Protocol of the Session on August 22, 2007

Auch da sind Sie kommunalfeindlich. Sie sind übrigens auch feindlich gegenüber ihrem eigenen Landeshaushalt und seinen Interessen. Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie an der Stelle nicht wenigstens wieder ein Stück weit zur Vernunft kommen, werden Sie in den nächsten Monaten noch vor einem ganz schweren Weg stehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Landesregierung hat noch einmal Herr Innenminister Dr. Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Zwischenruf des Abgeordneten Palmen ist wertvoller als Ihre Rede, Herr Becker.

(Beifall von der CDU)

Deswegen bin ich froh, dass wir Ihre Anmerkungen, die wir natürlich gehört haben, schnell wieder vergessen können.

Herr Jäger, ich möchte zu Ihrem Beitrag einige Punkte klarstellen. Sie haben ja noch relativ sachlich gesprochen, wofür ich Ihnen herzlich danke.

Die Verbundgrundlagen richten sich nach Recht und Gesetz, wie sich das gehört. Sie haben die nach wie vor nicht ausreichend kommode Finanzlage der Kommunen angesprochen. Ich erinnere Sie dazu daran, dass die Zahl der Kommunen, die keinen genehmigten Haushalt haben, inzwischen auf 187 zurückgegangen ist. Das ist eine Entwicklung, die wir begrüßen. Außerdem ist die Zahl der haushaltslosen Kommunen, zu denen auch Ihre Stadt Duisburg gehört, auf 110 zurückgegangen. Das ist eine Entwicklung, die uns zumindest positiv stimmt.

Wir wissen, dass die Situation noch nicht zufriedenstellend ist. Wir haben aber eben auch damit zu tun, dass wir eine Erblast vieler Jahre abarbeiten müssen. Das gilt für die Kommunen wie für das Land. Sie haben über Jahre den Kommunen zusätzliche Lasten aufgedrückt. Wir haben jetzt das Konnexitätsausführungsgesetz. Wenn nunmehr die Kommunen Aufgaben übernehmen, muss ausverhandelt werden, was dafür zu zahlen ist. Wir erleben das gerade bei der Umstrukturie

rung der Umweltverwaltung und der Versorgungsverwaltung. Es wird in diesen Fällen nicht wie früher sein, dass man den Kommunen einfach nur die Aufgabe zuweist. Vielmehr muss die Erledigung dieser Aufgabe auch bezahlt werden. Es ist aber völlig klar, dass eine desolate Haushaltslage nicht binnen weniger Tage in Ordnung gebracht werden kann.

Die Botschaft lautet, dass die Kommunen 650 Millionen € mehr haben. Diese Botschaft haben auch die beiden Redner aus den Koalitionsfraktionen noch einmal deutlich gemacht. Damit sind die Tiefstände aus der rot-grünen Regierungszeit endlich beendet. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, mit welchen Tricks Sie arbeiten mussten, nämlich mit Kreditierungen und ähnlichen Dingen, um den Kommunen zum Scheine zu helfen. All diese Fehlentwicklungen mussten wir begradigen. Jetzt gibt es wieder ein klares Fahrwasser. Jetzt weiß man, was man hat. Herr Lux hat schon gesagt, dass Transparenz geboten ist. Mit der Verabschiedung des Haushalts können wir sagen, wie die Planungsgrundlage für das nächste Jahr aussieht. Das ist, glaube ich, das Wichtigste, was die Kollegen der Kommunen haben wollen: Planungssicherheit und Transparenz.

(Beifall von der FDP)

Bei der Beratung des GFG sind alle möglichen Nebenkriegsschauplätze angesprochen worden. Das reicht von den Kindergartenbeiträgen bis zu den Kommunalwahlen. Zum Schluss hat Herr Becker auch noch eine Querverbunddiskussion angezettelt. Ich weiß nicht, wie er an der Stelle auf das Erfordernis von Ideologie kommt. Wenn der Bundesfinanzhof ein Urteil über die Zulässigkeit des Querverbundes zu fällen hat, dann bedarf es einer steuerrechtlichen Expertise und keiner Ideologie. Es geht ausschließlich um die Frage der rechtlichen Bewertung. Das ist Ihnen fremd, Herr Becker; okay, das muss man hinnehmen. Wir wollen uns ausschließlich nach Recht und Gesetz verhalten.

In den letzten Jahren hat niemand von unserer Seite gefordert, dass der Querverbund beseitigt werden muss. Es geht lediglich um die Frage, ob dieser rechtlich weiterhin trägt. Solche Fragen muss man natürlich stellen dürfen, und zwar gerade deshalb, weil es darüber in der wissenschaftlichen Literatur seit Jahren Auseinandersetzungen gibt.

Einige Bemerkungen zum Sparkassengesetz und zur WestLB: Meine Damen und Herren, das, was die Landesregierung plant und was diskutiert wird, sind Regelungen, die beispielsweise in Rheinland

Pfalz völlig unproblematisch längst in Kraft sind. Deswegen ist das Verhetzungspotenzial, was Sie hier vermuten, relativ gering.

Was die WestLB angeht, bin ich sehr dankbar für die Ausführungen des Ministerpräsidenten. Er hat heute sehr deutlich gemacht, dass wir keinen Ausverkauf der WestLB wollen, dass wir eine Politik mit Augenmaß betreiben, dass wir dabei den Standort im Auge haben und dass wir anders als Sie nicht nach der erstbesten Lösung schauen, sondern nach der besten Lösung insgesamt. Das ist das Ziel, meine Damen und Herren. Das ist auch und gerade im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WestLB. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister Dr. Wolf. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind damit am Ende der ersten Lesung der Gesetzentwürfe der Landesregierung.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Haushaltsgesetzentwurf 2008 Drucksache 14/4600 und die Finanzplanung 2007 Drucksache 14/4601. Der Ältestenrat empfiehlt deren Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – und an die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe, dass die Beratung des Personalhaushalts einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschuss unter Beteiligung seines Unterausschusses „Personal“ erfolgt. Wer ist für die Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Zweitens haben wir über die Überweisung des Entwurfs des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2008 Drucksache 14/4602 abzustimmen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

2 Bildung, Bildung, Bildung und nochmals Bildung

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4865

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort Herrn Abgeordneten Schultheis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gerade an einem Tag, an dem wir über den Haushaltsentwurf für das Land Nordrhein-Westfalen für das kommende Jahr diskutieren, bietet es sich an, das zentrale Thema, das in fast allen Redebeiträgen immer wieder eine Rolle spielt, auf die Tagesordnung zu setzen. In dem Zusammenhang geht es darum, den 18. Bericht des Deutschen Studentenwerkes zur sozialen Lage der Studierenden mit einem ersten Aufschlag zu würdigen.

„Bildung ist eine zentrale Ressource für die Verwirklichung von Lebenschancen.“ So steht es im Sozialbericht 2007 des Landes NordrheinWestfalen, herausgegeben vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Meine Damen und Herren, das ist eine Aussage, die bei allen hier im Landtag, so hoffe ich, Zustimmung findet. Damit dieser Weg allen jungen Menschen geebnet wird, muss Chancengleichheit wieder zum Mittelpunkt nordrhein-westfälischer Bildungs- und Hochschulpolitik werden. Studienberechtigte – gleich welcher Herkunft – müssen den Weg in die Hochschulen finden und unbelastet von existenziellen Ängsten studieren können.

Das ist zurzeit nicht der Fall. Darauf weisen alle Untersuchungen hin. Das Deutsche Studentenwerk hat in der letzten, der eben erwähnten 18. Sozialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden dargelegt, dass von 100 Akademikerkindern etwa 83 den Hochschulzugang schaffen. Bei Nichtakademikerfamilien sind es gerade 23.

Nun wird uns sicher auch an diesem Punkt vorgehalten werden, die SPD und die Grünen hätten das in der Vergangenheit auch nicht geschafft. Ich will vorab sagen: Das allein reicht als Argument nicht aus, um heute nicht das Notwendige zu tun. Wir haben alle festgestellt, dass hier großer Handlungsbedarf besteht. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Entwicklung bei den Kindern aus Nichtakademikerfamilien in eine andere Richtung gelenkt wird.

Kinder aus nichtakademischen Elternhäusern wagen den Schritt an die Hochschule auch dann nur vergleichsweise selten, wenn sie überdurchschnittliche Leistungen in der Schule erzielen. 81 % der Akademikerkinder mit einer Note zwischen Eins und Zwei, aber lediglich 68 % der Schülerinnen und Schüler der Vergleichsgruppe aus nichtakademischen Elternhäusern möchten

sicher oder wahrscheinlich studieren. Von den leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern, deren Eltern einen Hochschulabschluss erlangt haben, möchten 57 % ein Studium aufnehmen. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler aus nichtakademischen Elternhäusern haben bei gleichem Leistungsstand mit 44 % wiederum erheblich seltener feste Studienabsichten.

Wir brauchen aber mehr Studierende – in deren Interesse, aber auch im gesellschaftlichen Interesse, im Interesse von Wirtschaft, Kunst und Kultur. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die soziale Selektivität des Bildungs- und Hochschulsystems endlich überwunden werden. Auch Studierende aus hochschulfernen und einkommensschwächeren Schichten müssen gewonnen werden.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Witzel, ich habe eben darauf hingewiesen: Diese Gesellschaft hat insgesamt eine Problemstellung, die sich in anderen Bundesländern im Übrigen nicht anders darstellt. Man geht vielleicht an der einen oder anderen Stelle anders damit um; aber das Problem, das hier beschrieben wird, bleibt bestehen. Das Deutsche Studentenwerk erhebt ja nicht nur für Nordrhein-Westfalen Daten, sondern für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Insofern stehen alle Bundesländer vor dieser Frage. Es geht darum, wie man mit dieser Frage umgeht.

Nehme ich beispielsweise den Test von „Financial Times Deutschland“ als Bewertungsgrundlage der Erfolge der Landesregierung für die Jahre 2005/2006, dann sieht NRW schlecht aus. Diesen Weg gehe ich gar nicht, weil ich weiß, dass Statistiken nicht immer die volle Wahrheit wiedergeben. Im Jahr 2004 befanden wir uns in einer mittleren Position. Jetzt liegt Nordrhein-Westfalen nach dieser Untersuchung vor Mecklenburg-Vorpommern an vorletzter Stelle. Ich will das hier nicht vertiefen.

Wir müssen gemeinsam etwas tun. Nur über die soziale Öffnung unserer Hochschulen kann die Zahl der Hochschulabsolventinnen und -absolventen erhöht werden. Die Einführung von Studiengebühren jedoch erschwert jungen Menschen zusätzlich den Einstieg in eine Hochschulbildung und fördert auch die Abbruchquoten. Finanzielle Unsicherheiten werden hierfür als ein wesentlicher Grund angegeben.

Meine Damen und Herren, auch die Umstellung auf den Bachelor und den Master erzeugt einen zusätzlichen Druck auf Studierende, weil viele – es sind insgesamt 69 % – neben ihrem Studium arbeiten müssen. Dieses Studium aber verlangt

ein viel schnelleres und strukturierteres Vorgehen, das zum Arbeiten weniger Zeit übrig lässt.

Nach der BAföG-Reform im Jahr 2001, nach Jahren der Aushöhlung des BAföG durch CDU und FDP – muss man hinzufügen –, für die Herr Rüttgers, der jetzt nicht anwesend ist, als damaliger sogenannter Zukunftsminister ein ordentliches Stück Verantwortung trägt, ist die Zahl der Beteiligung von Arbeiterkindern am Hochschulzugang deutlich angestiegen. Hieran gilt es anzuknüpfen.

Ziel muss es auch sein, das sogenannte Mittelstandsloch zu schließen: Es geht eben nicht nur um Arbeiterkinder, es geht gerade auch um den unteren Mittelstand. Die Zahlen der Sozialerhebung zeigen, dass vor allem die untere Mittelschicht, also die Familien, die gerade keine Förderung erhalten, an den Hochschulen immer weniger vorkommen.

Die bislang vorgesehene Anhebung von Einkommensfreibeträgen und Bedarfssätzen um jeweils 5 % ist unzureichend. Das muss man hier sagen. Das BAföG muss der Preisentwicklung der letzten Jahre Rechnung tragen. Im aktuellen BAföGBericht hat der BAföG-Beirat der Bundesregierung festgehalten, dass es alleine aufgrund der allgemeinen Entwicklung der Preise und Einkommen seit 2001 einer Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze um jeweils rund 10 % bedarf.

In dieser Berechnung wurde jedoch noch nicht berücksichtigt, dass Studierende in den vergangenen Jahren mit erheblichen Mehrbelastungen konfrontiert waren, auch durch die Studiengebühren, die allerdings nicht – ich sage das noch einmal explizit – durch einen erhöhten BAföG-Satz abgedeckt werden sollen. BAföG ist nicht dazu da, Studiengebühren zu finanzieren.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Studienbeiträ- ge!)

Studiengebühren! Herr Kuhmichel, Sie haben die Anhörung noch im Kopf. Da haben die Experten gesagt: Ob Beiträge oder Gebühren – Geld ist es allemal, das gezahlt werden muss. Ich bin da gar nicht so leidenschaftlich, aber das Geld muss gezahlt werden. Das ist der zentrale Punkt.

Nach den Ergebnissen des Sozialberichts des Deutschen Studentenwerks stehen einem Studierenden monatlich durchschnittlich 770 € – für Nordrhein-Westfalen ist es mit 806 € etwas mehr – zur Verfügung. Jeder Fünfte liegt unter dem BAföGHöchstsatz von 585 €. Die Studienfinanzierung wird von 40 % der Studierenden als unsicher angesehen. Das muss alarmierend wirken, denn das erzeugt einen Abschreckungseffekt, den wir alle

nicht akzeptieren können und auch nicht akzeptieren sollten.

Von der Landesregierung wurden vor der Einführung von Studiengebühren neue Stipendienprogramme angekündigt, Herr Minister. Dieses Versprechen ist – jedenfalls bisher – nicht gehalten worden.

Bei den meisten bisherigen Stipendiensystemen wird die soziale Ungleichheit auch nicht etwa abgebaut, sondern eher noch gefestigt. Für die Vergabe von Stipendien sind in der Regel allein Leistungskriterien maßgebend. Die Bedürftigkeit der Antragstellerinnen und Antragsteller bleibt dabei außen vor. Eine Überarbeitung der Auswahlkriterien ist hier unserer Meinung nach unerlässlich.

Wir fordern Sie in diesem Zusammenhang auf, als ersten Schritt die nicht benötigten Mittel des Ausfallfonds bei der NRW.BANK für den Aufbau eines solchen Stipendiensystems oder Stipendienfonds für Nordrhein-Westfalen bereitzustellen. Wir wissen, dass der Ausfallfonds wesentlich besser ausgestattet ist, als dies zur Abdeckung notleidender Darlehen erforderlich ist, die ja nicht in dem Umfange aufgenommen werden, wie man ursprünglich gedacht hatte.

Das Land muss auch in die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur des Studiums investieren. Die Qualität des Sozialraums Hochschule ist mitentscheidend dafür, dass möglichst viele junge Menschen in Nordrhein-Westfalen ein Studium aufnehmen. Das heißt, dass wir noch mehr Anstrengungen hinsichtlich Kinderbetreuung und adäquater, angemessener Wohnraumversorgung auf den Weg bringen müssen, die mit den Wohnraumbedürfnissen junger Menschen und junger Familien übereinstimmt.

Meine Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung und den Landtag daher auf, sich gemeinsam mit der Bundesregierung für eine Erhöhung des BAföG nach Maßgabe des BAföGBeirates einzusetzen; die Studiengebühren in NRW wieder abzuschaffen; die ungenutzten Mittel des Ausfallfonds bei der NRW.BANK für sowohl an Bedürftigkeit als auch an Leistung orientierte Stipendienprogramme einzusetzen; die Kürzungen der Haushaltsmittel für die Studentenwerke der beiden letzten Jahre zurückzunehmen, damit die Studentenwerke ihre Aufgabe in Beziehung auf den Sozialraum Hochschule voll wahrnehmen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.