Protocol of the Session on May 4, 2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Knapp zwei Jahre nach dem Regierungswechsel können wir eine stolze Zwischenbilanz unserer bisherigen Arbeit ziehen. Die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen werden durch die von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen mess- und sichtbar gesteigert. Unter der rot-grünen Vorgängerregierung hatte sich der Anteil Jugendlicher ohne Schulabschluss im langfristigen Trend innerhalb von knapp neun Jahren um 1 % nach oben bewegt und war zwischen 1996 und 2005 von 5,9 % auf 6,9 % angestiegen. Erfreulicherweise zeichnet sich nun eine Trendwende ab. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Schulabschlüssen wird allmählich größer.

Die Zahlen sprechen für sich: Gemäß den aktuellen Daten des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik verließen im Jahr 2005 noch 8,6 % der Jungen und 5,2 % der Mädchen die Schule ohne Abschluss. Im Jahr 2006 waren es bei den Jungen nur noch 8,1 %; „nur“ setze ich dabei in Anführungszeichen. Bei den Mädchen waren es 5,1 %.

Meine Damen und Herren, insbesondere den Kolleginnen und Kollegen der Opposition rufe ich heute mit Freude zu: Seht her, es tut sich etwas im Land! Unsere Arbeit trägt Früchte! Und das nach knapp zwei Jahren sehr schnell, wie ich finde. Wir sind auf dem richtigen Weg, den Anteil derjenigen, die in unserem Bildungssystem scheitern, zu senken.

(Widerspruch von Sigrid Beer [GRÜNE])

Frau Beer, es ist interessant, wie das immer wieder eine Reaktion von Ihnen hervorruft. Es fällt Ihnen sehr schwer anzuerkennen, dass es in diesem Land inzwischen tatsächlich nach vorne geht. Es ist eine Freude, mit anzusehen, wie Sie sich aufregen.

Ursächlich für diesen Erfolg von FDP und CDU ist ein harmonisch abgestimmter Strauß von Innovationen, die seit dem Regierungswechsel umgesetzt wurden und werden.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin Frau Schäfer.

Wenn die Redezeit angehalten wird, gern.

Das tun wir immer. – Bitte schön.

Frau Pieper-von Heiden, Sie haben Jahrgangsabschlusszahlen des Jahres 2006 genannt. Ist Ihnen in dem Zusammenhang bewusst, dass diese Schülerinnen und Schüler im Prinzip zehn Jahre lang zur Schule gegangen sind und von diesen zehn Jahren neun Jahre unter Rot-Grün, aber nur ein Jahr unter Schwarz-Gelb?

Daran können Sie erkennen, wie schnell unsere Reformmaßnahmen greifen.

(Heiterkeit von FDP und CDU – Lautes La- chen von SPD und GRÜNEN)

Innerhalb von knapp zwei Jahren haben wir dieses Ergebnis hinbekommen. Wir haben sofort angefangen, das Schulsystem umzubauen. So macht man das. So und nicht anders kommt man in diesem Land nach vorne.

Wir haben diesen harmonisch abgestimmten Strauß von Innovationen und im Zentrum die Novellierung des Schulgesetzes, mit dem die individuelle Förderung, die Leistung und die Durchlässigkeit des Schulsystems sowie die eigenverantwortliche Schule als vier Säulen der Bildungspolitik festgeschrieben wurden. Dazu gehört auch die hohe Anzahl neu geschaffener Lehrerstellen, die zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls beitragen. Dazu gehört die erhebliche Ausweitung und qualitative Verbesserung von Ganztagsangeboten in Nordrhein-Westfalen. Hervorzuheben sind dabei die qualitative und quantitative Weiterentwicklung der offenen Ganztagsschule im Primarbereich sowie die Qualitätsoffensive Hauptschule.

Gerade Anfang der Woche konnte das Schulministerium vermelden, dass es zum neuen Schuljahr 34 neue Ganztagshauptschulen geben wird. Insgesamt haben wir dann landesweit 134 neue erweiterte Ganztagshauptschulen mit einem 30%igen Lehrerstellenzuschlag. Bis 2012 werden insgesamt 50.000 Ganztagsplätze in der Hauptschule geschaffen sein. Jeder zweite Hauptschüler in diesem Land geht dann ganztags zur Schule.

Meine Kolleginnen und Kollegen, erfolgversprechend ist auch die Zuweisung von Lehrerstellen nach dem Sozialindex, den wir eingeführt haben. Diesen Sozialindex gibt es bisher nur in Nordrhein-Westfalen und in keinem anderen Bundesland. Damit ist es gelungen, ein System zu entwickeln, mit dem Lehrerstellen unter soziodemografischen Gesichtspunkten bedarfsgerecht zugewiesen werden können, eben nicht mehr mit der Gießkanne.

Zum Schuljahr 2006/2007 sind nordrhein-westfälischen Grund- und Hauptschulen in sozialen Brennpunkten 500 bzw. 600 zusätzliche Lehrerstellen zugewiesen worden. Gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund profitieren davon, weil für individuelle Förderkonzepte mehr Zeit zur Verfügung steht.

Hinsichtlich der Maßnahmen zur Steigerung der Bildungsqualität sind auch die seit dem Schuljahr 2006/2007 eingesetzten Qualitätsteams zu erwähnen. Schulen erhalten Rückmeldungen über ihre Stärken und Schwächen und können so ihre Arbeit zur besseren Förderung von Kindern und Jugendlichen optimieren.

Schließlich möchte ich das Thema Sprachförderung anführen, über das wir bereits gestern umfänglich gesprochen haben. Konsequent und systematisch wird möglichen Problemen nach der Einschulung der Kinder vorgebeugt.

Meine Damen und Herren, die Verbesserung der Bildungschancen ist für uns kein Lippenbekenntnis. Im Sinne der KMK-Erklärung „Fördern und Fordern – eine Herausforderung für Bildungspolitik, Eltern, Schule und Lehrkräfte“ werden wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner weiter daran arbeiten, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Schulabschlüssen zu steigern und die eingeleitete Bildungsreform konsequent umzusetzen.

Frau Ministerin Sommer, weiter so! Sie haben die FDP-Fraktion an Ihrer Seite. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. – Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Stotz das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den im schwarz-gelben Antrag zitierten Beschluss der Kultusminister der Länder und der Lehrerverbände und Gewerkschaften aus dem letzten Jahr kann ich natürlich für unsere Fraktion voll unterschreiben. Ich darf diesen Beschluss noch einmal zitieren:

„Unser gemeinsames Ziel ist es, den Anteil an erfolgreichen und höherwertigen Schul- und Ausbildungsabschlüssen – ohne Qualitätsverlust – zu steigern und den Anteil der im Bildungssystem Scheiternden deutlich zu senken.“

Völlig richtig, das sehen wir ganz genauso. – Auch das Ziel, das im Antrag von CDU und FDP geschrieben steht, verdient die konzertierte Unterstützung aller an der Bildungspolitik Beteiligten. Das kritisieren wir nicht; dem stimmen wir auch zu.

Es ist natürlich richtig und wichtig, alles dafür zu tun, möglichst jeden Schüler zu einem qualifizierten Schulabschluss zu führen. Schließlich stehen hinter den rund 6 % der Jugendlichen ohne Schulabschluss jeweils einzelne Schülerinnen und Schüler, die in unseren Schulen oder, anders gesagt, an unserem Schulsystem gescheitert sind und die meist keine gute berufliche Perspektive bekommen werden.

Das darf uns natürlich nicht egal sein. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Die Quote muss auch nach unserer festen Überzeugung deutlich gesenkt werden.

Aber ich will noch einmal den Zusammenhang darstellen. Herr Recker und auch Frau Pieper-von Heiden, Sie haben gerade so schön gesagt, wie erfolgreich man nach einem Jahr Schwarz-Gelb sei. Sie haben absolute Zahlen genannt, Herr Recker. Aber ich will doch einmal den Zusammenhang zu den prozentualen Zahlen im Land und den Vergleich zu anderen Bundesländern herstellen. Da stehen wir nämlich gar nicht so schlecht da. Bayern liegt kontinuierlich bei rund 8 %, Hamburg bei rund 12 %. Nordrhein-Westfalen war jahrelang führend in der unteren Quote.

Das heißt jetzt nicht, dass ich das schönreden will. Wir müssen jedem jungen Menschen die Chance auf einen Abschluss ermöglichen, um damit auch eine berufliche Perspektive zu entwickeln. Das ist völlig klar.

Die Quote muss darüber hinaus auch aus volkswirtschaftlicher Sicht deutlich gesenkt werden. Denn wir können es uns auf keinen Fall leisten, Talente und Begabungen zu vernachlässigen. Wir müssen unsere jungen Menschen auf die gestiegenen Herausforderungen und Anforderungen an eine moderne Arbeitswelt optimal vorbereiten. Denn die jungen Menschen sind der beste und wichtigste Rohstoff, den wir in unserem Land haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

So weit die Gemeinsamkeiten in dieser Fragestellung. – Dass Ihr Antrag allerdings ein hilfreicher Beitrag sein soll, diese Zielsetzung zu erreichen, sehe ich beim besten Willen nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie führen in Ihrem Antrag an, meine verehrten Kollegen von Schwarz-Gelb, dass Sie mit dem angeblich modernsten Schulgesetz in Europa

(Ralf Witzel [FDP]: In Deutschland!)

die individuelle Förderung, die Durchlässigkeit des Schulsystems, die Leistungen und vor allem den Wettbewerb sowie die eigenverantwortliche Schule festgeschrieben hätten. Sie heben weiter auf die flächendeckenden Sprachstandserhebungen ab.

Wohlgemerkt – das haben wir auch gestern in der Debatte deutlich gemacht –: Wir haben nichts gegen Sprachstandserhebungen. Aber wir haben von Anfang an unsere Zweifel an dem Verfahren deutlich gemacht. Leider – und das sage ich ausdrücklich – haben sich unsere Befürchtungen jetzt bestätigt. Die in den letzten Wochen immer lauter gewordene Kritik am Verfahren können auch Sie nicht überhört haben. Der Pressespiegel macht das heute einmal mehr deutlich.

Vor allem aber – und das ist mir ganz besonders wichtig – wiederholen Sie in diesem Antrag und auch gerade bei Ihren Wortmeldungen die nicht nachvollziehbare Aussage, dass Sie 4.000 zusätzliche Lehrerstellen schaffen. Das, meine sehr verehrten Kollegen der Regierungsfraktionen, lasse ich Ihnen nicht durchgehen.

Aber eines nach dem anderen! Schauen wir doch einmal genauer hin, was inzwischen aus den vollmundigen Wahlversprechen und unzähligen Verlautbarungen zur Bildungsreform geworden ist.

Stichwort: individuelle Förderung. Bis heute hat die Landesregierung kein transparentes und umfassendes Konzept zur individuellen Förderung vorgelegt. Fehlanzeige auf der gesamten Linie!

(Beifall von der SPD)

Bis heute lässt die Landesregierung Schulen und Lehrer mit der Verantwortung für die individuelle Förderung völlig allein. Lediglich ein Gütesiegel hat sie geschaffen. Das passt, das ist typisch: Mehr Wettbewerb um jeden Preis; das ist die Handschrift dieser neuen Landesregierung.

Wer gehofft hat, dass mit dem Gütesiegel bestimmte Hilfestellungen seitens des Landes verbunden wären, der sieht sich bis heute bitter enttäuscht. Völlig unzureichend sind bis heute die Ressourcen. Das hören wir immer wieder aus den Schulen. Völlig unzureichend sind die Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer. Bis heute ist kein Beratungs- und Unterstützungssystem erkennbar, das den Schulen bei dieser wichtigen Aufgabe tatsächlich hilft. Die individuelle Förderung verkommt zum bloßen Schlagwort, dem bis heute kaum Taten gefolgt sind.

Zweites Stichwort: Durchlässigkeit erhöhen. Auch hier gilt: Das Ziel ist völlig richtig. Der Weg, den die Landesregierung dazu eingeschlagen hat, ist nach unserer festen Überzeugung völlig falsch. Mit der stärkeren Verbindlichkeit der Grundschulgutachten und der massiven Beschneidung des Elternrechts beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule erschweren Sie die Durchlässigkeit, anstatt sie zu erhöhen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit der bewussten Abkopplung des Gymnasiums von anderen Schulformen verstärkt die Landesregierung ein weiteres Mal bewusst die Auslese.

Drittes Stichwort: eigenverantwortliche Schule. Mit der selbstständigen Schule hat die damalige rotgrüne Landesregierung ein zukunftsweisendes und zugleich anspruchvolles Modellprojekt auf den Weg gebracht, das im Wesentlichen die Verbesserung der Unterrichtsqualität und die Entwicklung regionaler Bildungslandschaften zum Ziel hatte.

Von der damaligen Opposition bekämpft, verkommt auch dieser innovative Ansatz, an dem sich viele, viele Schulen im Land äußerst kreativ beteiligt haben, inzwischen zu einem Stiefkind der schwarz-gelben Landesregierung. Sie reduziert die selbstständige Schule auf die Dienstvorgesetztentätigkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ansonsten auch hier Fehlanzeige auf der ganzen Linie!