Protocol of the Session on March 29, 2007

(Beifall von den GRÜNEN)

Man muss auch sagen: Diese Kosten flachen in den nächsten Jahren deutlich ab. Der Bundesrechnungshof hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es dort noch erheblichen Optimierungsbedarf und erhebliches Optimierungspotenzial gibt, indem man die Strukturen ändert, indem man sich genau ansieht, was in Berlin und was in Bonn ist, und indem man mehr moderne Technik einsetzt, als es heute der Fall ist.

Nein, ich glaube, es geht nicht um Kosten, es geht nicht um Vernunft. Es geht um diejenigen in Berlin, die den ganzen Apparat um sich herum haben wollen, ohne zu schauen, ob dies vernünftig ist und ob es in diesem Staat nicht Dinge gibt, für die es sich viel mehr lohnen würde, zu streiten und Geld auszugeben als für einen – ich sage noch einmal: kreditfinanzierten – Umzug.

(Minister Michael Breuer: Sehr richtig!)

Darum geht es.

Noch vor Kurzem wurde leider an einem relativ niedrigen Millionenbetrag – in Höhe von 15 bis 20 Millionen € – gespart, mit dem eine weitere UNAnsiedlung in Bonn hätte installiert werden kön

nen. Als Folge wäre Bonn ein dauerhafter UNStandort mit mehr als 1.000 UN-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern geworden. Hier wird wirtschaftlich unvernünftig gehandelt. Hier wird nicht nur gegen diese Region, sondern auch gegen die Interessen der Bundesrepublik und des Landes Nordrhein-Westfalen gehandelt.

Deswegen müssen wir nicht nur gemeinsam solche Anträge stellen und Beschlüsse fassen, sondern auch innerhalb unserer Parteien in den Clinch gehen,

(Beifall von den GRÜNEN)

und zwar gegen das nicht enden wollende Gerücht, die Region Köln/Bonn, der Bereich Bonn/Rhein-Sieg und Ahrweiler seien eine Region der „Fettlebe“. Das ist nicht der Fall. Wer sich die Arbeitsmarktstrukturen und die Wirtschaftsstrukturen ansieht, der weiß: Ja, die Region ist besser aufgestellt. Sie hat sich insbesondere über die Ansiedlung der Fachhochschulen gut aufgestellt. Sie hat sich auch über große Unternehmen gut aufgestellt.

Gerade der Erfolg kleiner und mittlerer Unternehmen, die mit einer geringen Eigenkapitaldecke ausgestattet sind, steht aber nach wie vor auf der Kippe. Diese Unternehmen hängen ganz wesentlich davon ab, dass sie Aufträge der öffentlichen Hand, der Verbände und der größeren Unternehmen haben und es nicht zu einem weiteren Rutschbahneffekt kommt. Die Verantwortung, dass es nicht zu diesem Rutschbahneffekt kommt, trägt die Bundesregierung mit. Sie muss stabilisieren, was in den letzten Jahren mit viel Geld des Bundes auf den Weg gebracht worden ist und nun nicht gefährdet werden sollte.

Wir sollten in die Nachbarländer gehen und dafür werben, damit nicht weiterhin dieser Unfug um sich greift, man könne es sich leisten, auf der einen Seite den Umzug mit Schulden voranzutreiben und auf der anderen Seite den Strukturwandel auf diese Art zu gefährden. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege Dr. Papke das Wort.

Meine hochverehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich freue mich namens meiner Fraktion sehr, dass es gelungen ist, in dieser wichtigen Frage, in der es um essentielle Inte

ressen Nordrhein-Westfalens geht, eine vollkommene Geschlossenheit des Parlaments herzustellen und damit auch ein entsprechend klares Signal nach Berlin zu senden.

Von meinen Vorrednern wurde zu Recht darauf hingewiesen, es geht bei dieser Debatte mit Blick auf geschätzte Kosten von mindestens 5 Milliarden € für diesen Umzug nicht allein um Fragen der ökonomischen Vernunft. In wenigen Wochen werden vertiefte Gutachten zu dieser Kostenfrage vorliegen.

Es geht auch um eine Frage der sozialen Sensibilität mit Blick auf die Interessen von 10.000 Familien in der Region Bonn und Rhein-Sieg. Diese Familien haben verständlicherweise überhaupt keine Lust, in Bezug auf ihre Lebensplanung neuerlich in Unsicherheit gestürzt zu werden.

(Beifall von der FDP)

Deshalb ist es sehr gut, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen in dieser Debatte und mit der Entschließung noch einmal klipp und klar verdeutlicht: Wir haben in der Vergangenheit keine Rutschbahn von Bonn nach Berlin akzeptiert und wir werden auch keine Rolltreppe von Bonn nach Berlin akzeptieren,

(Beifall von der FDP)

die diesen Verlagerungseffekt gewissermaßen sukzessive und nicht so sehr im Blickfeld der Öffentlichkeit – im Ergebnis aber gleichwohl identisch – befördert.

Mit Blick auf die Kosten ist klar: 5 Milliarden € plus x müssten kreditfinanziert werden. – Nach konservativer Berechnung würde dies bedeuten, jährlich fielen mindestens 200 Millionen € alleine an Zinskosten an. Dafür können viele neue Lehrer eingestellt werden. Damit könnten wir etwa im Bereich der U3-Betreuung viele sinnvolle und wichtige Maßnahmen finanzieren. Da könnte der Bund in der Tat zusätzliche Beiträge leisten. Ich glaube, es bedarf nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, welche wichtigen Leistungen und auch sozialpolitischen Maßnahmen zugunsten unseres Landes, aber auch zugunsten anderer Bundesländer mit einer solchen Summe finanziert werden könnten.

(Beifall von der FDP)

Es kann nicht sein, dass allen Ernstes über eine derart kostenintensive Verlagerung nachgedacht wird.

Es ist im Grunde genommen der Gipfel dieser Debatte, dass die Forderung nach einem Komplettumzug der Bundesregierung von Bonn nach

Berlin vor allem aus dem Berliner Abgeordnetenhaus erhoben wird. Wenn ich mir anschaue, in welch zerrüttetem Zustand die von Herrn Wowereit geführte Regierung in Berlin die Landesfinanzen zurückgelassen hat und wie sie nun inmitten dieses Trümmerfeldes weiter agiert, und wenn dann von Berliner Seite argumentiert wird, es ginge der Region Bonn/Rhein-Sieg ja so gut und Berlin ja so schlecht, dass wir gewissermaßen zusätzliche zahlungskräftige Beamte von Bonn nach Berlin verlagern müssten, um die Einnahmeseite in Berlin zu verbessern, dann meine ich, wir sollten ernsthaft darüber debattieren, zumindest einen Beamten von Bonn nach Berlin zu schicken, nämlich einen Staatskommissar, der die Sanierung der Berliner Landesfinanzen übernimmt.

(Heiterkeit und Beifall von FDP und CDU)

Ich glaube, das wäre in der Tat eine Maßnahme, die wir ernsthaft beraten sollten. Damit muss dann aber auch Schluss sein.

Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass wir in dieser Debatte nicht nur auf die Kosten verweisen, sondern immer wieder auch auf die erfolgreiche föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Es geht nicht alleine darum, dass wir Potenziale in unserem Land, in unserer Region erhalten und weiter stärken wollen. Es geht auch um die Architektur der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben als Nordrhein-Westfalen über Jahrzehnte darauf hingewiesen, dass wir keinen neuen Berliner Zentralismus wollen. Wir haben jetzt gesagt: Wir wollen die Chancen der Föderalismusreform I nutzen. Die Föderalismusreform II ist in Arbeit. Wir sind als Landtag Nordrhein-Westfalen gerade dabei, die neuen Gestaltungsmöglichkeiten, die daraus resultieren, zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger zu nutzen. In diese sehr positive Entwicklung, die den Föderalismus ja noch weiter stärkt, könnte sich eine solche Forderung nach einer vollständigen Verlagerung aller Bundesministerien und nachgelagerten Behörden von Bonn zentral nach Berlin nicht sinnvoll einfügen.

Es gibt enorme Sparpotenziale. Das stellen wir überhaupt nicht in Abrede. Es ist in erster Linie Aufgabe der Exekutive, sprich: der Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass die neuen technischen Möglichkeiten – Stichwort: Internet und Videokonferenzen – auch genutzt werden. Es ist nicht nötig, dass bei jeder Ausschusssitzung teilweise 30 oder 40 Beamte in den hinteren Reihen sitzen wegen der vagen Möglichkeit, es könnte an die Regierungsvertreter vielleicht einmal eine Frage gestellt werden, die nur mithilfe eines speziellen Fachbeamten beantwortet werden könnte. Dann muss eine Regierung auch einmal – Frau

Präsidentin, ich komme langsam zum Ende – die Souveränität haben, zu sagen: Diese Detailfrage können wir jetzt nicht beantworten. Das holen wir nach. – Dafür muss man nicht prophylaktisch ganze Flugzeuge voller Bundesbeamter von Bonn nach Berlin schicken.

Das lässt sich alles regeln – einen guten Willen vorausgesetzt –, ohne dass wir den aus Berlin geforderten Komplettumzug bekommen. Die Arbeitsteilung hat sich bewährt.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Sie liegt einem fairen Kompromiss zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund zugrunde.

Damit die Präsidentin nicht weiter mit einem leichten Hustenanfall ringen muss, möchte ich meine Ausführungen jetzt beenden. – Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Papke, auch für die fürsorglichen Anmerkungen. – Ich gebe nun für die Landesregierung Herrn Minister Breuer das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb eines halben Jahres befassen wir uns jetzt zum zweiten Mal mit der Aufteilung der Regierungsfunktion des Bundes auf Bonn und Berlin, weil – gestatten Sie mir diese Wertung – in der Öffentlichkeit entgegen wirklich aller Vernunft immer wieder infrage gestellt wird, was sich in über 15 Jahren mehr als bewährt hat. Ich finde, solches Verhalten ist gegenüber Bonn, seinem Umland und Nordrhein-Westfalen nicht zu antworten, meine Damen und Herren.

Der Deutsche Bundestag hat am 20. Juni 1991 beschlossen, seinen Sitz von Bonn nach Berlin zu verlegen. Er hat sich dabei auch von der Erwartung leiten lassen, dass der Kernbereich der Regierungsfunktionen in Berlin angesiedelt wird und – und! – eine faire Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn gewährleistet wird.

Wir haben das mit einem Beschluss 1994 konkretisiert und umgesetzt. Der Bund hat mit dem Berlin/Bonn-Gesetz seine Verantwortung für die Stadt und die Region Bonn anerkannt, deren Entwicklung er seit 1949 maßgeblich geprägt hatte.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Meine Damen und Herren, in einem bemerkenswerten Wachstum von Bevölkerung und Arbeits

platzzahl spiegelt sich in der Tat wider, dass Bonn, die Region und Nordrhein-Westfalen diesen Umzug, den es teilweise schon gegeben hat, ganz vernünftig bewerkstelligt haben. Das ist eigentlich erst recht ein Grund, seine Zusagen einzuhalten, und kein Grund, diejenigen zu bestrafen, die sich angestrengt haben. Da werden ansonsten völlig falsche Anreize gesetzt.

(Beifall von Ilka von Boeselager [CDU])

Die Landesregierung hat zugesagt, die Entwicklung der Region weiter zu fördern und zu unterstützen. Dabei haben wir darauf zu achten, dass das Berlin/Bonn-Gesetz nach Geist und Buchstaben eingehalten und Bonn als Standort für die internationale Zusammenarbeit und den internationalen Dialog weiter ausgebaut wird.

Wir bekennen uns zu den Festlegungen. In diesem Bekenntnis fühlt sich die Landesregierung auch durch die Beschlüsse zur Föderalismusreform gestützt und gestärkt.

Herr Dr. Papke, Sie haben eben angesprochen, welche Möglichkeiten wir haben. Ich will es noch einmal deutlich machen: Sowohl in der Begründung zum Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes als auch in der Begleitentschließung zu dem Gesamtpaket Föderalismusreform wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung des Berlin/BonnGesetzes durch die Neufassung von Art. 22 des Grundgesetzes zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland unberührt bleibt. Das ist gerade einmal ein paar Monate her. Dieser Beschluss ist mit Zweidrittelmehrheit gefasst worden – sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag. Ich glaube, dass wir das denjenigen in Erinnerung bringen müssen, die solche eindeutigen Beschlüsse bereits wenige Monate später wieder öffentlich infrage stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Von den Vorrednern, zum Beispiel von Frau von Boeselager, sind viele wichtige Punkte angesprochen worden, auch die Frage des UNOStandortes. Wir setzen hier auf die Rückendeckung der Bundesregierung.

Wenngleich der Haushaltsausschuss des Bundestages derzeit durch das Bundesinnenministerium und das Bundesfinanzministerium die Vor- und Nachteile eines kompletten Umzuges auch finanziell noch prüfen lässt, will ich an dieser Stelle schon einmal unterstreichen, dass allein die 5 Milliarden € plus x, die hier in Rede stehen, ein Hemmschuh sein sollten.