Protocol of the Session on August 23, 2007

Ihre Fraktion hat dazu nämlich gar keinen Antrag gestellt. Aber wir würden dem bestimmt gerne zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was mich an der ganzen Debatte wundert, ist, dass keiner, aber auch keiner von Ihnen auf die Frage „Sind wir dazu bereit, den Menschen zu sagen, dass sie unterhalb des Existenzminimums leben sollen?“ eingegangen ist.

(Norbert Killewald [SPD]: Nicht zugehört!)

Der Hartz-IV-Regelsatz sollte das Existenzminimum, das unterste Minimum absichern. Das un

terste Minimum wird mit diesem Regelsatz aber nicht mehr abgesichert.

(Norbert Killewald [SPD]: Nicht zugehört, Frau Steffens!)

Herr Laumann, Sie haben wieder das Beispiel angeführt, dass vier Personen, die Regelsatzleistungen beziehen, unter Umständen mehr haben als eine vierköpfige Familie mit nur einem Einkommen. Das ist vollkommen logisch! Deswegen haben wir doch mittlerweile viele Aufstocker und viele Ergänzungen. Wir fordern doch nicht, dass die vier Personen mit Transferleistungen unterhalb des Existenzminimums leben sollen. Und wir fordern auch nicht, dass die Familie mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums leben soll. Wir wollen vielmehr, dass alle Menschen ein Existenzminimum haben und nicht weniger. Das muss man sich als reiches Land schon leisten können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu den Anmerkungen, dieser Antrag sei platt, populistisch und zu wenig: Es geht hier nicht um eine bestimmte Zahl der Regelsatzerhöhung; beim Lesen des Antrags wäre es wahrscheinlich leicht gefallen, das zu verstehen. Hier geht es um Folgendes: Wir haben das Existenzminimum mit unabhängigen Kommissionen ermittelt. Nun brauchen wir eine regelmäßige Anpassung, damit die Betroffenen nicht regelmäßig wieder unter das Existenzminimum fallen. Das steht in diesem Antrag, nicht mehr und nicht weniger.

Die namentliche Abstimmung ist nicht populistisch. Vielleicht erklären Ihre Leute vor Ort Ihnen, warum es wichtig ist, hier schnell zu handeln. Herr Killewald, der Frau an der Fleischtheke und der Frau an der Milchtheke, die kein Geld mehr in der Tasche haben, weil ihr Existenzminimum nicht abgedeckt ist, zu sagen: „Warten wir noch einmal ein halbes Jahr, bis Herr Müntefering irgendetwas getan hat“, das ist zynisch. Es ist nicht populistisch, diesen Antrag hier namentlich abstimmen zu lassen.

(Beifall von den GRÜNEN – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Drehen Sie uns doch nicht die Worte um, die wir gar nicht gesagt haben! – Norbert Killewald [SPD]: Sie hören nicht zu! Selektive Wahrnehmung!)

Meine Damen und Herren, jetzt spricht noch einmal Herr Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Kollegin Steffens, damit das klar ist: Ich habe eben ein Rechenbeispiel für einen Zweipersonenhaushalt vorgelegt.

(Norbert Killewald [SPD]: So ist das!)

Die Situation in einem Zweipersonenhaushalt mit durchschnittlichen KdU – Kosten der Unterkunft – ist nicht mehr sehr weit von der Lebenssituation eines Menschen entfernt, der 44 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat und eine durchschnittliche Rente bekommt.

(Monika Düker [GRÜNE]: Schlimmer noch!)

Mehr habe ich hier nicht gesagt. Das müssen wir bei diesen Fragen mit im Kopf haben.

Herr Kollege Sagel, ich möchte Ihnen heute gerne etwas sagen, was mir immer durch den Kopf geht, wenn ich etwas von der Linkspartei höre. Ich höre ja, dass Sie überlegen, mit ihnen zu sympathisieren.

(Allgemeines Lachen)

Ich bin 1989/90 nach der Wende in Ostdeutschland bei Landtagswahlen in der Nähe von Schwerin in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen gewesen. In dieser Einrichtung des SEDStaates für geistig behinderte Menschen habe ich gesehen, dass die Wände gekalkt waren, dass in einem kleinen Zimmer zwölf Betten standen, dass die Leute fixiert waren, dass kein Badezimmer vorhanden war, dass eine Zinkbadewanne für das ganze Haus da war. An diesem Tag habe ich mir eines geschworen: dass der Christdemokrat KarlJosef Laumann sich von einem Kommunisten nie mehr was über die Frage von Sozialpolitik erklären lässt! – Schönen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Laumann. – Das Wort hat jetzt Herr Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß § 43 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung beantragt meine Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt namentliche Abstimmung.

Danke schön, Herr Remmel. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist damit geschlossen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat gemäß § 43 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung zum Antrag Drucksache 14/4856 beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. – Ich bitte die Schriftführer, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen. Bitte schön.

(Der Namensaufruf erfolgt; Namensliste sie- he Anlage 1.)

Meine Damen und Herren, ich beende den Wahlgang und bitte Sie, die Stimmen auszuzählen.

(Die Auszählung der Stimmen erfolgt.)

Meine Damen und Herren, ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Mit Ja stimmten elf Abgeordnete, mit Nein 165 Abgeordnete bei einer Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag Drucksache 14/4856 mit großer Mehrheit abgelehnt.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Ich rufe auf:

5 Klimawandel schreitet voran – NRW muss jetzt handeln

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4252

Ich erteile Herrn Stinka von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Es kommt selten vor, dass ich die Zeitschrift „Die Waldbauern“ so wie für Ihre Ausgabe vom Juli 2007 loben muss. Darin hatte sie sich mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt. Die nicht gerade für leichtfertige Geschäfte bekannte Münchener Rückversicherung hatte sich dort in einem Beitrag zu der Äußerung hinreißen lassen, vorbeugender Klimaschutz koste erheblich weniger als die Beseitigung der Schäden.

Wie Recht dieses auf Rendite bedachte Unternehmen hat, zeigt sich erneut diese Woche: Starkregenfälle im gesamten Bundesland, vollgelaufene Keller zwischen Arnsberg und Hameln und tausendfaches Ausrücken von Feuerwehren, um der Wassermassen Herr zu werden. Das alles erleben wir im Juli und August.

Die unglaublichen klimatischen Bedingungen und deren Auswirkungen haben wir den ganzen Sommer über weltweit erleben dürfen. Uns bieten sich Bilder von Elend und Not, die sich wiederholen. Katrina, Kyrill und Dean in Mexiko – die Namen sind harmlos, die Wirkung ist verheerend. Nein, Kolleginnen und Kollegen – wir haben dieses Thema oft diskutiert –: An Zufälle vermag niemand mehr zu glauben.

(Beifall von der SPD)

Ich bin sicher, dass auch die Menschen in unserem Land und gerade diejenigen, die schon wieder mit Gummistiefeln in ihren Kellern stehen, um sie leer zu pumpen, und die sich nächste Woche nach neuen Möbeln umschauen, genug von Symbolpolitik einer Regierung haben, die sich immer noch „neu“ nennt. Sie ist nicht mehr neu, sie ist alt und abgehalftert.

(Beifall von der SPD)

Das gilt in den Erntemonaten ebenso für Landwirtinnen und Landwirte, deren Existenz natürlich von guten Ernteerträgen abhängt – das wird ja häufig betont. Herr Uhlenberg, deshalb veranstalten Sie am 30. August eine Arbeitstagung, bei der die Klimaanpassung vor Ort Grundlage für Gespräche mit den Landwirten sein wird. All diese Menschen haben ein Anrecht darauf, von der Landesregierung Lösungsansätze einzufordern.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Die SPD-Landtagsfraktion nimmt diese Herausforderung offensiv an.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Prima!)

Wir alle in diesem Parlament haben gelernt, weil viele Phänomene neu sind. Wir begreifen neue Ziele und sehen Zusammenhänge, die uns vor Jahren nicht klar waren. Staatliche Entscheidungsträger und nicht nur private Institutionen müssen Konzepte vorgeben. Anders werden wir diese große Anstrengung nicht bewältigen. Das ist uns gerade nach dem Grönlandbesuch von Bundesumweltminister Gabriel und Kanzlerin Merkel noch einmal eindrucksvoll mit auf den Weg gegeben worden.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Das bedeutet auch, dass der Klimawandel als echte Querschnittsaufgabe zu begreifen und danach zu handeln ist. Die Fraktion der SPD macht hierzu einen vernünftigen Vorschlag. Der Klimaschutz ist eine gemeinsame, ressortübergreifende Aufgabe. Damit stehen wir nicht alleine, wie der neue Sonderausschuss des EU-Parlaments zum

Klimawandel in der EU zeigt, der seit Mai dieses Jahres arbeitet. Eine unnatürliche Aufsplittung des Themas in viele verschiedene Fachausschüsse wird der Bedeutung dieser von uns allen anerkannten Aufgabe nicht gerecht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir brauchen einen Ausschuss. Hier soll fachübergreifend auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Klimawandels hingewiesen werden, um andere Gremien – ich erinnere mich an viele Umweltausschusssitzungen – zu entlasten. Hier kann der Begriff der Nachhaltigkeit, den wir alle gerne in Wahlkampfbroschüren und in unseren Sonntagsreden verwenden, mit Leben gefüllt werden. Nachhaltig heißt nicht nur, den Blick auf die Umwelt zu richten, sondern auch auf soziale und wirtschaftliche Aspekte.