Protocol of the Session on March 28, 2007

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deswegen meine ich – das habe ich einleitend bereits gesagt –: Der Antrag ist eher peinlich.

Für die Freunde der Politik nach Umfragen möchte ich noch etwas zum Abschluss bringen. – Im Mai 2006 wurde von der „Financial Times Deutschland“ – das ist ja kein grünes Zentralorgan – eine Umfrage veröffentlicht. Eine Frage bezog sich auf die politische Sympathie. Bei dieser Frage haben 25 % der befragten Ökonomen Bündnis 90/Die Grünen genannt. Ihren liberalen Koalitionspartner haben nur 13 % genannt. Das heißt, wir hatten ein eindeutiges Plus.

Vor dem Hintergrund der Substanz des Antrags und der Debattenbeiträge habe ich Verständnis dafür, dass diese Frage so beantwortet wurde. Meine Bitte ist also – wir sind ja gespannt auf das, was Sie wollen –, dass man in die Anträge etwas mehr an Substanz hineinbringt. Nur basierend auf Umfragen einen wirtschaftspolitischen Antrag zu machen, ist aus unserer Sicht zu wenig. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Priggen. – Für die Landesregierung erhält jetzt Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in diesem Hohen Hause schon verschiedentlich gesagt: An sich ist es mir egal, woher der Aufschwung kommt, Hauptsache er ist da. – Wir haben hier im Land die Aufgabe, alle Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen, so auszurichten, dass das stabilisiert und gefestigt wird. Daran arbeiten wir.

Ich finde es schön, dass die Opposition den ifoGeschäftsklimaindex zitiert. So etwas Robustes wie diesen Aufschwung hat es lange nicht mehr gegeben. Lassen Sie uns doch gemeinsam Freude empfinden und dann darüber reden, ob wir alles falsch gemacht haben.

Im Übrigen hat mir die Schulministerin gerade gesagt, Herr Priggen: Gespräche über Kinder, die sich dann in Kopfnoten niederschlagen, betrachten wir nicht als Teil der Bürokratie.

(Ministerin Barbara Sommer: Jawohl! – Sö- ren Link [SPD]: Die Lehrer aber schon!)

Das kann ja sein. Vielleicht ist es für die Lehrer ungewohnt, sich wieder intensiv damit zu befassen.

(Sören Link [SPD]: Das ist eine Frechheit!)

Bereits zum zweiten Mal schneidet der Mittelstand im Barometer gut ab, die schweren Jahre des Mittelstands scheinen vorbei. Ich bin sicher, dass wir in diesem Land – das hat Herr Eumann sehr deutlich gemacht – die Bedeutung gerade größerer familiengeführter Unternehmen in der Vergangenheit total unterschätzt haben. Sie sind die eigentlichen Hidden Champions, mit denen wir unsere Innovationskraft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stabilisieren und unterstreichen, und sie ziehen dann andere mit.

Deshalb: Ich akzeptiere, dass man mit einer Umfrage von Ernst & Young nicht alles abgreift, aber man greift einen wesentlichen Wachstums- und Innovationsmotor ab. Das ist deshalb so wichtig, weil die sogenannten Hidden Champions eine andere Beziehung zum Standort haben als die großen DAX-Unternehmen, über die Sie lieber reden.

Ihr Umgang mit den Mitarbeitern, den sie für ihre weitere Entwicklung für maßgeblich halten, macht es mir leichter – das sage ich ganz offen –, für eine Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft auch bei denjenigen zu werben, die im Moment noch nicht oder nicht mehr in der Sonne stehen; denn da wird deutlich, was eigentlich gemeint ist, wenn wir uns für Freiheit und Selbstverantwortung entscheiden. Dies betonen wir mit Nachdruck.

Dann fragen Sie, ob wir etwas für die kleinen mittelständischen Unternehmen getan haben. Alle Maßnahmen in den Mittelstandspaketen – das wissen Sie so gut wie ich, Herr Eumann – zielen nicht auf die Hidden Champions, sondern auf das, was kleiner oder erst im Entstehen begriffen ist.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aber die Ernst-&- Young-Studie macht das nicht!)

Entschuldigung, aber es ist doch toll, dass wir die Stärke des wirtschaftlichen Kerns noch einmal unterstrichen bekommen, darauf einen Teil zum Beispiel der Außenwirtschaftspolitik konzentrieren, für unseren Standort mit der Kraft dieser Unternehmen werben und gleichzeitig nicht verges

sen, welche Instrumente wir haben und für die kleinen und mittleren Unternehmen anwenden?

Ich darf die wenigen Stichpunkte wiederholen: Sie haben etwas gegen Starter-Centers – wahrscheinlich nur, weil sie aufgrund von Vereinbarungen zwischen den drei wichtigen für die Wirtschaftsförderung bestehenden Institutionen im Land entstehen und das Land kein Geld in die Hand genommen, sondern eine vernünftige Verabredung mit einer externen Evaluierung und Begleitung, was dort mindestens geboten werden muss, getroffen hat. Ich finde, das sollten Sie eher positiv begleiten.

(Beifall von der CDU)

Zu dem Rückgang der Zahl der Gründer: Herr Eumann, ein Blick auf die Elemente, die da erfasst werden, hätte es Ihnen leicht gemacht, diese Bemerkung zu vermeiden. Es geht dabei um den bundesweiten Rückgang von Ich-AGs; das sollten Sie dazusagen.

Das sind aber nicht die stabilen Existenzgründer. Das sind nicht die, die wir mit sehr vielen Kleinstdarlehen, die von der NRW.BANK extra aufgelegt worden sind, auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleiten. Wir haben neue Seed Fonds eingerichtet, wir haben den Venture Capital Fonds als revolvierend, und wir haben Mikrolending. All das, was Sie angeblich erst einfordern müssen, entwickeln und bauen wir bereits längst zusammen mit der NRW.BANK auf.

Zu den Wettbewerben: Im Rahmen von Ziel 2 werden wir im September 2007 einen gründungs- und wachstumspotenzialorientierten Wettbewerb ausrufen. Eine Kategorie dieses Wettbewerbs wird die Aktivierung und Unterstützung insbesondere von innovativen wissensbasierten Gründungen sein.

Eine zweite Kategorie bezieht sich auf die Aktivierung und Unterstützung der Unternehmensgründungen durch Frauen.

Wir streben überdies an, dass künftig in jeder Region Starter-Center über die interkulturelle Kompetenz verfügen, damit sich auch Menschen mit Zuwanderungsgeschichte verstärkt für den Schritt in die Selbstständigkeit entschließen.

Ich will gar nicht alle Einzelelemente aufführen, aber noch einmal zum Thema Bürokratieabbau fragen: Ist es so falsch, die Erfahrungen aus der Modellregion Ostwestfalen auf das ganze Land zu übertragen? Dort sind doch einige vernünftige Erfahrungen gemacht worden. Man kann sich doch freuen, dass jetzt ein kleiner Einzelhändler zum Beispiel sein Schild an der Tür verändern kann,

ohne dass er dazu mehrere Behördengänge braucht. Das sind zwar kleine Schritte, aber die, die in der Vergangenheit darunter gelitten haben und genervt waren, freuen sich.

Meine Damen und Herren, wir haben außerdem das Gütesiegel „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“. Hier bewerben sich zunehmend Kommunen, die sagen: Wir sehen ein, dass wir uns an dieser Ecke noch besser aufstellen müssen.

Nun zu dem, was Sie in Bezug auf China sagen – das ist wirklich wunderschön –: Vielleicht kennen Sie den Unterschied zwischen China und Indien nicht – das will ich Ihnen nicht vorwerfen –, aber wenn Sie die beiden Länder besuchen und sich über die Chancen mittelständischer Unternehmen unterhalten, dann müssen Sie bei unvoreingenommener Betrachtung feststellen, dass Sie es in Indien mit einem demokratischen Land zu tun haben, dass es in Indien ähnlich wie bei uns sehr viele familiengeführte Unternehmen gibt, dass diese familiengeführten Unternehmen parallel Einrichtungen bei uns suchen und schätzen und dass wir auf dieser Reise 80 mittelständische Unternehmen mitnehmen konnten, die zahlreiche unmittelbare Firmenkontakte hatten, um zu prüfen: Gibt es Möglichkeiten für Lieferbeziehungen? Können wir am expansiven Markt in Indien teilnehmen?

Die indischen Unternehmen sind aber auch bereit und interessiert daran – das ist anders als in China, Herr Eumann –, zum Beispiel in Fragen der Unternehmensnachfolge ihre Unternehmenskultur nach Deutschland zu übertragen.

Ich mache ein ganz praktisches Beispiel: Ein relativ großes Unternehmen aus Indien hat hier einen Automobilzulieferer aufgekauft. Das ist nicht Ausrauben und Technikklauen, sondern der ernsthafte Einstieg in den europäischen Markt. Und einer der Leiter des deutschen Unternehmens wird der Chef des indischen Konzerns für ganz Europa.

Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir den Aufschwung in diesem Land nicht vor lauter Chinabegeisterung verpassen. Er ist gerade für mittelständische Unternehmen eine große Chance. Daher haben wir uns in diesem Feld anders aufgestellt und speziell in Zusammenarbeit mit den Kammern versucht, unmittelbarere Firmenkontakte herzustellen, anstatt meinen Auftritt in irgendwelchen Ministerien an die Spitze der Bewegung zu stellen. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Eiskirch das Wort.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Meine Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin Thoben, Ihre Ausführungen haben wirklich deutlich gemacht, dass …

(Christian Weisbrich [CDU]: Na was?)

Wenn Sie nicht in Indien gewesen wären, hätte dieser in Weihrauch getränkte Antrag der CDUFraktion und der FDP-Fraktion das Licht dieses Plenums nicht erreicht. Sie haben an der ein oder anderen Stelle ja auch durchaus deutlich gemacht haben, wie dünn dieser Antrag in der Substanz ist.

Ich möchte ganz gerne auf die zwei Dinge zu sprechen kommen, die Sie dem Kollegen Eumann gerade vorgeworfen haben.

Sie haben dem Kollegen Eumann zum einen gerade fälschlicherweise unterstellt, er habe verdeutlichen wollen, dass Indien nicht das richtige Pflaster für nordrhein-westfälische Unternehmen – gerade für die kleinen und mittelständischen, vor allem die familiengeführten Unternehmen – ist. Das hat er keineswegs! Der Kollege Eumann hat Sie aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zitiert, in dem Sie schlicht und ergreifend die Mittelständler – auch familiengeführte Unternehmen; wir beide aus Bochum kennen sogar das ein oder andere –, die sich mit Ihren Produkten auf den Weg nach China machen, weil sie sich dort ganz besondere Absatzmöglichkeiten erhoffen, diskreditieren, indem Sie sagen – ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten –:

„Zunächst rate ich zu mehr Selbstbewusstsein. In China hat der Mittelstand die Gelegenheit verpasst.

Es ist einfach schäbig, so mit denen umzugehen, die das Risiko auf einem solch schwierigen Markt eingegangen sind.“

(Beifall von der SPD)

Zum Zweiten hat der Kollege Eumann vorhin aus dem „Handelsblatt“ vom 8. März zitiert. Sie haben eben den Versuch unternommen, das für Nordrhein-Westfalen wahrlich nicht positive Gründungsgeschehen der Jahre 2005 und 2006 auf die Ich-AGs abzuschieben. Das zeugt davon, dass Sie das „Handelsblatt“ an der Stelle nicht gelesen haben. Die Quote der Unternehmensgründungen in Deutschland hat sich, ausgehend von 2003/2004, von 5,75 auf 4,63 für die Jahre

2005/2006, in denen Sie die Verantwortung trugen, deutlich reduziert: um mehr als einen Prozentpunkt. Dabei ging es um den Prozentsatz der befragten erwachsenen Deutschen, die ein Unternehmen gegründet haben oder eines gründen wollen. Damit sind alle Gründungen gemeint, nicht nur geförderte Ich-AGs. In der Begründung des Artikels, wenn Sie ihn denn kennen würden, wird sogar das Gegenteil deutlich. Danach haben das Auslaufen des Förderprogramms Ich-AG – das wird da durchaus genannt – und das Überbrückungsgeld bis Ende Juli noch zu einer verstärkten Nachfrage in 2006 geführt. Trotzdem ist das Gesamtgründungsgeschehen in NordrheinWestfalen zurückgegangen.

(Beifall von der SPD)

Solche Dinge sollten Sie nicht so einfach verfälschen, wie Sie es hier getan haben.

Es werden viele Gründe für die rückläufige Zahl der Gründungen genannt. Einer lautet zum Beispiel, dass die spezielle Unterstützung von Frauen bei Gründungen als schlecht entwickelt eingeschätzt wird. Das fällt mir ganz besonders deswegen auf, weil ich noch weiß, dass eine Ihrer ersten Äußerungen im Wirtschaftsausschuss, als Sie frisch Ministerin waren, war, dass man eine geschlechtsspezifische Gründungsunterstützung eigentlich nicht brauche, gründen könnten Männer und Frauen gleichermaßen. – Ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig, so damit umzugehen.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich noch zu zwei inhaltlichen Punkten kommen.