Protocol of the Session on March 29, 2007

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von Sigrid Beer [GRÜNE])

Nebenbei, Frau Beer: In Ihrer Regierungszeit, in der letzten Legislaturperiode, ist nur eine neue Gesamtschule gegründet worden. Zwischen 2000 und 2005 hat es nur eine Neugründung gegeben: in Mönchengladbach. Deshalb ist Ihre Polemik gegenüber der Nachfolgeregierung im Hinblick auf Gesamtschulen schlichtweg an den Haaren herbeigezogen.

Frau Ministerin Sommer steht für eine Politik der Pragmatik in der Schulpolitik. Sie steht dafür, dass

Eltern gut beraten werden. Das ist gerade vor dem Hintergrund des Anmeldeverhaltens erforderlich. Sie steht auch dafür, dass die Kommunen eine Schulpolitik mit Augenmaß machen. Das führt zu Verlässlichkeit. Und dafür stehen wir. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Große Brömer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass man Frau Beer und der antragstellenden Fraktion zustimmen muss. Die Zahlen, die im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen genannt werden, sprechen für sich.

Landesweit gibt es beim Anmeldeverfahren der Gesamtschulen 17.000 Überhänge. Das bedeutet, 17.000 Mal konnte der Wunsch der Eltern nach der Schulform für ihre Kinder nicht erfüllt werden.

Mit rund 47.200 Anmeldungen, rund einem Viertel des diesjährigen Schülerjahrgangs, hat in der Tat eine Abstimmung mit den Füßen stattgefunden, zwar nicht unbedingt eine Abstimmung gegen das Schulgesetz, aber aus meiner Sicht auf jeden Fall eine Abstimmung gegen das dreigliedrige Schulsystem,

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

eine Abstimmung für längeres gemeinsames Lernen, eine Abstimmung gegen das Aussortieren von Kindern im Alter von neun bis zehn Jahren,

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

eine Abstimmung für das längere Offenhalten von Bildungschancen. Dann ist es nur logisch, wenn sich vielerorts Elterninitiativen gründen, um das Angebot an Gesamtschulen zu erweitern.

Ich glaube, Kollege Kaiser, gerade die von Ihnen angeführte zurückgehende Schülerzahl führt dazu, dass auch im ländlichen Raum – auch CDUgeführte – Schulträger in der Schulform Gesamtschule die Chance sehen, ein qualifiziertes Bildungsangebot ortsnah zu realisieren.

(Beifall von Thomas Trampe-Brinkmann [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE])

Dann stellt sich in der Tat die Frage: Wie reagiert die Landesregierung auf diesen Eltern- und Schulträgerwunsch, welche Beratungen und Unterstützungen werden angeboten? – Offensichtlich keine! Im Gegenteil: Hürden werden aufgebaut. Man

versucht offensichtlich, Neugründungen zu verhindern.

Diese Handlungsweise widerspricht offensichtlich allen Beteuerungen der Regierungskoalition, die Schulform Gesamtschule gleichberechtigt behandeln zu wollen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, einige Zitate aus den letzten Plenardebatten herauszusuchen.

Bernhard Recker, Plenardebatte vom 16. November 2006:

„Wir haben immer dazu gestanden: Die Gesamtschulen sind, auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes, Teil unseres Schulwesens und haben eine faire Chance verdient – genau wie jede andere Schulform.

Gesamtschulen müssen sich im fairen Wettbewerb bewähren. Für Sie sollen dieselben Standards unter den gleichen Rahmenbedingungen gelten.“

Frau Ministerin Sommer in derselben Debatte:

„Ich möchte an dieser Stelle betonen: Die Gesamtschule ist ein in Nordrhein-Westfalen eingeführtes Angebot. Dabei bleibt es. Ich bin verantwortlich und ich fühle mich verantwortlich.“

Klaus Kaiser, ebenfalls in der Debatte am 16. November 2006:

„Unser Ziel ist – das sage ich ganz deutlich, da gibt es auch keinen Zweifel –: Die Gesamtschule ist Teil unseres mehrgliedrigen Schulsystems. Sie ist als ergänzende Schulform anerkannt.“

Und als letztes Zitat Herr Kaiser in der Plenardebatte am 17. Dezember 2006:

„Die Gesamtschulen dürfen in der Tat nicht benachteiligt werden. Dem stimmen wir zu; das ist richtig.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es diese Benachteiligung nicht geben darf – damals sicherlich in einem anderen Sinnzusammenhang –, dann darf es sie auch nicht bei der Nachfrage nach Gesamtschulplätzen geben, bei den Ansinnen von Schulträgern und Eltern, zusätzliche Gesamtschulen zu gründen, und dann sollten Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, den Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entsprechend ernst nehmen und ihn unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir tun das auf jeden Fall. Deswegen stimmen wir der Überweisung auch selbstverständlich zu. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Große Brömer. – Für die FDP-Fraktion hat Frau Pieper-von Heiden das Rederecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Beer, dieser Antrag ist wirklich scheinheilig und spielt die gesamte populistische Klaviatur runter. Das muss ich einmal sagen. Sie packen sogar die Schulleitungspauschale hinein, wo Sie ganz genau wissen, dass wir die Gesamtschulen nicht benachteiligen, sondern dass wir die eklatante Bevorzugung gleichgestellt, abgeschafft und die Schulen mit anderen gleichgeordnet haben.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Aber zur eigentlichen Sache: Natürlich haben wir in diesem Jahr Überhänge an den Gesamtschulen; die hat es in den gesamten letzten Jahren gegeben. Wie hat Rot-Grün darauf reagiert? Mit der Gründung von Gesamtschulen? – Nein. Wir haben es gerade gehört. Seit 2000 ist gerade eine einzige Gesamtschule neu gegründet worden.

(Zuruf von der SPD: Sie wissen aber nicht, wie der Bedarf ist!)

Für jedes Kind gibt es in diesem Land einen Schulplatz – explizit auch an der geeigneten Schulform. Wenn man die Sache einmal ein bisschen genauer untersucht, dann stellt man fest, dass die Kinder, die keinen Platz an den Gesamtschulen bekommen, diejenigen sind, die überwiegend eine Empfehlung für die Hauptschule haben. An den Hauptschulen dieses Landes werden sie sicherlich einen Platz finden.

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Sie würden eine Gesamtschule gründen. Dann würden Sie sogar gegen den KMK-Beschluss verstoßen. Die KMKBeschlusslage sagt ganz eindeutig, dass die Gesamtschule eine integrierte Schulform ist, die alle Abschlüsse bereithalten muss. Jetzt sagen Sie mir einmal, wie Sie es mit einem System mit 1.000 Schülerinnen und Schülern hinbekommen wollen, dass eine Schule, die überwiegend von Hauptschülern besucht wird, auch tatsächlich die Oberstufe füllt. Das müssen Sie mir einmal klarmachen. Das kriegen auch Sie, Frau Beer, nicht voreinander. Von daher ist der Antrag wirklich eine einzige populistische Angelegenheit.

Sie stellen Sie sich bei anderen Themen hierhin und versuchen, große wissenschaftliche Abhandlungen zu geben. Dieser Antrag ist Ihrer wirklich nicht würdig. Das muss ich an der Stelle wirklich einmal sagen.

Drei Bildungsgänge können mit dem Überhang, der an Gesamtschulen zurückgewiesen wird, bei Neugründungen überhaupt nicht erfüllt werden. Da setzten Sie den Eltern einen Floh ins Ohr, was überhaupt nicht geht. Sie haben es doch aus gutem Grunde nicht gemacht. Die Vorvorgängerin von Frau Sommer, Frau Behler, hat damals einen Brandbrief an die Gesamtschulen geschrieben: Wir können die Oberstufe schon jetzt nicht mehr sicherstellen. Schon heute müssen wir bei den bestehenden Gesamtschulen manchmal beide Augen zudrücken, um eine Oberstufe überhaupt noch über die Runden zu retten. Das, was Sie mit diesem Antrag abliefern, ist in hohem Maße unseriös.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ihre ganze Poli- tik ist unseriös!)

Ich meine, es ist nicht wert, dass wir weiterhin darüber diskutieren. Er muss ordnungsgemäß an den Schulausschuss überwiesen werden. Das werden wir auch so machen. Wir werden darüber diskutieren. Ansonsten kann man nur sagen: Dieser Antrag gehört zu einer Kategorie, die man nur versenken kann.

Frau Kollegin, ich habe zwei Wortmeldungen für Zwischenfragen.

Wenn Sie die Zeit anhalten würden.

Ja, die halten wir selbstverständlich an. Ihnen zuliebe tun wir das ohnehin. Wir werden sie anhalten. Die Frage ist, ob Sie zwei Zwischenfragen zulassen.

Dann beginnen wir mit dem Kollegen Trampe-Brinkmann. Bitte schön.

Frau Pieper-von Heiden, aus meinem ländlichen Wahlkreis, in dem es eine Gesamtschule gibt, berichtet mir der Schulleiter, dass er neben den 90 nicht anzunehmenden Schülern in einer fünfzügigen Eingangsphase Dutzende von Eltern im ländlichen Bereich bereits im Vorgespräch hat davon abbringen können, ihre Kinder an der Gesamt

schule anzumelden, weil das mit Schulfahrten von über einer Stunde verbunden wäre.

Ich kann Sie akustisch nicht verstehen. Geht es ein bisschen lauter?

Ja, auch ich verstehe es schwer.