Protocol of the Session on August 23, 2007

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Papke. – Als nächster Redner hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Aus meiner Sicht ist das Thema Steinkohle noch lange nicht abgeschlossen, und man kann diesem Steinkohlekompromiss, diesem Erblastenvertrag so, wie er vorliegt, sicherlich nicht zustimmen. Denn meiner Meinung nach sind die Ewigkeitskosten nicht gedeckt, und es droht mal wieder, was so oft passiert: Gewinne werden privatisiert, die Kosten sozialisiert.

Ich weiß nicht, ob Sie sich diesen Erblastenvertrag überhaupt einmal genau angeschaut haben. In § 2.3 steht:

Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass die Erlöse aus der Verwertung des Beteiligungsbereichs der RAG und deren Erträge zur Finanzierung der mit der Beendigung des gesamten Bergbaus anfallenden Ewigkeitslasten ausreichen werden und die Ewigkeitslasten vollständig durch die Veräußerungserlöse und deren Erträge finanziert werden können.

Das heißt: Man geht davon aus. – Ob das aber in Wirklichkeit so ist oder ob die Leute und das Land letztendlich nicht auf den Kosten sitzen bleiben, das ist nicht klar. Denn falls die Stiftung ihre Verpflichtungen nicht erfüllt, übernehmen NRW und das Saarland die Gewähr. Das ist der entscheidende Punkt dabei.

Auch bei dem geplanten RAG-Börsengang, der aus meiner Sicht ebenfalls abzulehnen ist, ist überhaupt nicht sichergestellt, dass die Gewinne,

die dadurch erzielt werden sollen – sie werden in einer Größenordnung von ungefähr 4 bis 5 Milliarden € beziffert –, ausreichen, die Ewigkeitskosten, die auf mindestens 8,4 Milliarden € beziffert werden, zu decken. Das heißt: Es droht wieder einmal genau das, was ich gerade beschrieben habe.

Auch die Rolle der Steinkohle in der Zukunft ist nach wie vor unklar. Ein Sockelbergbau kann durchaus sinnvoll sein. Man muss sich sicherlich sehr genau anschauen, wie sich die Energiemärkte entwickeln. Selbst die Grünen und auch die CDU, zum Beispiel Herr Laumann, haben kürzlich bei einem Kohlekongress in Ibbenbüren erklärt, dass man sich durchaus vorstellen könne, das Bergwerk in Ibbenbüren weiter zu betreiben. Ein Minisockel findet also auch bei denen durchaus Zustimmung. Also: Hören Sie von der CDU genau zu und schauen Sie sich noch einmal das an, was Herr Laumann dort gesagt hat.

Bei allen Energieszenarien brauchen wir 2020 immer noch die Steinkohle. Deswegen frage ich die SPD, ob sie es mit der Revisionsklausel tatsächlich ernst meint. Ich gehe einmal davon aus und halte es für durchaus sinnvoll. Denn zum heutigen Zeitpunkt kann niemand genau sagen, wie die Energiemärkte in Zukunft aussehen werden.

Ich weiß nicht, ob es in Zukunft so sein wird – beim Erdöl erleben wir es gerade –, dass die Steinkohle in allen Energiewendeszenarien – übrigens auch für die Grünen noch einmal; Sie machen sich gerade so schön lustig – nach wie vor eine wichtige Rolle spielt. Natürlich ist nicht von heimischer Steinkohle die Rede. Also: Aus meiner Sicht ist es ganz klar: Das Thema Steinkohle ist überhaupt noch nicht abgeschlossen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Ich darf um ein bisschen mehr Ruhe bitten, Kolleginnen und Kollegen. – Danke.

Das Thema Steinkohle ist noch nicht abgeschlossen, und vor allem ist nicht abgeschlossen, welche Kosten und Belastungen für das Land NRW entstehen werden. Denn es ist zu befürchten, dass Belastungen in Milliardenhöhe auf das Land Nordrhein-Westfalen zukommen.

Bevor das nicht geklärt ist – deswegen bin ich auch meiner ehemaligen Grünen-Fraktion sehr dankbar, dass sie beim Verfassungsgerichtshof in Münster einfordert, Klarheit zu schaffen, indem dem Landtag die Unterlagen vorgelegt werden –,

kann man dem, was die Regierungsfraktionen in Berlin beschlossen haben, in keiner Weise zustimmen. Von daher: Das Thema Steinkohle ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Es droht, dass enorme Folgekosten auf das Land Nordrhein-Westfalen zukommen. Das ist die reale Situation.

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Damit ist die Aussprache über die Unterrichtung beendet.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte um ein bisschen Konzentration, weil es – wie es manchmal so ist – ein bisschen komplizierter wird, als wir es uns vorgenommen haben.

Zunächst zum Entschließungsantrag Drucksache 14/4911. Vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist beantragt worden, eine getrennte Abstimmung über die fünf Spiegelstriche vorzunehmen. Das heißt: Es wird gebeten, darüber abzustimmen, dass der letzte Spiegelstrich getrennt von den übrigen Spiegelstrichen einzeln zur Abstimmung gestellt wird. Meine Frage: Gibt es aus dem Plenum dagegen Bedenken? – Das ist nicht der Fall.

Dann stimmen wir zuerst über den letzten Spiegelstrich des Entschließungsantrags ab. Wer sich diesem letzten Spiegelstrich anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Spiegelstrich mit den Stimmen der Fraktion der CDU, der FDP und der Grünen gegen die Stimmen der Fraktion der SPD und die Stimme des fraktionslosen Abgeordneten Sagel so angenommen.

Jetzt kommen wir zur Gesamtabstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 14/4911, also über alle fünf Spiegelstriche gemeinsam. Wer ist für die Annahme dieses Entschließungsantrags? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD, der Grünen und die Stimme des fraktionslosen Abgeordneten Sagel angenommen.

Wir kommen nun zum Eilantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4894. Über den Eilantrag ist direkt abzustimmen. Der Abgeordnete Römer hat für seine Fraktion den Wunsch geäußert, hierzu zwei Abstimmungen durchzuführen.

Daher werden wir zunächst über den Abschnitt II des Eilantrags Drucksache 14/4894 abstimmen; das sind die drei Unterpunkte, die in der Rede bereits genannt wurden. Wer für die Annahme der

unter II genannten Punkte ist, der möge jetzt seine Hand heben. – Das ist die Fraktion der SPD und der Fraktionslose Sagel. Wer ist gegen Abschnitt II? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? – Es enthält sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Abschnitt Il ist somit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den gesamten Eilantrag Drucksache 14/4894. Wer ist für die Annahme dieses Eilantrags, also für die Abschnitte I und II? – Das ist die Fraktion der SPD. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Der Eilantrag ist abgelehnt.

Damit haben wir die Abstimmungen entsprechend den Änderungswünschen aus dem Plenum vorgenommen und sind nun am Ende des Tagesordnungspunktes 2.

Wir kommen zu:

3 Finanzierung und Leistungsangebot der Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen sichern

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4866

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Garbrecht.

(Unruhe)

Kolleginnen und Kollegen, es ist Mittagszeit, 13.09 Uhr. Manchen grummelt es im Magen. Das verstehen wir. Wir bitten trotzdem um Ruhe im Saal, damit der Abgeordnete Garbrecht jetzt seinen Redebeitrag leisten kann. Bitte verlassen Sie den Saal gegebenenfalls so, dass wir in der Debatte ruhig und konzentriert fortfahren können. Danke schön.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, wie schwer es in der Politik fällt, einmal getroffene Entscheidungen zu überprüfen, gar zu revidieren, insbesondere wenn der Vorstoß dann auch noch von einer Oppositionsfraktion kommt. Dennoch machen wir heute den erneuten Versuch, den Minister und die regierungstragenden Fraktionen dazu zu bewegen, das verkündete Aus für die Arbeitslosenzentren und die -beratungsstellen im Lande noch einmal zu überdenken.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Wir hatten schon im März dieses Jahres im Ausschuss Gelegenheit, über einen Bericht des Ministers hierzu zu diskutieren. Der Kernsatz der damaligen Botschaft des Ministeriums lautete:

„Damit aber fallen Beratungsleistungen, die dem Kernangebot der Beratungsstellen und Zentren für Arbeitslose entsprechen, in die reguläre Zuständigkeit von Argen und Optionskommunen.“

Dieser Satz, meine Damen und Herren, war damals falsch und ist es auch heute noch.

Ich will niemandem in diesem Parlament Unkenntnis über die Lebenssituation von arbeitslosen Menschen unterstellen. Aber mit der von Ihnen angekündigten Beendigung der Finanzierung von Arbeitslosenzentren ziehen Sie vielen Menschen den Boden unter den Füßen weg, die dringend der Hilfe und Unterstützung bedürfen.

Ihr Hinweis, dass die Beratungsangebote, die derzeit von den Zentren geleistet werden, von den Optionskommunen bzw. den Argen entweder bereits gemacht oder aber zukünftig geleistet würden, zeigt die totale Verkennung der Realität. Denn wie sollen Stellen, die für die Leistungsgewährung zuständig sind, gleichzeitig als Anwalt und Berater für die Langzeitarbeitslosen fungieren? Meine Damen und Herren, die Ausländerbehörde der Kreise und kreisfreien Städte ist ja auch nicht die Beratungsinstitution für Asylsuchende und Flüchtlinge! Und die Citibank ist auch nicht der Sponsor der Schuldnerberatung in diesem Lande!

Also: Mit dem faktischen Aus für die 65 Arbeitslosenberatungsstellen und die 75 Arbeitslosenzentren demontieren Sie ein Stück soziales NRW. Gleichzeitig schaden Sie auch einer erfolgreichen Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik nach dem SGB II in diesem Land.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Um das zu verdeutlichen, will ich gerne aus der Zuschrift zitieren, die das Parlament gestern erreicht hat, nämlich die Zuschrift des Superintendenten des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid, der das nachdrücklich unterstreicht. Da heißt es:

„Dieses Vorhaben“

also der Ausstieg aus der Finanzierung –

„verschlimmert die Lebenslage der Betroffenen, die die Einrichtungen aufsuchen und kontaktieren.“

Weiter heißt es in dieser Zuschrift:

„Wir sehen in der Beratung einen deutlichen Zielkonflikt. ‚Unsere’ Beratung ist offen angelegt. Wir verstehen uns als Vermittler zwischen den Ratsuchenden und den ‚Argen’. Wie auch in anderen Beratungsbereichen … stehen wir auf der Seite der Ratsuchenden und sind an einvernehmlichen Lösungen interessiert. Dabei ist uns unsere Unabhängigkeit wichtig. Davon zu unterscheiden ist deutlich die Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ‚Arge’. Ihre Vorgaben sehen unter anderem den Einsatz von Sanktionen vor. Somit geht es im Grunde genommen um eine Art ‚Gewaltenteilung’, um ein niederschwelliges Angebot einer unabhängigen Beratung mit dem Ziel, gemeinsam belastbare Lösungen zu finden. Interessenkonflikte werden dadurch transparent gehandhabt. Diese Art von ‚Gewaltenteilung’ und ‚Interessentrennung’ ist gesellschaftlich seit Jahren Teil erfolgreicher Politik – als Teil unseres Modells von Subsidiarität.“

Meine Damen und Herren, dem sind doch gerade Sie als CDU sehr nah und verpflichtet. Wir jedenfalls können uns dieser Beschreibung des Superintendenten voll anschließen und fordern Sie in diesem Sinne zur Umkehr auf.

Auf eines möchte ich Sie noch ganz besonders hinweisen, weil Sie dort Fehlinformationen aufgesessen sind: Die Arbeitslosenzentren nehmen sich auch der Menschen an, für die primär zunächst kein Leistungsträger verantwortlich ist, und das in zunehmendem Maße. Sie sind verstärkt – das zeigt auch die Reaktion aus vielen Arbeitslosenzentren – Anlaufstelle für arbeitslose Menschen, die aus dem Leistungssystem herausfallen, weil ihre Ansprüche nach dem SGB III erloschen sind, also das Arbeitslosengeld I ausläuft, und sie zum Beispiel wegen Partnereinkommen oder Vermögen keine Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch II geltend machen.

Sie alle kennen diese Zahlen, meine Damen und Herren. Nur ein Viertel der Menschen, die aus dem Arbeitslosengeld-I-Bezug herausfallen, nehmen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II in Anspruch. An dieser Stelle muss ich sagen: Diesen Menschen zeigen Sie ein Stückchen weit die kalte Schulter. Denen ist auch nicht gedient mit Ihrer Forderung nach einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, die Sie ja immer wortreich vortragen, Herr Minister.

Die Herausforderung für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist, vor der Situation dieser Menschen nicht die Augen zu verschließen. Zum Beispiel

sind folgende Fragen zu beantworten: Wie stellen wir sicher, dass diese Menschen weiterhin als arbeitssuchend bei den Agenturen registriert sind und damit auch, wenn auch auf einem geminderten Niveau, ihre Rentenansprüche sicher sind? Wie erhalten oder verschaffen wir dieser Personengruppe den Zugang zu den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, zu Beratung und Unterstützung?