – Herr Minister, Sie werden sich erinnern –: Diese Maßnahmen könnten auf zwei DIN-A4-Seiten aufgeschrieben werden. Bringen Sie dort einen Dreiklang hinein, der nach unserer Auffassung lauten müsste: Aufklärung, Vorsorge, Vermeidung. Dazu müssen natürlich die vorhandenen Strukturen genutzt werden. Wir stellen ja nicht die Qualität der Arbeit der Chemischen Untersuchungsämter infrage, aber natürlich sind die nicht geeignet, die Arbeit zu machen – das wissen diejenigen, die die Verbraucherberatung kennen –, die die Verbraucherberatung leistet, zu der die Bürgerinnen und Bürger ein vernünftiges und vertrauensvolles Verhältnis haben, nämlich zu informieren.
Dann kommen wir auf den zukünftig entscheidenden Punkt, der die Nagelprobe für integrierten Umweltschutz darstellt. Es geht darum, ob wir bei den Lösungsvorschlägen bei den sogenannten End-of-pipe-Lösungen bleiben, das heißt: Konzentrieren wir uns darauf, davon auszugehen, es werde nicht zu vermeiden sein, dass solche Stoffe in das Wasser hineingelangen, weshalb wir mit all unserer Technologie beim Klärungsprozess des Wassers dafür sorgen müssen, dass diese Stoffe eliminiert werden?
Wir haben im Zusammenhang mit PFT festgestellt, dass es noch eine Reihe andere Stoffe gibt, die ins Trinkwasser eingebracht werden und eine hohe Gefährdung bedeuten. Mittlerweile existie
ren zudem Zweifel, ob wir in absehbarer Zeit technologisch in der Lage sein werden, damit umgehen zu können. Daraus folgt doch, dass wir uns dem Thema nähern müssen, wie wir es hinbekommen, dass diese Stoffe erst gar nicht produziert werden.
Das Stichwort lautet also „Ersatz“ oder „Substitution“. Dazu lese ich, Herr Kollege Ortgies, in Ihrem Antrag nichts. Ich bin gespannt, was der Minister gleich dazu sagen wird, welche Anstrengungen konkret auf der europäischen Ebene unternommen wurden – Stichwort „REACH“ –, um diese Entwicklungen zu verändern. Wir hatten diese Diskussion bei der Chemikalienrichtlinie.
Ich will an dieser Stelle nicht unterschlagen, dass dabei der Kollege Remmel und andere darauf hingewiesen haben, dass wir bei bestimmten Stoffen, deren Menge unter einer Tonne liegt, vor dem Problem stehen, dass sie von der Richtlinie nicht in dem entsprechenden Maße erfasst werden. Sieht man sich die Richtlinie aber genau an und beschäftigt man sich mit den sogenannten Erwägungsgründen – beginnend mit dem Erwägungsgrund 89 ff –, dann stellt man fest, dass es durchaus möglich ist, auch in diesen Fällen tätig zu werden. Die entsprechende Agentur dafür ist auf der europäischen Ebene bereits eingerichtet worden.
Jetzt kommt es darauf an, dass die Mitgliedstaaten – so führt die Richtlinie sinngemäß aus – ein entsprechendes Dossier verfassen und auf dieser Basis dann gegenüber der Agentur tätig werden. Der nächste Schritt wäre also, dass die Landesregierung und der Umweltminister – mir ist egal, ob Sie es allein machen oder auf der Umweltministerkonferenz gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vereinbaren – diesen Schritt in Richtung Brüssel unternehmen.
Das entspricht im Übrigen dem, was Sie heute in einem Zeitungsbericht nachlesen können. Professor Schumann, Hydrologe an der Ruhr-Universität Bochum, hat danach sinngemäß angeführt, dass es jetzt darauf ankommt, sich der Frage des Ersatzes und der Substitution zuzuwenden – natürlich neben all den Maßnahmen, die notwendig sind, um in der Zwischenzeit mit diesem Problem fertig zu werden.
Ich will für uns noch einmal zusammenfassen: Lassen Sie uns – beginnend mit der heutigen Debatte – eine Kehrtwende in der Diskussion und vor allen Dingen beim Handeln vollziehen. Es geht nicht um Versuche der Aufarbeitung, Rechtfertigung und Legitimation. Manche Bemerkungen gehen mir zu sehr in persönliche politische Ausei
nandersetzungen. Diese unterschiedlichen Meinungen kann man an anderer Stelle klären. Die Menschen erwarten, dass wir in ihrem Interesse handeln, und zwar möglichst zukunftsorientiert, zukunftsgerichtet, konsequent und, wenn es geht, auch zusammen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich meinen Stichworten zuwende, möchte ich auf die Reden eingehen.
Herr Kollege Kuschke, Sie sagen: Lassen Sie uns die Zeit nutzen, um zu einer Kehrtwendung zu kommen. – Ich glaube, es wäre falsch, zu einer Kehrtwendung zu kommen. Denn nach den Äußerungen, die wir im Umweltausschuss diskutiert haben, und nach dem, was der Minister dort vorgelegt und wiederholt dargelegt hat, ist ja eigentlich das erfolgt, was wir wünschen.
Sie wollten Aufklärung haben. Ich würde noch ein Krisenmanagement dazwischenschalten. Darüber hinaus wollten wir den Vorsorgegesichtspunkt berücksichtigt wissen. Dies alles soll dann in einen Maßnahmenplan eingebunden sein. – Ich meine, dazu hat der Minister in den Ausschusssitzungen ausführlich Stellung genommen. Deswegen kann ich auch den Antrag der Kollegen von den Grünen nicht nachvollziehen.
Darüber hinaus kritisieren Sie, man konzentrierte sich zu sehr auf eine Ein-Punkt-Aufklärung. – Diese Sichtweise kann man haben. Die Alternative wäre gewesen, einen wirklich umfassenden integrierten Ansatz über mehrere Seiten darzustellen. Das können wir gerne machen; darüber können wir gerne diskutieren. Dann wäre jedoch – nicht von Ihnen persönlich, aber von Ihrem politischen Umfeld – gesagt worden: Das ist eine Verschleierungstaktik. Man legt wolkige Darstellungen vor. Das ist viel zu ausführlich. Hier geht es um ein konkretes Problem. Das gilt es zu lösen. Konzentrieren Sie sich darauf. – Das ist immer der Spannungsbogen. Jetzt haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, der sicherlich auf etwas fokussiert ist. Man hätte auch anders vorgehen können. Mit dem Vorwurf können wir aber eigentlich leben, denn egal, wie wir es machen, es wäre kritisiert worden.
Herr Kollege Remmel, den Möhnesee als Giftspeicher zu bezeichnen, das ist für mich Biedermann und Brandstifter. Ich sage das so deutlich.
Der zweite Punkt – das macht Sie für mich bei aller anderen Wertschätzung unglaubwürdig – ist folgender: Sie werfen einem Minister vor, er biege das Recht. Rechtsbiegung heißt Rechtsbeugung, und Rechtsbeugung ist ziemlich das Schlimmste, was man einem Minister vorwerfen kann. Und das trifft nicht zu. Das ist überzogen.
Wer nach den ganzen Diskussionen im Ausschuss Ihren fünfzeiligen Antrag liest, der muss den Eindruck gewinnen, dass wir entweder in unterschiedlichen Ausschüssen waren – das war nicht der Fall – oder eine völlig andere Wahrnehmung haben. Ich kann das nicht nachvollziehen.
Der Äußerung von Ihnen, Herr Kuschke, dass man mit persönlichen Anwürfen vorsichtig sein muss, dass ein verbitterter Abteilungsleiter mit Tunnelblick missionarisch auf eine Technik fixiert im Hintergrund wirkt, habe ich nichts hinzuzufügen. Das teile ich vollständig.