Protocol of the Session on May 4, 2007

Deswegen wird in dem Urteil, was den Bau- und Liegenschaftsbetrieb angeht, klar ausgeführt, dass Versäumnisse vom Haushaltsgesetzgeber des Jahres 2001 – damals stellten SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Landtag die Mehrheit und haben die Haushaltsentscheidungen getroffen – festzustellen sind.

Zum einen führt das Gericht aus, dass eine Eröffnungsbilanz des Bau- und Liegenschaftsbetriebes zum 1. Januar 2001 vorliegt, die eine Rückstellung im Hinblick auf die schadstoffbedingten Altlasten und zur Durchführung von Brandschutzmaßnahmen seitens des Landes zwar ausweist, aber nicht die erforderlichen Geldmittel dafür zur Verfügung stellt, und dass diese Unterlassung

wesentlich zur Unterfinanzierung des Bau- und Liegenschaftsbetriebes beigetragen hat.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich betone das an dieser, weil das in der Vergangenheit eine beträchtliche Rolle in der Auseinandersetzung gespielt hat und weil wir diese Unterfinanzierung auch bereits damals kritisiert haben.

Die Verfassungsrichter haben eindeutig klargestellt, dass diese Versäumnisse des Haushaltsgesetzgebers des Jahres 2001 von der neuen Mehrheit im Landtag durch die Kapitalzuführung zu Recht behoben wurden.

Das Gericht führte ferner ausdrücklich zur Beteiligungsverwaltungsgesellschaft aus: Angesichts der finanzwirtschaftlichen Kennzahlen war die BVG NRW zur Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit auf die Kapitalzuführung durch das Land als ihren Alleingesellschafter angewiesen. Auch an dieser Stelle sagt das Verfassungsgericht ganz klar, dass die Entscheidungen, die der Haushaltsgesetzgeber nach der Landtagswahl in dem angegriffenen Nachtragshaushalt getroffen hat, richtig waren. Es hat sie bestätigt und sogar als notwendig bezeichnet.

Das Gericht bestätigt zudem die Wende hin vorsichtigen und zurückhaltenden Schätzungen der Steuereinnahmen. Hierzu stellt das Gericht zum einen klar, dass die zu erwartenden Mindereinnahmen an Steuern aus der Mai-Steuerschätzung seinerzeit gar nicht berücksichtigt worden sind, und es alleine deshalb schon Sinn macht, dass die aus der November-Schätzung auf diesem niedrigeren Sockel beruhenden zu erwartenden Mehreinnahmen nicht in den Nachtragshaushalt eingestellt worden sind, sondern dass es bei diesem vorsichtigen Ansatz geblieben ist. Das wird ausdrücklich bestätigt.

Zum anderen bestätigt das Gericht, dass die Unwägbarkeiten bezüglich der Steuereinnahmen des Monats Dezember nachvollziehbar sind.

Trotz dieser positiven Punkte muss man feststellen, dass das Verfassungsgericht uns als Haushaltsgesetzgeber insgesamt einige sehr ernste Punkte im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierungsanstrengungen, die wir in diesem Parlament unternommen haben, ins Stammbuch geschrieben hat.

Wir müssen danach Haushaltskonsolidierung als Ausfluss des Demokratieprinzips, im Hinblick auf künftige Gesetzgeber, aber auch unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit ernsthaft betreiben. Hierzu sind in dem Urteil einige sehr

wichtige Ausführungen enthalten, denen wir uns in besonderer Weise verpflichtet fühlen.

Eine Bemerkung noch zum Problemkreis der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und der außerordentlichen Sondersituation: Ich habe zwar mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen, dass die Kollegin Walsken den Regierungswechsel nicht als schweres Unglück bezeichnet hat – es freut mich, das zu hören –, aber diese humorvolle Bemerkung soll nicht den ernsten Anlass relativieren.

Wir sehen an der Urteilsbegründung, wie schwer sich das Verfassungsgericht mit der inhaltlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Begriffs der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und den Anforderungen an die außerordentliche Situation tut. Das Verfassungsgericht stellt sehr wohl aber neben der streng juristischen Bewertung an verschiedenen Stellen im Urteil ausdrücklich fest und erkennt an, dass wir nach der Landtagswahl 2005 eine sehr schwierige Haushaltssituation vorgefunden haben, die dem Haushaltsgesetzgeber keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr übrig gelassen hat.

Wir haben in der kommenden Woche eine Anhörung, die sich mit der Streichung des verfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestands „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ beschäftigt. Dazu haben wir bereits heute viele interessante Zuschriften und Anregungen bekommen, weshalb ich glaube, dass wir im Ergebnis dem Gedanken nähertreten müssen, ein Verschuldungsverbot in unsere Verfassung aufzunehmen. Das Gericht hat ebenfalls einige sehr deutliche Hinweise gegeben, mit denen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten ernsthaft beschäftigen müssen, und zwar gerade im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung im Interesse nachfolgender Generationen.

Das Verfassungsgericht hat im Übrigen ganz klar bestätigt, dass der Kurs der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, richtig ist, die Steuereinnahmeerwartungen eher vorsichtig und zurückhaltend zu prognostizieren.

Es hat gleichzeitig – das kann man bei den Ausführungen um den Brutto- und Nettoinvestitionsbegriff sehen – aus meiner Sicht darauf hingewiesen, dass wir von diesem vorhandenen kameralen Haushaltssystem wegkommen müssen. Wir haben parlaments- und fraktionsübergreifend eine Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Themenkreis beschäftigt. Ich bin sehr froh darüber, dass wir dazu wichtige Impulse setzen können und dass

wir vom Verfassungsgericht an der Stelle Rückhalt bekommen.

Als Drittes – damit komme ich zum Schluss – hat uns das Verfassungsgericht ganz klar den Auftrag erteilt, den Haushalt des Landes NordrheinWestfalen zu konsolidieren. Deswegen müssen wir uns darauf verständigen, was das Land Nordrhein-Westfalen noch leisten muss und leisten kann und wie wir Begehrlichkeiten entgegentreten. So, wie es in den vergangenen 40 Jahren gehandhabt worden ist, geht es jedenfalls in Zukunft nicht mehr weiter. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Realitätsverleugnung bei den Regierungsfraktionen ist wirklich schon mehr als unglaublich.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie stehen offensichtlich nicht einmal mehr mit einem Fuß auf dem Boden der Tatsachen. Ich kann nur feststellen: Das ist schon fast autosuggestive Hirnwäsche, was Sie hier betreiben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ein wenig sollten Sie sich dem, was vom Oberverfassungsgerichtshof in Münster beschlossen worden ist, stellen. Denn eines ist doch klar:

(Zurufe von der CDU)

Sie haben eine deftige Niederlage beim Verfassungsgerichtshof erlitten. Das ist die Realität. Das hat Ihnen im Übrigen – die Kollegin hat es ja gerade vorgetragen – die mediale Öffentlichkeit hier auch bescheinigt. Das Image des soliden, vorsichtigen Kaufmanns ist dahin. Der Ruf ist ramponiert, Herr Linssen. Das ist die Situation.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben in den letzten Wochen Ihre Solidität völlig verspielt – im Übrigen auch unter Missachtung des Parlaments, als Sie sich dem Haushalts- und Finanzausschuss in öffentlicher Sitzung nicht gestellt haben. An dieser Stelle möchte ich daran auch noch einmal erinnern.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Linssen, Sie sind in den letzten Monaten ein reiner Glücksritter gewesen. Sie haben Glück, dass es im Augenblick einen wirtschaftlichen Aufschwung gibt. Es gibt Milliarden mehr Steuereinnahmen, als wir sie zur Verfügung hatten. Trotzdem ist es Ihnen nicht gelungen, den Haushalt zu konsolidieren. Im Gegenteil: Sie sind weit davon entfernt. Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat Ihnen bescheinigt – das haben Sie jetzt schriftlich –, dass Sie ein verfassungswidriger Haushaltstrickser sind.

(Lachen von CDU und FDP)

Das ist die reale Situation.

(Zurufe von Minister Dr. Helmut Linssen und Ministerin Christa Thoben)

Das hat Ihnen der Verfassungsgerichtshof bescheinigt. Sie haben mit Ihrem ersten Haushalt einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt, der nur ein einziges Ziel hatte. In diesem Nachtragshaushalt, im Haushalt 2005, haben Sie mit über 2 Milliarden € neuen Schulden versucht, den Haushalt in eine Rekordhöhe zu treiben, um dann in den nächsten Jahren behaupten zu können: Wir sanieren den Haushalt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist das, was Sie ganz real gemacht haben. Mit diesem Nachtragshaushalt haben Sie eine nie dagewesene Rekordverschuldung von 7,3 Milliarden € festgeschrieben. Im Nachhinein ist sie durch Steuermehreinnahmen auf 6,6 Milliarden € gesunken. Aber das ist das, was Sie real gemacht haben.

Dazu haben Sie verschiedenste Dinge angewendet; das sind genau die Haushaltstricks, die ich Ihnen hier vorhalte. Sie haben manipuliert, zum Beispiel wie bei den landeseigenen Betrieben, beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb oder bei der Landesentwicklungsgesellschaft die Neuverschuldung in die Höhe getrieben wird. Gewinne haben Sie in Schulden umgewandelt. Das war ein konkreter Haushaltstrick, den Sie da gemacht haben.

Eine zweite Geschichte, die damals auch in den Medien so kommentiert worden ist:

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Zuerst haben Sie all Ihre Leute, die nicht in den Landtag gekommen sind oder in irgendwelchen Positionen in Ihrer Partei saßen, auf Pöstchen gehievt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben direkt in diesem Nachtragshaushalt 92 neue Stellen geschaffen, davon 28 in der Staatskanzlei, um Ihre Leute zu versorgen. Das ist das, was Sie gemacht haben.

Sie haben eine Vielzahl von weiteren neuen Stellen geschaffen, insgesamt über 1.000, unter anderem für Lehrerinnen und Lehrer.

Aber Sie haben diesen Haushalt in eine Rekordverschuldung getrieben, wie wir sie in NordrheinWestfalen noch nicht hatten. Ich habe das damals in meiner Rede zu diesem Nachtragshaushalt den „Kahlen Asten der Verschuldung“ genannt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das gilt auch weiterhin. Sie haben mit diesem verfassungswidrigen Haushalt eine Haushaltspolitik gemacht, die wirklich hanebüchen ist. Wir begrüßen deshalb das Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Mit diesem Urteil wird deutlich, dass CDU und FDP mit ihrer Haushaltspolitik und schon mit dem ersten Haushalt grandios gescheitert sind. Es ist nicht mit der Verfassung vereinbar, die Nettoneuverschuldung beliebig über die Investitionsquote zu heben und alle verfassungsrechtlichen Bedenken mit der objektiven Unmöglichkeit von Alternativen abzutun. Sie hatten eine Menge Möglichkeiten, andere Dinge zu tun. Das war überhaupt nicht notwendig. Das war ein reiner verfassungswidriger Haushaltstrick, den Sie hier gemacht haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von der SPD: Genau!)

Dem hat das Gericht einen Riegel vorgeschoben. Eindeutig hat das Verfassungsgericht der Landesregierung ins Stammbuch geschrieben, dass sie durch eigene politische Entscheidungen die Geschicke des Landes zu lenken und somit auch die Haushaltslage zu verbessern hat. Ein Verstecken hinter ehemaligen Regierungen kann es dabei nicht geben. Genau das haben Sie aber versucht. Sie haben versucht, deutlich zu machen: Hier haben wir eine Rekordverschuldung, in den nächsten Jahren wird alles besser. – Das hat der Verfassungsgerichtshof hier sehr deutlich kritisiert.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das haben Sie heute schon wieder gemacht!)

Es ist geradezu absurd, dass insbesondere die CDU mit ihrem Finanzminister an der Spitze die bestehenden Verfassungsregeln zur Begrenzung der Schuldenpolitik für nicht ausreichend hält. Das ist das, was Sie jetzt sagen. Sie rufen jetzt nach neuen Gesetzen, ohne die alten einzuhalten.