Protocol of the Session on August 24, 2007

Wenn Sie die Zeit anhalten, gerne.

Selbstverständlich. – Herr Priggen, bitte.

Schönen Dank, Frau Pieper-von Heiden. Ich habe Sie eben so verstanden, dass Sie sich gegenüber der Flexibilisierung, Eigengestaltung und Eigenverantwortung vor Ort positiv ausgesprochen haben. Einen Zusammenhang habe ich nie verstanden und bedanke mich deshalb dafür, Ihnen jetzt eine Frage stellen zu können:

Die CDU-geführten Kommunen Schöppingen und Horstmar haben aus für mich nachvollziehbaren Gründen den Wunsch geäußert, vor Ort eine neue Schulform auszuprobieren. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Sie, wenn Sie so argumentieren, diesen Kommunen diese Möglichkeit nicht einräumen. Das sind CDU-geführte Kommunen. Die sind unverdächtig, rote, sozialistische Gesamtschulen schaffen zu wollen. Für mich ist an der Stelle ein Widerspruch zu dem, was Sie eben gesagt haben. Könnten Sie mir das bitte noch einmal erklären?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das will ich Ihnen herzlich gerne erklären. Ich kann Ihre Frage nachvollziehen, weil Sie kein Schulpolitiker sind.

(Lachen von GRÜNEN und SPD)

An dieser Stelle möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen, dass es schon immer – auch unter RotGrün – so war, dass das Land die Verantwortung für innere Schulangelegenheiten trägt, das heißt für Qualitätsstandards, für die innere Ausgestaltung von Schule und Unterrichtsinhalten, dass aber die organisatorischen Rahmenbedingungen Entscheidungen vor Ort unterliegen. Das wissen Sie eigentlich auch.

(Beifall von der CDU)

Die Schulen in Nordrhein-Westfalen brauchen weniger Bürokratie. Sie brauchen mehr Freiheit und Eigenverantwortung, wie sie verbindliche Qualitätsstandards erreichen. Diese verbindlichen Qualitätsstandards werden vorgegeben.

Noch einmal zu Ihnen, Herr Priggen: Was in Horstmar und Schöppingen passieren soll, ist, dass man dort eine Ausgestaltung vornehmen möchte, was den Unterricht und Unterrichtsinhalte anbetrifft und eine Abweichung vom Schulgesetz darstellt.

Wir haben klare Regelungen: Das Schulgesetz ist das eine, die inneren Schulangelegenheiten, die Organisation, die Aufteilung und die Gestaltung der Zeiten, die unterrichtliche Entzerrung sind das andere, das vor Ort entschieden gehört. So einfach ist das.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Landesregierung spricht jetzt die Schulministerin, Frau Sommer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Trampe-Brinkmann, Sie haben eben gesagt, Frau Beers Gesang – der war nicht lang – sei eine Glanzleistung gewesen. Ich finde das auch. Frau Beer hat es aber leider nicht mit der Begabtenförderung. Jetzt können wir mit diesem Gesang und dieser Begabung nichts weiter machen. Das tut mir in dem Zusammenhang leid.

(Beifall von der CDU – Heiterkeit)

Eigenverantwortlichkeit ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Meine Damen und Herren von der Opposition ich möchte das noch einmal

aufgreifen: Wie definieren Sie denn wirklich Eigenverantwortlichkeit von Schule? – Zur Beantwortung zitiere ich einen Erlass über die FünfTage-Woche. Dort heißt es:

„Soll oder kann an einer Schule der Unterricht nicht auf fünf Tage verteilt werden …, so kann die Schule im Einvernehmen mit dem Schulträger Unterricht an höchstens zwei Samstagen im Monat erteilen. Wird für die Unterrichtserteilung ein Samstag in Anspruch genommen, ist dies der zweite Samstag im Monat; bei Unterricht an zwei Samstagen sind es der zweite und der vierte.“

Meine Damen und Herren, Sie haben damit den Schulen nicht nur vorgeschrieben, an wie vielen Samstagen Unterricht erteilt werden darf, nein, Sie haben den Schulen sogar vorgeschrieben, dass es der zweite und der vierte Samstag sein müssen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ist das Ihr Verständnis von Eigenverantwortung? – Für uns heißt „Eigenverantwortung“, die Sachstände abzuwägen, die Ziele zu definieren und dann selbst zu entscheiden.

Wir sind der Meinung: Die Schulen vor Ort wissen am besten, was erforderlich ist und was nicht. Wir trauen das den Schulen zu. Wir trauen das den Lehrerinnen und Lehrern zu. Wir trauen das den Eltern zu. Kurz gesagt: Wir trauen es der Schulkonferenz zu. Denn die Schulkonferenz soll künftig entscheiden, ob Unterricht am Samstag stattfindet. Wir sind an der Stelle nicht von einem Regulierungszwang besessen. Sie behaupten, wir würden den Schülerinnen und Schülern keine Erholung und Freizeit zugestehen und wir würden die Familienzeit einschränken. Meine Damen und Herren, ist das nicht ein wenig an den Haaren herbeigezogen?

(Beifall von der FDP)

Ist das nicht auch eine Form von Realitätsverlust? Kennen wir nicht alle Familien, denen es nicht möglich ist, das Wochenende mit ihren Kindern zu verbringen und eine gemeinsame Freizeit zu gestalten? Vielleicht geben wir den Kindern mit dem Unterricht am Samstag auch Halt, indem sie samstags zur Schule gehen können.

Frau Ministerin.

Keine weiteren Fragen mehr!

Noch einmal: Das entscheiden Schulen vor Ort selbst. Um Familien zu entlasten, unterstützen wir den Ganztag. Wir machen zusätzliche Bildungsangebote. Wir erleichtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir sorgen für mehr individuelle Förderung, für die Förderung von Benachteiligten, für mehr Jungenförderung, Sprachförderung und die Förderung von Begabten. Diese Angebote machen wir möglichst früh und vor allem dort, wo ein besonders hoher Förderbedarf besteht, in den Grund-, Haupt- und Förderschulen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, deshalb finde ich es im wahrsten Sinne des Wortes unglaublich, dass Sie in diesem Zusammenhang behaupten, wir würden den Ganztag nicht genügend unterstützen. Das ist unglaublich!

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Wir haben den Lehreranteil in der offenen Ganztagsschule im Primarbereich verdoppelt. Wir haben die Zahl der Ganztagsplätze auf über 164.000 in diesem Jahr erhöht. Wir haben 25 Förderschulen die Umwandlung in den Ganztag ermöglicht. Wir beziehen endlich auch die Hauptschulen ein: Wir hatten ursprünglich das Ziel, bis 2012 50.000 Plätze in der erweiterten Ganztagshauptschule zu schaffen. Wir haben dieses Ziel bereits jetzt erreicht. Bis 2012 werden es voraussichtlich 86.000 Plätze sein.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben in diesem Schuljahr alle Anträge weiterführender Schulen auf Übermittagsbetreuung nach dem Programm „13 plus“ bewilligt.

(Zuruf von der CDU: Bravo!)

Mit 2.000 Gruppen insgesamt sind das 330 Gruppen mehr als im vergangenen Jahr. Haben Sie bereits vergessen, dass das Programm „13 plus“ noch von Ihnen stammt? Kaum aus der Regierungsverantwortung entlassen, bezeichnen Sie es nun als Billiglösung. Hoch lebe die Selbsterkenntnis!

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das hat damit überhaupt nichts zu tun! Sie werfen Nebel- kerzen!)

Sie haben offensichtlich folgendes Ziel: Sie wollen den Menschen den Eindruck vermitteln, wir würden den Samstagunterricht an allen Samstagen für alle Schulen verbindlich vorschreiben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist gar nicht nötig!)

Offensichtlich ist Ihnen ein Teil der Lesekompetenz verlorengegangen.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gegenteil ist der Fall: Die Schulkonferenz kann zukünftig im Einvernehmen mit dem Schulträger selbst über Unterricht auch an Samstagen frei entscheiden. Samstagsunterricht ist keine Pflicht, sondern ein Angebot, das es nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in anderen Bundesländern gibt. So schwer kann das doch nicht zu verstehen sein, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Ihre Behauptung, alle Beteiligten würden gegen diesen Erlass auf die Barrikaden gehen, stimmt auch nicht. Wenn es Protest gibt, dann wohl nur, weil Sie die Tatsachen verzerren.

(Beifall von CDU und FDP – Sigrid Beer [GRÜNE]: Was ist das denn für eine Reali- tätswahrnehmung?)

Es gab nämlich durchaus Zustimmung zum Samstagunterricht. Die Eltern äußerten zum Teil Bedenken; das stimmt. Es gibt aber auch viele Elternvertreter, die keine Probleme damit haben.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Auch für viele Schülerinnen und Schüler wäre der Samstag als Unterrichtstag durchaus denkbar. Bei Ersatzschulen, die sehr eng mit Eltern und Schulträgern zusammenarbeiten, ist Samstagsunterricht seit jeher sehr beliebt. Das zeigt doch, dass dieses Angebot sehr wohl im Interesse der einzelnen Schule liegen kann.

Darüber hinaus behaupten Sie, wir würden Kommunen im Regen stehen lassen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: So ist es!)

Ganz im Gegenteil: Wir verbessern mit der Weiterentwicklung der Schulpauschale zu einer Schul- und Bildungspauschale sowie der Erhöhung um 80 Millionen € auf 540 Millionen € in den kommenden Jahren die Voraussetzungen für die Schulträger.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das sind doch In- vestitionen! Damit können Sie doch keinen Hausmeister bezahlen!)