Es ist geradezu absurd, dass insbesondere die CDU mit ihrem Finanzminister an der Spitze die bestehenden Verfassungsregeln zur Begrenzung der Schuldenpolitik für nicht ausreichend hält. Das ist das, was Sie jetzt sagen. Sie rufen jetzt nach neuen Gesetzen, ohne die alten einzuhalten.
Deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Halten Sie erst einmal die bestehenden Verfassungsregeln ein! Legen Sie hier verfassungsgemäße Haushalte vor! Dann können wir weitersehen. – Danke schön.
Danke schön, Herr Sagel. – Für die Landesregierung spricht jetzt der Finanzminister, Herr Dr. Linssen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit seiner Entscheidung vom 24. April den zweiten Nachtragshaushalt 2005 für nicht mit der Verfassung vereinbar erklärt. Damit ist das Verfassungsgericht der Landesregierung in ihrer Interpretation der objektiven Unmöglichkeit mit einer engen Auslegung des Art. 83 nicht gefolgt.
Aber: In dankenswerter Klarheit bestätigt der Verfassungsgerichtshof, welche grundlegenden Leitlinien die Landesverfassung für die Haushaltspolitik festschreibt. Ich zitiere aus dem Urteil:
„Die Vorschrift bezweckt den Schutz künftiger Generationen vor unbeschränkter Vorwälzung staatlicher Lasten. Bürger und Parlamente der Zukunft sollen davor bewahrt werden, den zur Bewältigung dann anstehender Probleme nach ihren Maßstäben benötigten finanziellen Spielraum zu verlieren.“
Das ist die klare Botschaft aus Münster. Regierungen und Parlament sind verpflichtet, bei ihren Entscheidungen die Belastungen für die Zukunft im Auge zu haben und zu minimieren. Diese deutliche und eindeutige Aussage des Gerichts begrüße ich ausdrücklich. Ich kann feststellen: Seit Mai 2005, seit der Regierungsübernahme durch die Koalition der Erneuerung, ist die Haushalts- und Finanzpolitik des Landes NordrheinWestfalen genau auf dieses Ziel ausgerichtet.
Mit den Landesfinanzen, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss generationengerecht gewirtschaftet werden. Deswegen ist die Aufnahme von neuen Schulden zu begrenzen. Das Ziel muss sein, keine Schulden mehr zu machen und dann die Schulden aus der Vergangenheit abzutragen.
Im Mai 2005 ist die neue Landesregierung gerade mit dem Ziel angetreten, den Landeshaushalt zu sanieren und die Landesfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Das haben die jetzigen Regierungsparteien im Wahlkampf auch so versprochen. Hierzu stehen wir dem Land und den Menschen gegenüber in der Pflicht.
Meine Damen und Herren, wir setzen das mit Entschlossenheit um. Jeder kann sehen, dass den Worten bereits erfolgreich Taten gefolgt sind.
Unmittelbar nach der Regierungsübernahme haben wir einen Kassensturz durchgeführt. Wir haben eine nüchterne Bestandsaufnahme vorgenommen
Dieser Kassensturz, meine Damen und Herren, hat die desaströse Situation der Landesfinanzen, die wir ja auch im Wahlkampf immer wieder vorgetragen hatten, erst ungeschminkt offenbart und deutlich gemacht, dass wir einen noch erheblicheren Konsolidierungsbedarf als vermutet hatten.
Wir haben deshalb einen klar definierten Sanierungspfad entwickelt, den wir in dieser Wahlperiode konsequent umsetzen.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Sie entwickeln sich zum Sanie- rungsfall in den Kommunen!)
Dieser Prozess, meine Damen und Herren, ist beileibe noch nicht abgeschlossen. Nach wie vor liegt ein erheblicher und beschwerlicher Teil des Weges vor uns.
Doch unser erstes Ziel, wieder verfassungskonforme Haushalte aufzustellen, haben wir bereits mit dem laufenden Haushalt 2007 erreicht. Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass wir die Schulden, die Sie in den Jahren 2003 bis 2005 in Höhe von 6,7 bzw. 6,8 Milliarden € jährlich neu aufgenommen haben,
(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Weil die Steuereinnahmen fließen! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sind ja Nutz- nießer des Aufschwungs! – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Es gibt doch höhere Steuerein- nahmen!)
Die weitere Reduzierung der Nettoneuverschuldung setzen wir konsequent fort. Bis zu einer Nettoneuverschuldung von null Euro braucht es allerdings seine Zeit. Schließlich ist unsere Haushalts- und Finanzpolitik im Endergebnis darauf ausgerichtet, so solide und nachhaltig zu wirtschaften, dass auch der Abbau der Schulden der Vergangenheit möglich wird.
dass Bürger und Parlamente der Zukunft ihren Spielraum nicht verlieren dürfen. Das begrüßen wir. Doch unser Problem im Jahr 2005 war, dass die Regierungen der Vergangenheit uns genau diesen Spielraum nicht zugebilligt haben.
Unserem tatsächlichen Weg zur Lösung des Haushaltsproblems ist das Verfassungsgericht in verfassungsrechtlicher Hinsicht leider nicht gefolgt. Das bedaure ich einerseits, respektiere aber gleichzeitig, dass der Verfassungsgerichtshof in Münster einen strengeren Maßstab angelegt hat als zum Beispiel die Verfassungsgerichte in Berlin und Hessen.
Vergegenwärtigen wir uns das Jahr 2005. Die Haushalte 2003 und 2004 – also Ihre Haushalte – schlossen im Vollzug jeweils mit einer deutlich höheren Nettoneuverschuldung ab, als bei der Einbringung veranschlagt worden war.
Herr Sagel, ich weiß, dass Sie es nicht gerne hören; aber hin und wieder muss man zuhören, damit man etwas verstehen kann.
2003 haben Sie 6,6 Milliarden € neue Schulden aufgenommen. Veranschlagt waren 3,8 Milliarden €. Sie sind also, wie Sie immer gesagt haben, im Laufe des Haushaltsvollzugs überrascht worden.
2004 betrug die Nettoneuverschuldung 6,7 Milliarden €. Das ist das Doppelte der Summe, die uns die Verfassung als Kreditobergrenze vorschreibt.
(Martin Börschel [SPD]: Wie hoch lag denn Ihre Nettokreditaufnahme? Das war doch ei- ne Rekordverschuldung!)
Meine Damen und Herren, der Verfassungsgerichtshof hat ja den Begriff der Naturkatastrophe geprägt. Ich kann Ihnen nur sagen: Die von Ihnen verantworteten Jahre – gerade ab 2001 – waren die Naturkatastrophe für Nordrhein-Westfalen.
Mit den Haushalten, die Sie vorgelegt haben, meine Damen und Herren, wurde zudem eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt, obwohl erstens eine solche Störung tatsächlich gar nicht vorlag und zweitens die Haushalte gar nicht zur Abwehr oder Milderung der Störungslage beitragen sollten und konnten.
Ich hoffe auch, dass dieses Mittel, das Sie permanent – auch gegen besseres Wissen – genutzt haben, mit der Föderalismusreform II endlich gestrichen wird.