Protocol of the Session on August 23, 2007

Insofern darf ich Sie bitten, in dieser Debatte wieder zur Sachlichkeit zurückzukehren und die fruchtlosen Versuche einzustellen, einer christlichdemokratisch geführten Landesregierung in dieser Frage moralische Vorhaltungen zu machen.

(Beifall von der CDU – Barbara Steffens [GRÜNE]: Klar, dass Sie das nicht hören wollen!)

Es gibt mittlerweile auf Bundes- und Länderebene einen breiten Konsens darüber, dass die Schaffung ausgeglichener öffentlicher Haushalte hohe Priorität genießt. Dies gilt auch für unser Land und bedeutet für die Ressorts, dass sie ihren Beitrag zur Sanierung des Landeshaushalts leisten müssen.

Für die Arbeitsmarktpolitik ist in diesem Zusammenhang die Lage im Vergleich zur Vergangenheit noch schwieriger, da sie der aktuellen Entwicklung der Förderung des Europäischen Strukturfonds Rechnung tragen muss. Die von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten ESF-Mittel sind seit den 90er-Jahren das finanzielle Rückgrat der Arbeitsmarktpolitik der Länder. Noch in der letzten Förderperiode 2000 bis 2006 wurden vor dem Hintergrund der Einführung einer europäischen Beschäftigungsstrategie die ESFMittel deutlich erhöht.

In der aktuellen Förderphase 2007 bis 2013 sind die Finanzhilfen des Europäischen Sozialfonds aufgrund des historischen Prozesses der EUOsterweiterung – das wissen Sie – drastisch gekürzt worden. Das bedeutet ganz konkret: Bis 2013 stehen für die ESF-kofinanzierte NRWArbeitsmarktpolitik statt 1,1 Milliarden € nur noch 684 Millionen € zur Verfügung. Das ist ein Rückgang um 40 %. Damit kann das MAGS also nicht mehr 157 Millionen €, sondern nur noch 97 Millionen € ESF-Mittel ausgeben.

Es ist offensichtlich, dass eine verantwortliche Politik erfordert, diesen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Das bedeutet, dass alle bisherigen Programme auf den Prüfstand müssen. Das haben wir gemacht, wie Sie wissen. Im Ergebnis werden wir in den kommenden Jahren drei zentrale Programmlinien fördern: Maßnahmen für Jugend und

Berufsausbildung, Förderung der Beschäftigungsfähigkeit – Stichworte: Bildungsscheck, Potenzial- und Arbeitszeitberatung –, Integration besonderer Zielgruppen.

Wir möchten auch noch einige Mittel haben, um in gewissen Fällen auch innovative Projekte zu fördern, damit wir neue Erkenntnisse in der Arbeitsmarktpolitik bekommen.

Ich finde, dass es deswegen wichtig ist, die kommunale Ebene dabei zu unterstützen, ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung vor Ort in größerem Umfang als zuvor gerecht zu werden. Ich komme daher zu den seit den 90er-Jahren geförderten Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen. Jetzt hat es eine Entscheidung gegeben, dass wir keine Arbeitsmarktpolitik durch die Sozialhilfe machen, weil man Hartz IV geschaffen hat. Daher ist es richtig, die Arbeit der Beratungsstellen einzustellen, weil es eine andere Trägerverantwortung gibt.

Herr Garbrecht, Sie haben zu Recht gesagt, dass die kommunalen Träger die Leistungen der Schuldnerberatung, der Suchtberatung, der psychosozialen Beratung und Betreuung zu gewährleisten haben.

(Zuruf von der SPD: So ist das!)

Darum müssen wir uns kümmern.

Sie sollen dabei zur Erbringung dieser Leistungen auf geeignete Einrichtungen und Dienste Dritter zugreifen, wobei der Gesetzgeber die Träger der freien Wohnfahrtspflege ausdrücklich benennt. Damit besteht eine gesetzliche Grundlage für die Erbringung von Beratungsleistungen, die zum Kernangebot der Arbeitslosenzentren und beratungsstellen gehören.

Vor diesem Hintergrund sind die regionalen und lokalen Entscheidungsträger aufgefordert zu prüfen, ob und wie die Kompetenzen der Arbeitslosenzentren- und beratungsstellen zukünftig in die örtlichen Strategien der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik eingebunden werden sollen.

Vor dem Hintergrund der gesetzlich festgelegten Zuständigkeit der Kommunen für die berufliche Integration erwerbsfähiger Langzeitarbeitsloser kann daher auch nicht seriös davon gesprochen werden, hier würden Kommunen zum Ausfallbürgen des Landes gemacht. Dabei ist selbstverständlich nicht davon auszugehen, dass die bisherige Personal- und Sachkostenförderung des Landes in Struktur und Höhe landesweit durch die Argen und Optionskommunen einfach übernommen wird.

Es ist vielmehr zu erwarten, dass es vor Ort zu konkreten Leistungsvereinbarungen über die Beratung bestimmter Kontingente insbesondere von SGB-II-Empfängern kommen wird. Beispiele für solche Beauftragungen von Trägern der Arbeitslosenberatungsstellen und Arbeitslosenzentren gibt es bereits heute. Dies zeigt auch, dass der Abschluss entsprechender Verträge trotz der mitunter komplizierten Vergaberegelungen der Arbeitsverwaltung grundsätzlich möglich ist.

Daher organisieren wir einen regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch, sodass sich die Träger über die Möglichkeiten der Vergabe von Aufträgen und die konkrete Vertragsgestaltung besser orientieren können.

Argen und Optionskommunen sind sicherlich auch Partner der Arbeitslosenberatungsstellen und zentren, wenn es um die Durchführung von niedrigschwelligen Beschäftigungs- und Qualifizierungsangeboten geht. Auch hier sind die Einrichtungen gehalten, sich mit den SGB-II-Trägern über eine entsprechende Beauftragung zu verständigen.

Darüber hinaus muss man sich auf kommunaler Ebene hinsichtlich der Angebote verständigen, die nicht von SGB-II-Trägern finanziert werden können. Ich denke hier insbesondere an die Beratung sozialrechtlicher Fragestellungen im SGB II und SGB III. Ich verstehe sehr gut, dass Menschen Probleme damit haben können, Bescheide von Argen und Optionskommunen zu verstehen und inhaltlich nachzuvollziehen.

Hier sind die Verantwortlichen vor Ort gefordert, die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit ihrer Arbeit für ihre Kunden zu erhöhen. Da erwarte ich dann auch, dass hier Verantwortung übernommen wird, um mit Blick auf die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten angemessene Lösungen zu erarbeiten.

Zudem ist zu beachten, dass die Kunden der Argen und Optionskommunen gegen Entscheidungen der Behörden Widerspruch einlegen können und natürlich gerichtlich überprüfen lassen können. Wahr ist auch, dass es sehr viele Sozialverbände in Deutschland unterschiedlichster Couleur, mit unterschiedlicher gesellschaftlicher und geistiger Ausrichtung gibt, die mit ihren relativ geringen Verbandsbeiträgen einen solchen Rechtsschutz anbieten. Zum Beispiel bieten wir in der KAB selbstverständlich einen Sozialrechtsschutz an. Sie wissen, dass es die Gewerkschaften tun. Sie wissen, dass das viele andere Sozialverbände tun. Auch diese Möglichkeiten stehen selbstver

ständlich den Menschen in diesem Zusammenhang zur Verfügung.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Insofern bleibe ich dabei: Mit Blick auf eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden können sozialrechtliche Beratungen nicht dauerhaft Gegenstand der Arbeitsförderung des Landes sein. Der Antrag der SPD-Fraktion unterstellt zudem, dass es viele erwerbsfähige Arbeitslose außerhalb des SGB II gäbe, für die keine Ansprechpartner bereitstehen. Hier gilt, dass Personen außerhalb des Leistungssystems des SGB II, die arbeitslos im Sinne des § 16 SGB III sind, nach persönlicher Meldung automatisch Kunden der Agenturen für Arbeit sind und dort beraterisch und vermittlerisch betreut werden. Grundsätzlich können diese Menschen bei Bedarf auch an arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen teilnehmen.

Dabei ist der Status „arbeitslos“ ausdrücklich nicht an den Leistungsbezug gebunden. Annähernd ein Viertel der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB III sind keine Leistungsempfänger. In diesem Zusammenhang ist zudem festzustellen, dass nach Angaben der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit nach Auslaufen des ALG-IBezuges rund drei Viertel der Personen nicht in den ALG-II-Bezug übergehen. Gründe für diesen hohen Anteil sind unter anderem der Übergang in Arbeit oder Rente sowie die fehlende Bedürftigkeit aufgrund der individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Da dieser Personenkreis dann nicht mehr Kunde der Agenturen für Arbeit ist, liegen hierzu auch keine Daten vor, die Grundlage für den geforderten Datenreport sein könnten. Wir bereiten zurzeit in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Regionaldirektion NRW eine umfassende Erhebung zur Umsetzung der kommunalen Eingliederungsleistungen vor. Über das Ergebnis werde ich den Landtag selbstverständlich informieren. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der SPD Kollege Schmeltzer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Minister, Ihre letzten Ausführungen haben mich verwundert. Ich habe Teile unseres Antrags wiedergefunden, die

Sie im Prinzip von den Fakten her bestätigen. Gleichzeitig sagen Sie mit diesen bestätigten Zahlen indirekt wieder: Meine Entscheidung zur Auflösung der Arbeitslosenzentren ist richtig.

Wenn es richtig ist, dass in Nordrhein-Westfalen von allen Menschen, deren Bezugsdauer von ALG I endet, nur ein Viertel letztendlich in ALG II geht, dann bestätigen Sie unsere Aussage und lassen drei Viertel dieser Menschen außer Acht. Sie lassen sie im Regen stehen. Das unterstreicht doch, dass Ihre Entscheidung, diese Mittel zu streichen, falsch ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schön, wenn man als Zweiter einer Fraktion redet und auf die Vorredner eingehen kann. – Herr Kollege Lehne, wenn Sie aus Ihrem Manuskript vorlesen, dass es sich hier um einen oberflächlichen Antrag handelt, dann hat man Ihnen etwas aufgeschrieben, was mit der Sache nichts zu tun hat, zumal sogar der Minister die Fakten aus unserem Antrag zum Redeinhalt nimmt.

(Beifall von Günter Garbrecht [SPD])

Diese Oberflächlichkeit diskreditiert Zigtausende von Menschen, die hiervon betroffen sind und letztendlich von Ihnen im Regen stehen gelassen werden. Sie treffen zulasten der Menschen eine Entscheidung. Es wurde hervorragende ehrenamtliche Arbeit geleistet; Kollegin Steffens hat es bereits gesagt. Erst das Ehrenamt nach oben rufen, die Arbeit loben, und wenn Sie dann an die praktische Arbeit kommen, tun Sie genau das Gegenteil wie in vielen anderen Punkten Ihrer täglichen politischen Arbeit.

Wenn die Menschen wieder eine Perspektive haben, Herr Kollege Lehne, dann frage ich mich tatsächlich: Wo leben Sie? Ich habe diese Frage selber beantwortet und habe schnell nachgeguckt. Sie leben in Düsseldorf. Es wird mir eine Freude sein, insbesondere der Düsseldorfer Arbeitsloseninitiative oder dem Arbeitslosenzentrum Düsseldorf, von denen wir interessante Zuschriften vorliegen haben, Ihren Redebeitrag zur Kenntnis zu geben. Setzen Sie sich mit denen einmal auseinander!

(Beifall von der SPD)

Mit den Aussagen, die Sie gerade getroffen haben, werden Sie Ihre wahre Freude haben.

Als Argument ist immer wieder vorgetragen worden, hier gehe es darum, Parallelstrukturen auszuklammern. Wir haben weit über 50 Zuschriften von betroffenen Arbeitslosenzentren in Nordrhein

Westfalen erhalten. Es würde den Rahmen sprengen, alle 50 Zuschriften – oder sogar noch mehr – vorzulesen. Ich will mich darauf konzentrieren – mit Genehmigung der Präsidentin –, einige wenige vorzulesen.

Eine stammt von der Evangelischen Kirche in Düsseldorf: Lebensberatung für Langzeitarbeitslose e. V. Herr Kollege Lehne, das wird Sie bestimmt erfreuen. Rund 3.800 Menschen jährlich nehmen die Beratung wahr. Sie schreiben unter anderem – ich zitiere –:

„Die Inhalte der Zentrumsarbeit werden sicherlich in keiner Weise von der Arge Düsseldorf erbracht bzw. zu erbringen sein.“

Das ist ein Zitat aus Düsseldorf. – Diakonie Recklinghausen – Zitat –:

„Die Beratungsstelle bietet ein offenes und niederschwelliges Beratungsangebot für Ratsuchende. In 2006 waren 28,6 % der Ratsuchenden nicht im Leistungsbezug des SGB II und damit nicht in der Zuständigkeit der Arge.“

Weiter heißt es:

„In der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Wirkung des Programms wurde festgestellt, dass Betroffene deutlich motiviert wurden, sie ihren materiellen und sozialen Status verbessern konnten und zur Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Bewerbungen auf dem ersten Arbeitsmarkt aktiviert werden konnten.“

Wohlgemerkt, das ist ein Zitat aus dem Schreiben eines Arbeitslosenzentrums.

Da hier immer wieder gern der § 16 zitiert wird, will ich auch dazu eine Stellungnahme bringen. Sie stammt von der Gesellschaft zur Förderung der Beschäftigung Kreis Viersen gGmbH. Hier heißt es:

„Die Arbeit der Arbeitslosenberatungsstelle erfolgt zusätzlich zu den vorhandenen kommunalen Angeboten und dem Beratungsangebot der Arge. Der Zugang der Ratsuchenden basiert auf Freiwilligkeit und kann nicht durch kommunale Angebote ersetzt werden. Auch kann ich der Auffassung der Landesregierung nicht ohne Weiteres zustimmen, die Finanzierung unter § 16 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB II zu subsumieren und damit die Arbeitslosenberatungsstelle als eine kommunale Aufgabe anzusehen.“

Es wird im Ausschuss also sicherlich eine spannende Beratung über dieses Thema geben. Wir werden den Antrag gleich überweisen. Dann wer

den wir noch viel mehr Fakten auf den Tisch legen.