Protocol of the Session on May 25, 2007

Zur Frage der Kostendeckung sagt der Antrag der CDU und der FDP nichts. Darin wird ein wenig kryptisch, wenn ich das so sagen darf, von der Erhöhung des Anreizes für die Krankenhäuser zur Organspende geredet. Wenn sich unsere Forderung dahinter verbirgt, meine Damen und Herren, bin ich sehr einverstanden.

Wir überweisen beide Anträge an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und werden im Rahmen der Beratung des Krankenhausgestaltungsgesetzes Gelegenheit haben, uns darüber auszutauschen. Lassen Sie mich daher mit einer Anregung schließen: Unabhängig davon, ob wir die Zustimmungsregelung beibehalten wollen oder ob wir eine modifizierte Widerspruchsregelung fordern wollen, kann jeder seinen persönlichen Beitrag leisten.

Meine Vermutung ist: In diesem Parlament ist die Anzahl derer, die einen Organspendeausweis bei sich tragen, nicht wesentlich höher als im Durchschnitt der Bevölkerung – vielleicht ein wenig höher, weil es vor einem Jahr schon einmal eine Aktion im Landtag gegeben hat.

Ich habe heute Morgen anlässlich dieser Debatte an die Mitglieder der SPD-Fraktion noch einmal Spenderausweise ausgegeben und eine ganz bemerkenswerte Reaktion erhalten. Viele sind gekommen und haben gefragt: Günter, hast du nicht noch fünf?

Meine Anregung ist also, meine Damen und Herren – die Parlamentsbänke sind schon ein bisschen leer –, in den Wahlkreisen bei Veranstaltungen auch für einen solchen Punkt zu werben. Dazu kann jeder einzelne von Ihnen einen Beitrag leisten.

(Beifall von der FDP)

Ich finde, wir sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Wir sind mit der Überweisung einverstanden und wünschen uns eine konstruktive Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Post das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Garbrecht, Sie sind ja mit dem Scheckkartenformat des Ausweises schon wesentlich weiter vorangekommen, als wir es noch vor einem Jahr waren, als wir nur die Pappkarten hatten.

(Günter Garbrecht [SPD]: Ja!)

Das ist toll.

Aber es ist richtig: Wir haben schon zur 60-JahrFeier des Landtags einen Stand mit Werbung für Organspenderausweise aufgebaut und dabei Gespräche geführt. Die dabei geführten Gespräche haben uns bei der Gelegenheit die Stimmung der Betroffenen, aber auch möglicher Spender gezeigt. Die Bereitschaft zu spenden wäre schon da, aber es fehlt an vielem, und zwar vor allen Dingen oft an vernünftiger Aufklärung, an Wissen über die Art und Weise, wie das abläuft. Immer wieder hörten wir, dass eine bessere Beratung nötig und dass es erforderlich sei, intensivere Gespräche mit denen zu führen, die einen Ausweis bei sich tragen wollen, oder aber auch mit den Hinterbliebenen.

So haben wir im Herbst vorigen Jahres die Gespräche zu einer verstärkten Arbeit an der Verbesserung der Transplantationsbereitschaft aufgenommen. Das Ministerium hat seine Aktivitäten – das wurde von Herrn Garbrecht eben auch erwähnt – verstärkt und damit 2006 zunächst einmal die Spendenbereitschaft erhöht. Herzlichen Dank dafür, Herr Minister! Allerdings hat sich in den ersten vier, fünf Monaten dieses Jahres deutlich gezeigt, dass die Spendebereitschaft kaum höher war als 2004.

Der Nationale Ethikrat hat nun vor ein paar Wochen seine Empfehlungen zur Erhöhung der Organspendebereitschaft in Deutschland vorgelegt. Dies begrüßen wir grundsätzlich. Allerdings begrüßen wir vor allen Dingen, dass sich ein so wichtiges Gremium wie der Nationale Ethikrat dieser Thematik annimmt und auch Empfehlungen ausspricht.

Unter anderem schlägt er eine Widerspruchsregelung vor. Ich halte über die in Deutschland geltende Zustimmungsregelung hinaus aber eine Widerspruchsregelung für derzeit nicht umsetzbar. Ich möchte, Herr Garbrecht, jetzt nicht fünf Jahre warten, bis die Diskussion im Bund endlich abgeschlossen ist. Wir müssen jetzt etwas tun. Wir sind uns auch einig, das, was zu tun ist, jetzt im Land zu initiieren.

Organspende ist ein Akt der Freiwilligkeit. Das sagt der Name „Spende“ schon. Organspende muss ein Akt der Freiwilligkeit bleiben. Wenn die Entscheidung des Spenders nicht bewusst gefällt wird, könnten Ängste entstehen, Ängste, die derzeit auch latent da sind und die schlimmstenfalls auch noch die Spendebereitschaft verhindern würden. Dies jetzt zu diskutieren erachten wir deshalb als kontraproduktiv, da die Signale aus der Bevölkerung verdeutlichen, dass das derzeit nicht akzeptiert würde.

Dies sah auch wohl der Nationale Ethikrat, der schon für die Übergangszeit zu einer möglichen Neuregelung auch vorschlug, einen Beauftragten einzuführen.

Wir sehen nun einen der wichtigen und gewichtigen Gründe in der pauschalen Kostenerstattung bzw. der zu geringen Erstattung. Wie lässt sich das nach Ihrer Meinung lösen? Es lässt sich hier ganz gut fordern, muss aber nach den Festlegungen des Transplantationsgesetzes wieder einmal in Berlin geregelt werden. Die Landesregierung hat kaum einen Einfluss auf diese Forderung zur Erhöhung der Kostenpauschalen für Transplantationen.

Zur zweiten Forderung, die Sie nennen, ist schon im jetzigen Entwurf des Krankenhausgestaltungsgesetzes ein entsprechender Hinweis vorgesehen. Sie haben ihn eben zitiert. Er ist auch wahrscheinlich so gemeint, wie Sie ihn zitiert haben.

Nach den neuesten Zahlen dieses Jahres aber – das habe ich eben gesagt – müssen wir einen Schritt weitergehen. Wir brauchen eine Beauftragung von Ärzten, die sich der Hinterbliebenen annehmen und sie vernünftig beraten, und zwar mit starkem Einfühlungsvermögen und guter psychologischer Schulung, damit sie es ganz besonders im Hinblick auf die Verletztheit und den Schmerz der Hinterbliebenen schaffen, auf diese einzuwirken und sie gut zu beraten.

Es ist wichtig, die Regelungen des Transplantationsgesetzes jetzt vollkommen auszuschöpfen. Dass das nicht passiert, sagen uns die Zahlen, nach denen sich derzeit 45 % der Krankenhäuser nicht an einer Meldung beteiligen. Das ist unbe

friedigend. Die 12 parts per million Nennungen oder Spendebereitschaft oder 15,3 im Bund sind im Gegensatz zu den 30 parts per million beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern oder Spanien verschwindend gering. Das muss verbessert werden, gerade in einem Land mit 18 Millionen Einwohnern. Was könnten wir leisten, was könnten die Menschen für Menschen leisten, wenn es gelebte Nächstenliebe wäre?

Woran fehlt es also? – Es fehlt an der Information zum Abbau von Ängsten und dadurch an der Steigerung der notwendigen Spendebereitschaft.

Es muss auch deutlich gemacht werden, dass der Einzelne selbst jederzeit zum Betroffenen werden kann. Hier darf ich auch einen Appell an die Medien richten. Denn die Medien können ganz viel zur Aufklärung, zur Information und auch zur Spendebereitschaft beitragen. Über dieses Thema wurde nämlich über fast ein Jahr ziemlich geschwiegen. Nur bei Skandalen, die manchmal passieren, wird es hochgezogen. Ich denke, das Thema ist es wert, dass es positiv besetzt wird, denn es ist ein Akt der Solidarität und der Nächstenliebe, Spendenbereitschaft zu zeigen.

Bei der Aufklärung sowohl des eventuellen Spenders als auch des möglichen Empfängers über Organspende kann Information und vertrauensvolle Darstellung durch den Hausarzt ein großes Stück weiterhelfen.

Information ist alles, vor allen Dingen dann, wenn der Fall eingetreten ist, den wir als Hirntod bezeichnen und Beratung für Hinterbliebene nötig geworden ist; Beratung durch Ärzte, die Fachwissende sind und dies mit großem Einfühlungsvermögen tun, um es trotz des Schmerzes beim Tod und trotz der Angst vor dem Tod eines Angehörigen zu schaffen, die Menschen aufzufangen; aufzufangen durch „Ärzte für Organspende“, wie ich sie nennen würde, denn der Begriff „Beauftragter“ hört sich so nach Apparatschik an. Aber über den Begriff brauchen wir uns nicht zu streiten; das machen wir später.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Die Institution eines solchen Arztes für Organspende hat in Baden-Württemberg und in Bayern gezeigt, dass man große Erfolge erzielen kann.

Lassen Sie mich, um die Zeit nicht unnötig auszuschöpfen, zusammenfassen: Für die Bereiche Unfallkliniken, neurochirurgische Kliniken – das sind die Spezialbereiche, in denen das am häufigsten vorkommt – brauchen wir den Ansprechpartner, diesen Arzt. Bitte lassen Sie es uns gemeinsam in das neue Krankenhausgesetz einbauen. Dann

leisten wir zur Verbesserung der Situation der 3.500 Menschen, die jedes Jahr wegen nicht erfolgter Spende leiden müssen, einen großen Beitrag. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorher einen Punkt ansprechen, denn hinter jedem potenziellen Spender, über die wir gerade reden, steht ein Mensch, der sein Leben verliert.

Ich glaube, allererstes Ziel muss es sein, dass wir weiterhin die Zahl der Unfallopfer und derjenigen, die als potenzielle Spender infrage kommen, zurückführen. Sosehr es für diejenigen, die auf eine Transplantation warten, vielleicht ein Problem ist, wenn es weniger Organe gibt, umso mehr wäre es ein Vorteil, wenn es weniger Tote gäbe, die auf diesem Wege sterben würden.

Also müssen wir uns mit dem Thema auch von dieser Warte aus beschäftigen und festhalten: Es ist nicht das Ziel, so viele Spender wie möglich zu haben, sondern über diejenigen zu reden, bei denen der Hirntod wirklich nicht vermeidbar ist.

Wenn man sich die Zahlen im Vergleich der Bundesländer ansieht und erkennt, dass NordrheinWestfalen mit am Ende rangiert, sollten wir uns auch vor Augen führen: Wie ist die Unfallprophylaxe in welchen Bundesländern, und wie ist die Statistik bezüglich der Unfallopfer und der potenziellen Spender? Ich finde es problematisch, wenn man die Zahl der möglichen Spender auf die Einwohner und nicht auf die wirklich Verstorbenen, die als potenzielle Spender infrage kämen, bezieht. – Das wird noch ein Diskussionspunkt für die Ausschussberatung sein.

Ich glaube nach wie vor, dass jeder Mensch für sich selbst und selbstbestimmt entscheiden muss, ob er bereit ist, seine bzw. die Organe seiner Angehörigen – in dem Fall seiner Kinder – zu spenden. Und ich glaube, dass diese Entscheidung unabhängig von dem Akutfall stattfinden muss.

Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt und im Internet recherchiert, dann findet man sehr viel persönliche und betroffen machende Berichte, häufig von Eltern, die sich beim Tod ihres Kindes unter Druck gesetzt fühlen – gerade oft in Krankenhäusern von Transplantationsbeauftragten –,

sie sollten jetzt Nächstenliebe praktizieren und die Organe spenden.

Deswegen liegt es in unserer Verantwortung, die Diskussion aus der Situation „Todesfall“ heraushalten und sie sehr viel früher und außerhalb dieser Situation führen.

In diesem Parlament herrscht Einigkeit über Palliativmedizin und über Hospizarbeit und sehr viel Übereinstimmung in der Frage der Bestattungs- und Trauerkultur. Dies eingedenk muss auch klar sein: Es darf nicht sein, dass Menschen in einer Situation, in der sie gerade einen Angehörigen verloren haben, nicht die Möglichkeit haben, zu trauern und Abschied zu nehmen, sondern unter Druck gesetzt werden, sie sollten anderer Menschen Leben retten. Da werden zwei Interessen gegeneinander ausgespielt. Das darf nicht sein. Deswegen müssen wir diesen Punkt sehr ernst nehmen und einen anderen Weg finden.

Ein zweiter, von Einzelnen angesprochener Punkt, ist ebenfalls sehr wichtig. Ein großer Teil der Menschen, der gefragt wird, ob er Organe spenden würde, sagt ja. Es gibt auch eine Vielzahl von Menschen, die den Organspendeausweis annehmen und sagen: Klar fülle ich den aus. Aber es gibt mindestens genauso viele Menschen, die den Organspendeausweis dann weit weglegen, weil viele Ängste damit verbunden sind.

Es sind zwei Ängste damit verbunden:

Erstens. Ist Hirntod wirklich feststellbar? Man kann medizinisch darüber aufklären, was wann wie feststellbar ist.

Zweitens. Verbirgt sich dahinter nicht immer auch das Risiko der Korruption? Was ist in dem Falle, wenn gerade jemand da ist, der ein Organ braucht und meines passt?

(Norbert Post [CDU]: Das ist kein Wider- spruch!)

Die Angst ist massiv vorhanden. Deswegen sagen viele Menschen: Ich trage keinen Organspendeausweis mit mir herum, sonst werde ich unter Umständen als Spender herangezogen, obwohl ich noch überleben könnte. Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Das ist die Angst in den Köpfen der Menschen.

Diese Angst müssen wir ernst nehmen. Denn wenn wir die Angst nicht ernst nehmen, werden wir das Problem nicht lösen. Es wird nicht reichen, den Menschen einfach zu versichern: Nein, es passiert nichts. In den Köpfen der Leute sind die Bilder von Menschen, die bei lebendigem Leibe …

Ob das Fiktion ist oder nicht, ist doch egal. Es ist die Angst, die damit verbunden ist, und die Angst müssen wir auflösen.