Protocol of the Session on May 25, 2007

Ob das Fiktion ist oder nicht, ist doch egal. Es ist die Angst, die damit verbunden ist, und die Angst müssen wir auflösen.

Ich glaube, die Angst kann man nicht auflösen, wenn man eine Widerspruchslösung schafft. Die Widerspruchslösung führt dazu, dass die Ängste noch größer sind, weil die Menschen dann sagen: Wir haben Angst davor, dass jemand meinen Widerspruch verschwinden lässt. Deswegen müssen wir ein System finden, das unabhängig davon ist.

Ich stelle mir zum Beispiel die Einrichtung einer zentralen Kartei vor oder die Gesundheitskarte, wenn es sie irgendwann gibt, einen verschlüsselten Code enthält, wonach jeder Mensch verpflichtet ist, sich zu verhalten. Sich zu entscheiden und zu sagen ja oder nein, finde ich wichtig und richtig, aber jeder muss ja oder nein sagen können.

Es muss klar sein, dass diese Information erst dann eingesehen wird, wenn der Hirntod festgestellt ist. Denn wenn die Information vorher eingesehen werden kann, ist die Angst da: Man kann mich vielleicht für hirntot erklären, wenn ich es noch gar nicht bin. Deswegen muss man den Menschen die Antwort darauf liefern.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Die Antwort wird nicht geliefert, und die Angst wird nicht beseitigt, indem man einen Beauftragten oder eine Widerspruchsregelung installiert. Vielmehr müssen wir Lösungen finden, die für die Menschen wirklich Antworten liefern und die Ängste ernst nehmen.

Das hat in unserem Land auch viel mit unserer Art des Umgangs mit Tod und Trauer zu tun. Wir haben schon oft diskutiert, dass es bei uns anders ist als in manchen anderen Ländern. Deswegen kann man das nicht vergleichen.

Vielleicht gibt es andere Wege, damit umzugehen, als den einen, den ich vorschlage. Aber es wird nichts nützen, den Menschen einreden zu wollen: Eure Angst ist Blödsinn. – Das führt zu nichts. Angst ist nichts Rationales, sondern etwas Subjektives. Die Ängste, die die Menschen haben, müssen wir ernst nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Steffens. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Steffens, wir sind einer Meinung: Ängste wirklich anzuneh

men, objektiver aufzuklären, das ist der Weg, der dazu führt, dass die Spendenbereitschaft weiter erhöht wird.

Ich habe den Beitrag von Herrn Garbrecht gehört und den Antrag der SPD gelesen. Sie haben viele Beispiele europäischer Länder aufgeführt, wo es Widerspruchslösungen gibt, die erkennbar zu einer deutlichen Erhöhung der Spendenbereitschaft führen. Darüber kann man breit diskutieren. Das sollte nicht im Kampf der Fraktionen geschehen, sondern das sollte der Bundestag ohne Fraktionszwang weiterhin debattieren – Ende offen. Es ist aber jedenfalls richtig, die Diskussion darüber fortzusetzen, dass die Spendenbereitschaft in Ländern mit Widerspruchslösungen im Vergleich größer ist und mehr Organspenden zur Verfügung stehen.

Die Zahl der Spenderorgane korreliert auch – Frau Steffens hat es angesprochen – mit der der Verkehrstoten. Das trifft zu. Wir können stolz auf die geringe Anzahl Verkehrstoter in NordrheinWestfalen sein. Das spielt aber in die Zahlen für Organspenden mit hinein, wenn wir beklagen, dass wir dort relativ am Ende der bundesdeutschen Rangfolge stehen. Dass in MecklenburgVorpommern, wo die Zahl der Verkehrstoten relativ hoch ist – ein östliches Bundesland, das früher eine Widerspruchslösung hatte –, vermehrt Organe gespendet werden, verwundert nicht. Diese Korrelation muss man berücksichtigen.

Deshalb müssen wir auch darüber reden, ob es sinnvoll ist, flächendeckend an jedem Krankenhaus Transplantationsbeauftragte einzusetzen. Ich sehe nicht unbedingt, dass BadenWürttemberg durch die Installierung von Transplantationsbeauftragen Erfolg gehabt hat, denn es darf nicht außen vor gelassen werden, dass auch in Baden-Württemberg im Vergleich zu NordrheinWestfalen die Zahl der Verkehrstoten ziemlich hoch ist.

Es hilft auch nicht, Transplantationsbeauftragte an jeder Klinik zu installieren, weil es auch Kliniken gibt, bei denen es faktisch gar nicht vorkommt, dass ein Mensch in einer Situation ist, dass gefragt wird. Es macht keinen Sinn, Menschen bürokratisch zu organisieren und vernünftig auszubilden, wenn es in einer Klinik gar keine Fälle gibt. In einem normalen Krankenhaus mit Innerer Abteilung und Bauchchirurgie kommt so ein Fall faktisch nicht vor – vielleicht alle zwei oder drei Jahre. Dafür brauchen wir in diesem Krankenhaus keinen Beauftragten.

Wir müssen aber die Koordination in den Kliniken verbessern, bei denen das vorkommt: in Unfallkli

niken, in neurochirurgischen Kliniken, wo ein Mensch nach einer Hirnblutung hirntot ist. Wenn so eine Situation da ist, ist Fachlichkeit gefragt. Der Beauftragte muss ein sensibler, einfühlsamer Mensch sein, fachlich ausgebildet, und das Krankenhaus muss dahinterstehen. In vielen Krankenhäusern wie in großen Unfallkliniken läuft das auch. Es gibt in Nordrhein-Westfalen aber auch einige, da läuft es nicht.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation gibt eine Liste heraus, die im Internet verfügbar ist. Dort sieht man die Schwerpunktkliniken, in denen Organe im Vergleich zu anderen Kliniken nicht in ausreichender Zahl bereitgestellt werden. Man kann die Diskussion führen, weshalb von Kliniken mit ähnlichem Potenzial manche das besonders gut machen und manche nicht so gut.

Wir sollten, wenn es um Transplantationen geht, auch den Weg der Lebendspenden ansprechen, der immer mehr beforscht wird. Mittlerweile gibt es beispielsweise Forschungsergebnisse aus Tübingen und aus Freiburg. Dort können auch Lebendorgane von Spendern transplantiert werden, bei denen die Gewebemerkmale nicht übereinstimmen, also keine Gewebeverträglichkeit gegeben ist. Das ist mittlerweile durch Immuntherapien möglich. Auch diesen Bereich soll man nicht aussparen.

Wir sollten alternativ weiterhin nach Möglichkeiten forschen, wie man bei bestimmten Krankheitsbildern auf Transplantationen verzichten kann, wie man Krankheitsbilder mit künstlichen Organen oder anderen innovativen Therapien vernünftig und frühzeitig behandeln kann.

All das gehört zu der heutigen Diskussion. Mit einer Widerspruchslösung werden wir in NordrheinWestfalen das Problem nicht lösen können; das wollen wir auch nicht. Wir wollen aber die Aufklärung verstärken und die Debatte führen, warum das in manchen Kliniken klappt und in manchen nicht. Ich bin auf die weitere Diskussion im Ausschuss sehr gespannt. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung hat Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Organspende geht es für jeden Menschen um eine sehr individuelle Entscheidung. Es ist eine

Selbstverständlichkeit, dass auch jede Entscheidung respektiert wird.

Wahr ist aber auch, dass die Organtransplantation zu einer modernen Medizin gehört. NordrheinWestfalen ist ein Land, welches über eine exzellente Transplantationsmedizin verfügt. Wahr ist, dass viele Menschen eine hohe Lebensqualität haben, obwohl sie schwer erkrankt waren und manche von ihnen nur noch deswegen leben, weil es in unserer Zeit diese Form der Medizin gibt.

Wahr ist auch, dass sich der Deutsche Bundestag Anfang der 90er-Jahre für eine Zustimmungslösung entschieden hat. Ich kann nicht erkennen, dass es auf Bundesebene zurzeit auf der Tagesordnung steht, hieran etwas zu verändern. Deshalb müssen wir in Nordrhein-Westfalen zunächst einmal mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen arbeiten, die wir haben.

Unser Land ist bei der Organspende mit Abstand das Schlusslicht in Deutschland. Da können Sie alle Statistiken zusammenzählen.

Die Debatte wird in Gesundheitsministerkonferenzen angesprochen nach dem Motto: Wenn ihr im größten Bundesland das nicht besser hinbekommt, werden wir irgendwann Verteilungsmechanismen für Organe in Europa bekommen, weil andere Länder nicht bereit sein werden, in diesem Umfang ein Exportland in Sachen Organe für Deutschland zu sein. – Die kleinen Bundesländer können sich anstrengen, so viel sie wollen: Wenn das größte Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern und 414 Krankenhäusern die Dinge in dieser Frage nicht in den Griff bekommt, ist das Problem für die gesamte Republik unlösbar. Wir müssen den Ernst der Lage schon sehen.

Was haben wir getan? Natürlich gehört dazu, dass Staat, Gesellschaft, Regierung, politische Repräsentanten und Kirchen Werbung dafür machen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Könnte ich mir vorstellen, dass mir Organe entnommen werden, wenn ich einmal sterben sollte?

Ich habe mir persönlich diese Frage gestellt, als ich damals als junger Abgeordneter im Deutschen Bundestag mit diesem Thema konfrontiert wurde.

Wir haben natürlich auch als Landesregierung einiges getan. Wir haben zum Beispiel 600.000 Mitarbeitern des Landes – mit den Pensionären zusammen – Organspendeausweise zugeschickt. Zusammen mit dem Apothekerverband haben wir alle Apotheken gebeten, diese Ausweise auszulegen. Ich habe alle Bürgermeister in NordrheinWestfalen angeschrieben und gebeten, die Ausweise in den Ämtern auszulegen, in die die Leute

kommen, um den Personalausweis zu verlängern. Ich habe darum gebeten, die Leute anzusprechen und ihnen einen Organspenderweis mitzugeben.

Menschen aus den Selbsthilfegruppen von Menschen, die eine Transplantation hinter sich haben oder noch darauf warten, engagieren sich in unseren Fußgängerzonen und Kaufhäusern zusammen mit der DSO riesig, um Menschen darauf anzusprechen.

Nach Umfragen sagen zwei Drittel der Deutschen, sie seien für Organspenden, aber nur 12 % haben einen Ausweis. An dieser Stelle müssen wir ohne Frage weitermachen.

Viel wichtiger als der Ausweis ist aber, dass man zu Hause mit dem Partner oder den Kindern – wenn diese alt genug dafür sind – darüber redet, wie man selbst darüber denkt. Das Problem ist nämlich: Selbst wenn man einen Ausweis hat, bedarf es der Zustimmung der Angehörigen zur Organentnahme, wenn jemand verstirbt. Die Zustimmung zur Organentnahme fällt den Angehörigen immer leichter, wenn sie wissen, wie der Betroffene persönlich darüber gedacht hat. Das müssen wir auch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall von der CDU)

Dabei haben wir alle ein Problem. In unserer säkularisierten Welt ist die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Tod auch ein bisschen aus der Mode gekommen. Es ist aber nun einmal so: Es wird uns irgendwann treffen.

Bei der Organentnahme interessieren uns nicht nur junge Leute. Auch die Einstellung älterer Menschen ist ganz wichtig geworden; denn wir transplantieren mittlerweile auch die Organe 70Jähriger. Deshalb begrüße ich die Initiative „Alt für Alt in der Organspende“ durchaus. Ich begrüße es, dass sich auch die Seniorenverbände mit diesem Thema beschäftigen. Viele Leute denken immer noch, wenn sie schon 60 oder 70 sind, wäre das für sie kein Thema mehr. Das ist Quatsch. Auch da gibt es noch Aufklärungsbedarf.

Aber jetzt kommen wir zu einem ganz entscheidenden Punkt. Es geht um die Feststellung, wer sich für eine Organspende eignet, wenn der Tod eingetreten ist. Unfallopfer spielen bei der Organspende im Übrigen gerade noch zu 20 % eine Rolle. Nur noch jedes fünfte Organ, was entnommen wird, hat mit einem Unfall zu tun. Die große Baustelle in der Medizin ist heute ganz woanders. Für die Frage, wer sich für eine Organspende eignet, ist das Krankenhaus nun einmal die entscheidende Baustelle, weil es dort stattfindet, weil der Mensch dort versorgt wird.

Deswegen haben wir dort angesetzt, als ich ins Amt kam und die Zahlen von NRW begriffen hatte. Wir haben uns sofort entschlossen, alle zusammenzuholen: die Krankenhausgesellschaft, unsere Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kammern. Alle, die damit zu tun haben, haben eine Task force gebildet. Alle, die damit zu tun haben, wollen das in den Griff bekommen. Ich selbst habe in allen Regionen unseres Landes mit den in den Kliniken zuständigen Ärzten darüber gesprochen. Dies geschah zusammen mit der Krankenhausgesellschaft und mit Unterstützung der Ärztekammer.

Ich muss einfach feststellen: Für die ersten vier Monate dieses Jahres ist die Zahl so grottenschlecht, dass sich an der ganzen Geschichte nichts bewegt hat. Wollen wir jetzt einfach sagen, wir machen so weiter, weil wir uns alle einig sind, aber am Ende bewegt sich nichts und NordrheinWestfalen leistet seinen Beitrag für die Versorgung in Deutschland und Europa nicht? Darüber kann man doch nicht einfach hinweggehen nach dem Motto: Es bleibt so, wie es ist.

Wir haben zum einen ganz engagierte Leute in den Krankenhäusern und haben Zahlen, die zeigen, dass Bemühungen alles in allem auch zum Erfolg führen. Es gibt jedoch andere, die sich um gar nichts kümmern. Das ist nach meiner Meinung nicht mit der Ethik eines Krankenhauses in Übereinstimmung zu bringen. Das sage ich ganz offen. Ich kann nicht für modernste Transplantationsmedizin sein und mich dieser Frage dann überhaupt nicht stellen.

Ich bin kein Mensch, der glaubt, dass man alleine dadurch, dass man einen Beauftragten in ein Gesetz hineinschreibt, ein Problem löst. Viele Probleme gäbe es in Nordrhein-Westfalen nicht, wenn das so wäre. Denn schon früher hat es Beauftragte für alles und jedes gegeben. Ich finde, dass zu einer Debatte über eine Novelle des Krankenhausgesetzes auch gehört, die Frage zu beantworten, wie wir mit dieser Thematik treffgenauer umgehen. Diese Frage gehört dazu. Das begrüße ich.

Wir haben in das Gesetz verbindliche Abmachungen aufgenommen. Ich bin auch offen für andere Vorstellungen. Dass wir aber im Zusammenhang mit dem nordrhein-westfälischen Krankenhausgesetz die Frage debattieren, wie wir die Transplantationsmedizin als einen der wesentlichen Bereiche der Exzellenzmedizin in unserem Land so ausgestalten können, dass viele Menschen davon profitieren – natürlich in hoher ethischer Verantwortung –, gehört zur Beratung eines solchen Gesetzes dazu.

Zu diesem Gesetz gehört natürlich auch dazu, über die Finanzierung von Krankenhäusern zu reden. Durchaus erlaubt finde ich, mit dieser Debatte zu verbinden, dass wir Krankenhäuser finanzieren, die bei Förderlisten zwar ganz vorne anstehen, sich aber um diese Frage nicht kümmern. Auch das möchte ich einmal deutlich sagen.

(Beifall von CDU und FDP)

Um so etwas durchzusetzen, brauchen wir einen breiten parlamentarischen Konsens. Deswegen darf man das Krankenhaus in dieser Debatte nicht aus seiner Verantwortung entlassen.

Das gilt im Übrigen auch für die kleinen Krankenhäuser. Denn auch dort gibt es – vielleicht nicht jedes Jahr, aber ab und an – solche Fälle. Das hat immer wieder mit Lebenschancen für einzelne Menschen zu tun.

Deswegen bin ich froh, dass wir diese Debatte hier und heute geführt haben, möchte darüber aber im Ausschuss im Zusammenhang mit Änderungsanträgen zum Krankenhausgesetz weiter debattieren. Auch unser Haus wird gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten.