Protocol of the Session on May 23, 2007

deswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat sich in der ZDF-Talkshow bei Maybrit Illner öffentlich gegen Mindestlöhne ausgesprochen. Auch Ihr ehemaliger Bundestagskollege, Klaus-Werner Jonas, der in Leipzig drei Friseurgeschäfte mit rund 40 Vollzeitbeschäftigen betreibt, ist vehement dagegen eingetreten.

In der „Welt am Sonntag“ vom 13. Mai dieses Jahres erklärte er unmissverständlich – ich zitiere –, bei 7,50 € Mindestlohn könne er seinen Laden gleich dichtmachen.

Das war kein Mittelständler der CDU, sondern es ist ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Es klingt zwar gut, einen relativ hohen Mindestlohn zu fordern. Man muss aber wissen, welche Konsequenzen das nach sich zieht. Unternehmen haben Alternativen. Sie können im Ausland produzieren oder Maschinen statt Menschen einsetzen. Arbeitnehmer, besonders die Geringqualifizierten, haben im Zweifel keine Alternative außer der Arbeitslosigkeit. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 6,50 € wären im Osten 4,4 %, im Westen 2,2 % aller Beschäftigungsverhältnisse bedroht, bei 7,50 € 6,4 % im Osten und immerhin noch 3 % im Westen. Da reden wir von 465.000 bis 620.000 Jobs in diesem Land. Man sollte einmal deutlich sagen, über welche Zahlen wir hier reden.

Diese Tendenz bestätigt Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Er hat im Nachgang zu der WDR-Sendung „Hart aber fair“ – Null Bock auf Job – Wer ist jetzt noch arbeitslos?“ gesagt – ich zitiere –, Jobs, deren Marktwert unter 7,50 € liege, würden dann nicht mehr von den Arbeitgebern angeboten. Jobs, deren Marktwert mindestens 7,50 € betrage, würden nur dann mit Geringqualifizierten besetzt, wenn sie die Anforderungen erfüllen könnten. Das wird aber bei vielen Geringqualifizierten nicht der Fall sein.

Verantwortliche Politik darf die Realität nicht ignorieren und den Betroffenen nicht suggerieren, sie würden durch Mindestlöhne an Wohlstand gewinnen, obwohl sie in Wirklichkeit Gefahr laufen, ihre Arbeitsplätze zu verlieren.

Zum Schluss noch ein Gedanke: Niemand, der gegen gesetzliche Mindestlöhne ist, ist damit automatisch auch für geringe Bezahlung – im Gegenteil. Es ist durchaus wünschenswert, dass jeder wenigstens 7,50 € in der Stunde bekommt. Diese Löhne dürfen aber nicht staatlich verordnet

werden, sondern müssen am Markt verdient werden. Ich halte es trotzdem für selbstverständlich, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld im Portemonnaie hat als derjenige, der nicht arbeitet.

Wenn das nicht von selbst funktioniert, dann sollte man darüber nachdenken, ob der Staat eingreifen muss, damit die Löhne nicht auf ein sittenwidriges Niveau fallen. Letztere können beispielsweise gesetzlich verboten werden.

Eine Politik, die gesetzliche Mindestlöhne fordert und damit die Arbeitslosigkeit Tausender von Menschen in Kauf nimmt, handelt nicht im Interesse der Menschen. Die Politik sollte sich auch weiterhin aus der Lohnfindung heraushalten und dies den Tarifpartnern überlassen. Damit sind wir in den vergangenen Jahrzehnten sehr gut gefahren. Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, lehnen wir deshalb ab. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brakelmann. – Jetzt hat für die FDPFraktion Herr Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der Debatte heute hier merkt man, dass der Druck auf die Sozialdemokraten durch das sozialistische Lager deutlich zugenommen hat.

Meine Damen und Herren, mit dem Arbeitslosengeld II haben wir bereits einen faktischen Mindestlohn.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das stimmt nicht!)

Jeder Mindestlohn, der oberhalb des ALG-IINiveaus liegt, vernichtet zwangsläufig Arbeitsplätze und fördert die Schwarzarbeit. Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir in dieser Debatte ordnungspolitisch klar aufgestellt.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Fragen Sie mal den Minister! Der schüttelt schon den Kopf!)

Für uns Liberale sind Mindestlöhne maximaler Unsinn. Eine gesetzliche Regelung wäre mit einem unvertretbaren Vollzugs- und Kontrollaufwand verbunden. Der Minister hat es eben angesprochen: Gerade auch die Frage der unterschiedlichen Löhne innerhalb der Bundesrepublik ist ein Problem, auf das Sie bisher keine Antworten gegeben haben.

Meine Damen und Herren, wir sollten stattdessen wirtschaftliche Vernunft walten lassen und um den

besten Weg zur Schaffung neuer Arbeitsplätze streiten. Das ist das Gebot der Stunde. Und dieser Aufgabe fühlt sich die FDP besonders verpflichtet.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Privat vor Staat!)

Aber, meine Damen und Herren, schon das Gerede über Mindestlöhne ist schädlich für den Arbeitsmarkt und die Konjunktur. Deshalb wird sich die Koalition der Erneuerung an dieser Diskussion auch nicht beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Die Fraktion der SPD hat gemäß § 43 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei ihrem Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. Erklärt sich ein Mitglied des Landtages nicht, so gilt dies als Nichtbeteiligung an der Abstimmung.

Ich bitte Herrn Abgeordneten Wirtz, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Bitte schön.

(Der Namensaufruf erfolgt; Namensliste sie- he Anlage 1.)

Jetzt müssen wir noch diejenigen fragen, die nachgekommen sind. – Frau van Dinther?

(Regina van Dinther [CDU]: Nein!)

Herr Berger?

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Nein!)

Gibt es einen Abgeordneten, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Abstimmung, und wir zählen die Stimmen aus.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben: Zum Antrag der SPD-Fraktion Drucksache 14/4352 haben mit Ja 78 Abgeordnete und mit Nein 96 Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich keiner. Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Stimmen abgelehnt.

Ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf:

4 Kleinstaaterei beim Flughafenausbau in NRW stoppen – Subventionslöcher schließen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1029

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen und Verkehr Drucksache 14/4318

Ich weise darauf hin, dass dieser Antrag gemäß § 79 Abs. 2 Ziffer b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Bauen und Verkehr federführend überwiesen wurde, und zwar mit der Bestimmung, dass die Beratung und Abstimmung durch dieses Hohe Haus erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt.

Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Bauen und Verkehr liegen nunmehr vor.

Ich eröffne die Beratung und gebe Herrn Abgeordneten Becker für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! NordrheinWestfalen ist überversorgt mit Flughäfen. Mit drei internationalen Flughäfen, sechs Regionalflughäfen sowie neun Schwerpunktlandeplätzen für den europäischen Geschäftsreiseverkehr hat NRW eine europaweit einmalige Flughafendichte.

Die Entscheidungen und die gesamten Konzeptionen für den Ausbau stammen in der Regel von den kommunalen Anteilseignern, in deren Besitz sich die Flughäfen überwiegend befinden. Eine überörtliche Ausbauplanung des Bundes, die sich an Maßstäben der verkehrlichen Notwendigkeit, der Effektivität und der Minimierung von Folgen für die Umwelt orientiert, findet nicht statt.

Die Folge ist eine massive Verschwendung öffentlicher Mittel, weil sich die Flugplätze gegenseitig Kundinnen und Kunden wegnehmen und die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Flughafennachbarn bedroht wird. Das führt insbesondere bei den Regionalflughäfen zu massiven Defiziten, meine Damen und Herren:

Allein in Dortmund summieren sich die Verluste des Flughafens in den letzten elf Jahren auf rund 200 Millionen €. Hierfür mussten die Kundinnen und Kunden der Stadtwerke aufkommen, die mit ihren Strom-, Gas- und Wasserrechnungen dafür bezahlt haben.

In den Flughafen Niederrhein sind bislang rund 50 Millionen € öffentliche Zuschüsse geflossen, die überwiegend aus dem Kreis Kleve beigesteuert wurden.

Der Mönchengladbacher Flughafen macht jährliche Verluste in Höhe von 5 Millionen €.

Am Flughafen Essen/Mülheim liegen die Defizite, die jährlich von der Kommune und teilweise auch vom Land mitgetragen werden, bei rund 1 Million €.

Meine Damen und Herren, ein Ende dieser Dauersubventionen in NRW ist nicht absehbar. Vielmehr wird es angesichts der derzeitigen massiven Ausbauplanungen bei den NRW-Flughäfen zu einem noch viel größeren Zuschussbedarf der öffentlichen Hand kommen. So planen derzeit die Flughäfen in Dortmund, Münster/Osnabrück, Paderborn und auch in Kassel-Calden den Aus- und Neubau von Start- und Landebahn, und jeweils lautet die Begründung, dass es am anderen Standort auch gemacht würde. Damit, meine Damen und Herren, wird der desaströse Subventionswettlauf immer weiter angeheizt.

(Beifall von den GRÜNEN)