Protocol of the Session on June 14, 2007

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Weisbrich, Sie haben gerade ein hervorragendes Beispiel dafür gegeben, dass Anhörung nicht immer Zuhören heißt; denn wenn Sie nicht die ganze Zeit über weggehört hätten, wären Sie nicht zu diesem Fazit der Anhörung gekommen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Die wichtigen Leute haben uns recht gegeben!)

Ich darf noch einmal zu ein paar Punkten kommen, die von der ersten Lesung an eine Rolle gespielt haben. Einer der wichtigsten dieser Punkte war sicherlich die Sachverständigenanhörung.

Erstens. Aus Berlin wurde berichtet, dass die im dortigen Zentralen Personalüberhangmanagement gesammelten Beschäftigten zu 73 % weiblich waren. 61 % von ihnen waren älter als 49 Jahre. Bei 30 % handelte es sich um Beamte, obwohl 60 % aller Beschäftigten Beamte sind. Außerdem fanden sich dort 18 % Schwerbehin

derte – bei einem Schnitt von 6 % in den Landesbehörden des Landes Berlin. Das deutet schon sehr darauf hin, dass eine solche gesonderte Behörde genau in eine solche Richtung führt.

Zweitens. Für uns ist von großer Bedeutung, dass Sie vorhaben, vor dem PEM-Einsatz kw-Stellen zu identifizieren, also Beschäftigte aus dem Landesdienst zu identifizieren. Dies wird auf jeden Fall zu Stigmatisierungen unter den Beschäftigten der Landesbetriebe und der Landesministerien führen. Das wird sich gar nicht vermeiden lassen.

Drittens. Wir kritisieren ganz besonders, dass Sie eine Landesoberbehörde aufbauen, um diesen Prozess durchzuführen. Sie sind doch in der glücklichen Situation, dass Sie mit entsprechendem Mitteleinsatz eine natürliche Fluktuation beschleunigen können. Bei einem beschleunigten kw-Abbau müssen Sie unseres Erachtens von vornherein die interessante Frage stellen: Welche Instrumente haben Sie zur Verfügung? – Das ist die Kernfrage.

Die Instrumente sind eigentlich eindeutig. Es sind die Altersteilzeit, der vorzeitige Ruhestand, Abfindungsangebote und das Versüßen der Annahme von Stellen außerhalb der Landesverwaltung. Aufgrund dieser ganzen Instrumente fragt sich jeder, warum Sie jetzt eine Landesoberbehörde brauchen.

Die Antwort auf diese Frage ist auch nach der Anhörung vollkommen unklar geblieben. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, warum eine solche Behörde aufgebaut wird – es sei denn, dass man den Stellen, die dann diese Instrumente zur Verfügung hätten, nicht zutraut, in ihren eigenen Bereichen einen sinnvollen Beschleunigungsprozess in Bezug auf die kw-Vermerke hinzubekommen.

Deshalb halte ich es für dringend angesagt, den Prozess in dieser Beziehung noch einmal zu überdenken. Ansonsten werden Sie nämlich mit allen Ausnahmemöglichkeiten konfrontiert werden, die das PEM-Gesetz vorsieht; denn die Behörden werden natürlich darauf achten, dass sie die Leistungsträger behalten, und keine gleichmäßige Abgabe an das PEM vornehmen.

Darüber hinaus werden Sie eine eigene Behörde mit 180 Beschäftigten haben. Das muss man sich einmal vorstellen. Über eine solche Personalabteilung verfügt noch nicht einmal ein großer Konzern.

Ferner stellt sich die Frage – und an dieser Stelle wird man natürlich nach wie vor besonders misstrauisch –, warum Sie eine solche Maßnahme brauchen, wenn die vorhandenen Instrumente

den Beschäftigten an sich sympathisch sind, sodass viele von ihnen sicherlich zugreifen werden. Gestern konnten Sie der Öffentlichkeit ja schon melden, dass diese Instrumente ein richtiger Renner sind. Jeder fragt sich, warum Sie dann noch ein Beschneiden der Mitbestimmungsrechte brauchen. Ist das Prinzip? Ist es Ideologie? Machen Sie das einfach im Vorübergehen? Oder war das Ganze gar nicht gut durchdacht?

Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal Folgendes sagen: Mit der Einrichtung einer gesonderten Landesoberbehörde PEM werden Sie einen Betrieb bekommen, in dem sich die Leistungsschwächeren wiederfinden.

Dieser Betrieb ist auch überflüssig; denn aufgrund des jetzt vorhandenen Angebotes an Instrumenten sind die Ausnutzung natürlicher Fluktuation und die Beschleunigung durchaus möglich – allerdings bei dezentraler Verantwortung.

Außerdem sind wir der Auffassung, dass Sie zu einer großen Beunruhigung beitragen werden, wenn Sie vorab – also vor Realisierung des Abbaus der kw-Vermerke – zu einer Identifizierung kommen. Dieses Wort geht sicherlich schon jetzt wie ein Schreckgespenst durch die Landesbehörden.

Lassen Sie mich kurz zusammenfassen. Wenn die Anhörung Sinn machen soll, muss man nach dieser Anhörung den Gesetzentwurf auf Eis legen und zu vernünftigen Personalangeboten an die Beschäftigten kommen, die dann auch im Einklang mit der natürlichen Fluktuation zu realisieren sind. Dieser Betrieb ist überflüssig wie ein Kropf.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Schartau. – Herr Becker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eben habe ich mit einer gewissen Überraschung zur Kenntnis genommen, dass Herr Kollege Weisbrich sich auf die angeblich positiven Erfahrungen der rot-roten Landesregierung in Berlin bezogen hat. Ich muss feststellen: Wenn sich eine schwarz-gelbe Landesregierung auf angeblich und vermeintlich positive Erfahrungen einer rot-roten Landesregierung bezieht, kommt offensichtlich nichts Vernünftiges dabei heraus. – Das gilt jedenfalls für das PEM in dieser Form ganz deutlich.

Seinerzeit sind Sie hier ja mit einem relativ großen Triumphgeheul und -geschrei angetreten und ha

ben behauptet, dass Sie mit dem Instrument PEM einen erheblichen Personalabbau leisten würden, wie ihn die alte Regierung nie geleistet habe. – Dazu ist mehreres festzustellen.

Erstens. Die alte Regierung – jedenfalls der Teil der Grünen – hat das ganz nachdrücklich getan. So ist im Hause Höhn die Stellenzahl seinerzeit von 6.500 um 1.000 auf 5.500 abgebaut worden. Das hat ja auch Ihr Finanzminister festgestellt.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Da nützt Ihr Geschrei überhaupt nichts, Herr Kollege. Wissen Sie was? Stellen Sie eine Zwischenfrage. Dann gebe ich Ihnen die passende Antwort. Ansonsten lassen Sie bitte das Gebrüll. – Herr Linssen hat das ja seinerzeit auf unsere Anfragen hin einräumen müssen.

Zweitens. Wer Personalabbau betreibt, müsste das genauso sozialverträglich tun, wie es die alte Landesregierung getan hat. Das machen Sie mit PEM – jedenfalls nach dem, was Sie vorhaben – ganz offensichtlich nicht. Das hat die Anhörung auch gezeigt.

Herr Kollege Schartau hat eben darauf hingewiesen, dass alle Erfahrungen – auch die, die Sie eben als positiv dargestellt haben – eines ganz deutlich zeigen: Im PEM landen in der Regel die Frauen und die Behinderten.

Das können Sie auch schon bei Ihrem eigenen Tun nachvollziehen. Wenn Sie richtig hinschauen, stellen Sie nämlich fest, dass bei Ihrer „Reform“, wie Sie es bezeichnen, im Bereich der Versorgungsverwaltung genau das passiert. Es sind nämlich genau die schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen, die ins PEM wandern werden. Sie bekommen das regelmäßig von den Versorgungsverwaltungen und vom Personal der Versorgungsverwaltungen bestätigt. Genau deswegen ist diese Befürchtung auch in NordrheinWestfalen berechtigt.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Lesen Sie doch einmal den Text!)

Ich habe den Text gelesen, Herr Linssen. Sie können ja gleich etwas dazu sagen.

Sie sagen, dass die nicht zuvorderst da hineinkommen. Fakt ist aber: Da, wo die Behinderten einen Großteil der Behördenstruktur und einen

Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen, werden Sie das gar nicht verhindern können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich stelle des Weiteren fest, dass Sie nicht darauf eingehen – auch wenn es erfreulich ist, dass Sie jetzt Veränderungen bei der Altersteilzeit vornehmen –, dass Sie in den Verwaltungen und in den Behörden einen Teil der großen Kompetenz älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zukunft nicht mehr nutzen können, weil Sie die nämlich in die Altersteilzeit schieben.

(Christian Weisbrich [CDU]: Das ist doch nicht wahr!)

Das ist selbstverständlich wahr, Herr Weisbrich. – Ich nenne auch da wieder das Beispiel Versorgungsverwaltung. Wenn Sie sich einmal mit den Leuten unterhalten und nicht nur Ihrer Ideologie frönen, werden Sie den Hinweis bekommen, dass mit Ihrem Konstrukt allein wegen des Altersdurchschnitts, wenn da auch noch Altersteilzeit eingesetzt wird, ein erheblicher Kompetenzverlust, ein erheblicher Verlust von Spezialwissen einhergeht.

Das ist natürlich spannend. Seinerzeit sind Sie angetreten und haben gesagt, Sie würden erheblich dadurch einsparen, dass Sie das PEM einrichten. Zunächst einmal sieht man im Haushalt von den Einsparungen nichts.

(Minister Dr. Helmut Linssen: PEM gibt es doch noch gar nicht!)

Wenn man sich das woanders ansieht, nämlich zum Beispiel in Hessen, sieht man, dass dort die Fachverwaltungen und auch die Landesregierung davon ausgehen, dass es insgesamt zu einem deutlichen Anstieg der Kosten gekommen ist, und zwar für viele Jahre, nämlich zu einem Anstieg um rund 10 %. Wir haben es dort nicht mit einer Einsparung, sondern mit Mehrkosten zu tun.

Letzte grundsätzliche Bemerkung: Wenn Sie sich vor diesem Hintergrund immer wieder als Koalition der Erneuerung und der Entbürokratisierung feiern, Herr Witzel, dann muss man sich fragen, ob Sie eigentlich bei Ihren eigenen Gesetzesvorhaben überhaupt noch hinsehen. Sie schaffen eine neue Behörde. Sie produzieren zusätzliche Probleme. Sie verursachen zusätzliche Kosten. Sie rufen nicht zuletzt eine hohe Verunsicherung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hervor. Das ist angesichts der Aufgaben, die die Landesverwaltung hat, nicht vernünftig, sondern das ist schädlich. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Becker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Orth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht verwundern, dass wir im Gegensatz zum Kollegen Becker den Gesetzentwurf nicht ablehnen, sondern ihm unsere Zustimmung geben werden. Wir begrüßen ihn sogar und unterstützen ihn ausdrücklich.

Das Personaleinsatzmanagement ist unserer Ansicht nach ein geeignetes und auch dringend erforderliches Instrument, um die Personalausgaben sowie die überproportionalen Versorgungslasten in den Griff zu bekommen. Wir wollen keine Kündigungen aussprechen. Deswegen meinen wir, dass das PEM ein vernünftiger Schritt in die richtige Richtung ist. Die bisherige Praxis der Ausbringung von kw-Vermerken reicht unserer Ansicht nach eben nicht aus.

(Beifall von der FDP)

Durch die Einrichtung eines landesweiten internen Arbeitsmarktes können wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ressortübergreifend dort hinführen, wo ihr Einsatz am meisten benötigt wird.

In der Diskussion um dieses Thema ist zu Unrecht die Befürchtung geäußert worden, Personal, das dem PEM zugehörig sei, werde stigmatisiert oder gar abgeschoben. Wir befürchten keine Ausgrenzung der Betroffenen. Die Zuordnung zum PEM erfolgt streng nach sozialen Kriterien.

(Beifall von der FDP)

Behinderte, Mitarbeiterinnen im Mutterschutz, Elternteilzeitler oder auch Personalvertreter sind ausgenommen. Dadurch wird gewährleistet, dass besonders leistungsfähige Beschäftigte die Chance erhalten, sich über das PEM weiter zu qualifizieren und auf Sicht auch unter Inanspruchnahme von Qualifizierungsmaßnahmen in einen Bereich wechseln zu können, der ihren Fähigkeiten optimal entspricht. Denn auch das muss ja nicht gewährleistet sein, dass man bisher immer schon optimal eingesetzt wird. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Übernahme von neuen Tätigkeiten in Unternehmen beispielsweise nach Umstrukturierungsmaßnahmen auch ein völlig normaler Vorgang ist.

(Beifall von der FDP)

Nichts anderes planen wir für Nordrhein-Westfalen.