Es ist immer wieder schön, wie massiv die CDA im Land Nordrhein-Westfalen gegen diese Landesregierung zu Felde zieht. Bei Mindestlöhnen treffen wir in allen Teilen des Landes auf den innerparteilichen Widerstand der CDA. In meinem Heimatkreis Unna spricht sich die CDA einstimmig für den gesetzlichen Mindestlohn aus. Mein persönliches Erlebnis beim Mai-Empfang in Dülmen, bei dem ich natürlich über die Einführung des Mindestlohns gesprochen habe: Einzig Kollege Jostmeier war not amused. Aber das Schlusswort bei dieser Veranstaltung hielt der CDAVorsitzende. Die „Dülmener Zeitung“ schrieb:
Doch auch Bernd Wiesel, Chef der CDA Dülmen, setzte sich für einen gesetzlichen Mindestlohn als Baustein für sozialen Frieden ein: „Wir unterstützen die Unterschriftenaktion ‚Stoppt die Armutslöhne!’. Sie sind ein Anschlag auf die Würde des Menschen und stehen im krassen Widerspruch zur christlichen Soziallehre.“
Der CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe verteidigt die Unterschriftenkampagne der CDU-Sozialausschüsse CDA für Mindestlöhne. Es gehe um eine Aktion von CDUGewerkschaften, und er finde es „völlig in Ordnung“, wenn auch die CDA an dieser Stelle deutlich zeige, wo sie stehe, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion am Dienstag im Deutschlandfunk; die CDA wolle beim Mindestlohn weiterkommen.
Das will der CDA-Vorsitzende wahrscheinlich auch, der Arbeitsminister des Landes NordrheinWestfalen aber nicht. Ich frage mich, Herr Laumann, welchen Hut Sie heute aufhaben.
So Ihre CDAler, Herr Laumann! Und das ist die Wahrheit, um einmal mit Ihren Worten zu sprechen: Mit Ihrer Wackelposition blockieren Sie Ihre eigene Arbeitnehmerorganisation. Sie machen keine Arbeitnehmerpolitik, sondern Sie schwächen die Arbeitnehmer in Ihrer Partei. Sie benutzen die CDA für den konservativen Flügel. Pfui!, kann man da letztendlich nur sagen.
Kommen wir zum Entsendegesetz. Bundesminister Müntefering hat bereits angekündigt, dass weitere Branchen in das Entsendegesetz aufgenommen werden sollen. Das ist auch gut so. Da Sie, Herr Laumann, gerne mit den Löhnen aus dem östlichen Ausland zur Verhinderung des Mindestlohns kokettieren, sollten gerade Sie dem Bestreben des Bundesarbeitsministers zur Seite springen.
Ihr Hinweis darauf, dass Norbert Blüm die letzten Tarifverträge ins Entsendegesetz aufgenommen hat, bevor die Union wieder in Regierungsverantwortung kam, ist wenig hilfreich und dazu auch noch falsch, zumal Norbert Blüm zu den stärksten Befürwortern von Mindestlöhnen zählt. Ihre Kollegen in Berlin sind hier jedoch eher passiv geblieben, skeptisch, ja geradezu sauer auf diese Initiative von Franz Müntefering. Von Beteiligung kann erst recht keine Rede sein.
Die Unternehmen, die unter das Entsendegesetz fallen, müssen ihre Beschäftigten nach dem deutschen Tarifvertrag bezahlen. So werden Beschäftigte der entsprechenden Branche vor Dumpinglöhnen geschützt. Für die heimischen Unternehmen werden dadurch Wettbewerbsverzerrungen durch Lohndumping ausländischer Arbeitnehmer reduziert.
Im Koalitionsausschuss wurde seitens der SPD vorgeschlagen, dass diese Allgemeinverbindlichkeit wie schon beim Bau und bei den Gebäudereinigern durch Verordnung des Kabinetts erfolgt. Das heißt, die Tarifparteien machen die Vereinbarung, und das Kabinett gibt ihr durch Verordnung Gültigkeit.
Die Union lehnt diese Verordnung ab. Sie will die Entscheidung in die Verantwortung eines Tarifausschusses legen. Das hieße, dass die Arbeitgeber im Tarifausschuss die Wirkung des Entsendegesetzes vollends aushebeln könnten. Das konnte so nicht akzeptiert werden, und das greift letztlich das Bild vom Bock und dem Gärtner auf.
Herr Minister, Herr CDA-Vorsitzender, wenn Sie Ihre immer wieder medienwirksamen Äußerungen gerade im Vergleich zu Ostländern ehrlich meinen, dann heben Sie endlich diese Blockade Ihrer CDU-Freunde in Berlin auf!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird immer wieder der Kombilohn als die Laumann’sche Rettung des Existenzminimums dargelegt.
Dazu kommen wir noch, Herr Kollege. – Wir alle wissen, dass die Löhne, wenn sie staatlich subventioniert werden, weiter unter Druck geraten. Herr Laumann, Sie stehen heute anders da als in der Debatte vor einem Jahr. Am 5. April 2006 sagten Sie noch hier im Plenum:
„Je breiter Sie in den Ansatz einer Kombilohnüberlegung gehen, desto mehr stellt sich die Frage von Mindestlöhnen zwingend, weil sonst der Kombilohn in der Subvention eine Wirkung auf die Löhne nach unten bekommt, die Sie am Ende nicht mehr ausgleichen können.“
Herr Laumann, was denn jetzt? In Berlin nehmen Sie für sich ausschließlich den Kombilohn in Anspruch. Wenn Kombilohn, dann zwingend auch Mindestlohn, so zumindest im letzten Jahr. Jetzt prahlen Sie mit Kombilohn, wollen aber von Mindestlohn nichts mehr wissen. Gehört dieser Sinneswandel auch zur christlichen Soziallehre? Wohl kaum, eher zu den Urvätern der Union nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.
Die neueste Masche: Laumann, der Retter über Allgemeinverbindlichkeitserklärungen. Die Mär mit dem leeren Blatt Papier ist, wie Sie nach der letzten Plenarsitzung sicherlich selbst recherchiert haben, in Ihrem Internet veröffentlicht und im Tarifspiegel nachzulesen. Im Übrigen kann ich Ihnen gerne seit 2000 bis zu Ihrer Amtsübernahme 26 Tarifverträge aufzählen, die von Ihren Vorgängern für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Ich lese Sie Ihnen gerne vor, Herr Laumann, nur jetzt aus Zeitgründen nicht mehr.
Lohntarifvertrag Gebäudereinigerhandwerk, Ministerin Brusis, Abschlussdatum: 20. Januar 2000, für allgemeinverbindlich erklärt am 5. April 2000; Lohn- und Gehaltstarifvertrag Bäckerhandwerk, Abschlussdatum: 19. Mai 2000, Minister Schartau, für allgemeinverbindlich erklärt am 13. September 2000. Ein Beispiel greife ich noch heraus: Tarifvertrag über Ausbildungsvergütung Friseurhandwerk, 20. März 2003, für allgemeinverbindlich erklärt am 10. Juni 2003.
Hier habe ich die Tarifverträge, ich gebe sie Ihnen gerne. Es muss für die Arbeitsminister einfacher werden, Allgemeinverbindlichkeitserklärungen abzugeben. Das ist auch die Forderung der CDA. Da muss der Arbeitsminister auch einmal gegen die Unternehmen das Kreuz durchdrücken und sich nicht hinter dem Gesetz verstecken. Im Übrigen sollten Sie etwas zurückhaltender sein mit Ihrer Behauptung, Sie seien der einzige Minister in Deutschland, der Tarifverträge als allgemeinverbindlich erklärt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein gesetzlicher Mindestlohn ist eine einfache und unbürokratische Lösung und eine klare Orientierung für alle. Länder wie zum Beispiel Großbritannien belegen das, wo unter Beteiligung der Gewerkschaften eine Kommission die jeweilige Anpassung nach wirtschaftlichen und sozialen Faktoren empfiehlt. Der Wirtschaft geht es gut; die Arbeitslosigkeit dort wurde abgebaut. Geben Sie Ihre Blockade auf! Halten Sie es mit Norbert Blüm: „Sie sägen den Ast ab, auf dem Sie sitzen. Der Mindestlohn muss her.“
Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. Wir werden anhand des Wortprotokolls überprüfen, ob die Aussage „Sie lügen, Herr Minister!“ so stehen bleiben kann, ohne gerügt zu werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, ich brauche Minister Karl-Josef Laumann an dieser Stelle nicht zu verteidigen. Das wird er selbst tun. Gleichwohl, Herr Kollege Schmeltzer, muss ich sagen: Was Sie hier stilistisch und inhaltlich geboten haben, war für mich schlicht und ergreifend abstoßend.
Das ist keine Art, hier eine Debatte zu führen. Das bringt uns auch nicht weiter. Im Übrigen brauchen Sie sich über das, was die CDA denkt, fühlt und meint, nicht den Kopf zu zerbrechen. Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram! Dann kommen Sie sehr viel weiter.
(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie kümmern sich um Ihren Kram! Das ist ja das Schöne!)
Meine Damen und Herren, um das einmal klarzustellen: Wer einen Beruf ausübt, der muss von seinem Arbeitslohn leben und muss davon eine
Familie ernähren können. Das meint auch KarlJosef Laumann. Darüber kann es in einer menschenwürdigen Gesellschaft überhaupt keine Diskussion geben.
Strittig kann allenfalls der Weg sein, wie dieses Ziel sichergestellt wird. Ich möchte ein bisschen zurückblicken. Zur Lohnfindung haben wir uns in Deutschland auf Initiative der Gewerkschaften nach dem Krieg und noch vor Verkündung des Grundgesetzes parteiübergreifend auf das Prinzip der Tarifautonomie geeinigt. Im Auftrag des Arbeitsrechtsausschusses der Gewerkschaften hatte Prof. Hans Carl Nipperdey 1948 den Entwurf eines Tarifvertragsgesetzes erarbeitet, das mit ganz wenigen Modifikationen am 9. April 1949 in Kraft trat. Kollege Schmeltzer, dieses Tarifvertragsgesetz sollte nach der damaligen Diktion die sichere gesetzliche Grundlage wiederherstellen, auf der die Gewerkschaften und die Vereinigungen der Arbeitgeber frei von staatlicher Bevormundung in Selbstverantwortung die Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder regeln können. Ganz bewusst hat man damals die in der Weimarer Republik möglichen staatlichen Zwangsschlichtungen ausgeschlossen.
In der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie mir bekannt geworden ist, hat sich die Tarifautonomie einschließlich des Mechanismus zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen grundsätzlich bewährt. Es gehören ja immer drei Partner dazu: Arbeitnehmer, Arbeitgeber und der Minister. Einer alleine kann das nicht. Jeder hat ein Vetorecht. Es gibt keinen vernünftigen Grund, an diesen Prinzipien zu rütteln. Was die Tarifparteien nicht leisten können, das kann der Staat als Schiedsrichter schon lange nicht. Das haben wir während der Weimarer Republik erlebt. Folgerichtig hat ein anderer Gewerkschafter, Herr Schmeltzer, der nicht von ver.di kommt, sondern einer der klügeren Gewerkschafter ist, Hubertus Schmoldt von der IG BCE, eindeutig erklärt: Ich lehne einen einheitlichen Mindestlohn ab, weil damit das Prinzip der Tarifautonomie ausgehebelt würde.
Er fügt hinzu: Wer glaubt, dass man den Unternehmen einfach einen Mindestlohn vorschreiben kann, ohne dass das Angebot an einfachen Arbeitsplätzen sinkt, der hat die Probleme am deutschen Arbeitsmarkt nicht verstanden. – Ich fürchte, zu denjenigen gehören auch Sie, Herr Kollege Schmeltzer.
Meine Damen und Herren, Arbeit ist Menschenwürde und damit gewiss keine Ware wie jede andere. Aber dennoch gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage auch für den Preis von Arbeit. Ist der tariflich oder gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn zu hoch, dann gibt es zu diesem Preis eben keine Arbeit. Herr Schmoldt hat dies ganz klar erkannt. In der betrieblichen Praxis ist der Befund ebenfalls ganz eindeutig.
Mit dem Verschwinden der Leichtlohngruppen aus den Tarifverträgen verschwanden die entsprechenden Arbeitsplätze für weniger leistungsfähige Menschen. Statt ihrer kamen Maschinen zum Einsatz, oder die Leistungsvorgaben für bestimmte Tätigkeiten wurden so stark erhöht, dass sie nur von einem qualifizierten und körperlich voll einsatzfähigen Mitarbeiter erreicht werden können. Menschen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen können, droht Langzeitarbeitslosigkeit. Wenn wir sie diesem Schicksal nicht ausliefern wollen, dann brauchen wir mehr Arbeitsplätze für einfache Beschäftigung. Das ist die Gruppe, um die wir uns kümmern müssen: Leute, die einfache Beschäftigung nachfragen.
Die Festsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns ist da ebenso hilfreich, als wenn wir den Beschluss fassen würden, der Rhein möge zukünftig bergauf fließen. Er wird es nicht tun. Wir müssen uns schon etwas anderes einfallen lassen, wenn wir helfen wollen.
Meine Damen und Herren, um auch denjenigen, die keine Arbeit haben, das Existenzminimum zu sichern, gibt es das Arbeitslosengeld II. Es sieht den Ersatz der Warmmiete sowie einen Regelsatz jeweils gestaffelt nach der Personenzahl einer Bedarfsgemeinschaft vor. Danach erhält eine Einzelperson monatlich 705 €; bei einer 38-StundenWoche entspricht dies einem Stundenlohn von 4,40 €. Verheiratete, die beide nicht arbeiten, erhalten 1.066 €, entsprechend einem Stundenlohn von 6,67 €. Und Eheleute, die beide nicht arbeiten, mit zwei Kindern unter 14 Jahren erhalten, bezogen auf die 38-Stunden-Woche eines Alleinverdieners, einen Stundenlohn von 10,35 €. Das, meine Damen und Herren, sind die faktischen Mindestlöhne, die bei uns bereits existieren. Unterhalb dieses leistungslosen Einkommens wird ein vernünftiger Mensch kaum arbeiten.
Derzeit liegen die faktischen Mindestlöhne, speziell in wirtschaftlich schwachen Regionen, knapp unter dem erzielbaren Marktlohn, für Familien mit Kindern teilweise sogar darüber. Käme es nun zur
Einführung eines einheitlichen Mindestlohnes von 7,50 € pro Stunde, so müsste nach meinen Kenntnissen jeder fünfte Beschäftigte in Ostdeutschland einen höheren Lohn erhalten; insgesamt in Deutschland liegt jeder zehnte Beschäftigte unter dieser Lohngrenze. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage würde ein gesetzlicher Mindestlohn, der nicht nur Placebocharakter hat und damit deutlich über den faktischen Mindestlöhnen liegt, Arbeitsplätze vernichten. Darüber kann es überhaupt keinen Zweifel geben.
Das würde so lange passieren, bis das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wieder hergestellt wäre. Da die Anzahl der Langzeitarbeitslosen schon jetzt unerträglich hoch ist, kann das nicht ernsthaft irgendjemand in diesem Hause wollen.