Protocol of the Session on March 8, 2007

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Und ein Herr Beckstein der FDP kann natürlich nicht reüssieren in einer solchen Debatte. Ich verstehe natürlich auch die FDP an dem Punkt, die

eben sieht: Der einzige FDP-Innenminister, den es in Deutschland gibt, lässt an liberalem Profil doch sehr zu wünschen übrig und hängt sich an Sprüche, die man von dem richtigen Beckstein gehört hat.

(Beifall von der SPD)

Ich glaube, wir stehen in Berlin jetzt doch vor einer Einigung, die ermöglicht wurde, weil die Große Koalition das ganze Verfahren an sich gezogen und damit den teils bemühten, teils querliegenden Innenministern das Verfahren aus der Hand genommen hat. Damit kommen wir zu einer Altfallregelung, wobei für uns als SPD der maßgebliche Aspekt ist, eine nachhaltige Altfallregelung zu bekommen. „Nachhaltig“ heißt: Wir brauchen eine Regelung, die möglichst viele der bezeichneten Personengruppen erreicht, damit wir nicht in zwei oder drei Jahren wieder darüber sprechen müssen, wie wir eine Altfallregelung für Menschen finden, die gut integriert sind und die seit vielen Jahren bei uns leben.

Ich glaube, man kann das erreichen. Auch der Gesetzentwurf enthält meines Erachtens eine effektive Altfallregelung und ergänzt den IMKBeschluss vom 17. November sehr weitreichend. Die jetzt zwischen den Koalitionsfraktionen und den beteiligten Ministern in Berlin vereinbarte Regelung sieht vor, dass ein bislang Geduldeter eine Aufenthaltserlaubnis erhält, wenn er sich am 1. Juli 2007 als Alleinstehender seit mindestens acht Jahren oder im Familienverbund seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und – Herr Kollege Kruse, Sie haben es gesagt – über ausreichend Wohnraum verfügt, hinreichend Deutsch spricht und seine schulpflichtigen Kinder tatsächlich zur Schule schickt.

Der Nachweis der Deutschkenntnisse auf dem Niveau A 2 – mündlich -des europäischen Referenzrahmens kann er binnen eines Jahres nachholen; auch insofern wurde faktisch keine allzu hohe Hürde gesetzt.

Er darf außerdem die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben. Er darf natürlich keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen aufweisen und nicht wegen einer hier begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein. Dass wir Verurteilungen von bis zu 50 bzw. bis zu 90 Tagessätzen bei

ausländerrechtlichen Delikten herausgenommen haben, ist richtig und auch nicht lebensfremd.

Maßgeblich ist, dass diese Aufenthaltserlaubnis gleichzeitig nun endlich zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Denn anders als die IMK, die zunächst den Nachweis eines Arbeitsplatzes verlangte, bevor sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Aussicht stellt, wird die Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis also unabhängig von der Arbeitssituation des bislang Geduldeten erfolgen. Die Betroffenen sind somit verpflichtet, sich Arbeit zu suchen, um zu verhindern, dass sie von Sozialtransfers leben. Im Grunde ist das das Prinzip Fördern und Fordern des SGB II.

Die Aufenthaltserlaubnis – so sieht es der Entwurf vor – gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2009. Sie soll um weitere zwei Jahre verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers bis dahin überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert war oder er seit mindestens 1. April 2009 seinen Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend eigenständig sichert und dies auch für die Zukunft gilt. In bestimmten Härtefällen – auch das bleibt erhalten – kann hiervon jedoch abgesehen werden.

Nimmt man diese Regelungen insgesamt in den Blick, so ist das ein Paket, das uns hilft, ein lange währendes Problem zu einem vorläufig guten – ich will nicht sagen: endgültigen – Abschluss zu bringen. Dass das, was die Große Koalition in Berlin in diesem Punkt macht, nicht so falsch sein kann, zeigt doch auch der Antrag der Grünen. Deswegen möchte ich meine Rede gern mit der ersten Feststellung des Grünen-Antrags schließen. Da heißt es nämlich:

„Die von der großen Koalition vorgeschlagene Bleiberechtsregelung ist notwendig und geeignet, zahlreichen langjährig in Deutschland lebenden und integrierten Geduldeten eine faire Chance für einen dauerhaften Aufenthalt zu geben. Dazu gehört das Ziel, dass die Betroffenen perspektivisch ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können.“

Ich werde diesen Dank der Grünen-Landtagsfraktion unseren Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag ausrichten. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Monika Düker [GRÜNE]: Vergessen Sie Herrn Schäuble nicht! Ihm müssen Sie auch noch danken!)

Vielen Dank, Herr Dr. Rudolph. – Als Nächster spricht für die Fraktion der FDP der Kollege Engel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bleiberecht ist eine schwierige und sensible Thematik. Meine drei Vorredner, Frau Düker, Kollege Kruse und Herr Dr. Rudolph, haben das mit zahlreichen Aspekten richtig dargestellt.

Es ist deshalb umso schwieriger und sensibler, über einen Prozess zu sprechen, den Sie einerseits in der rot-grünen Koalition in Berlin und andererseits in zehn Jahren Rot-Grün in NordrheinWestfalen versucht haben zu lösen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Frau Düker und Herr Rudolph, ich möchte kein Öl ins Feuer gießen, aber diese Uraltfälle zwischen fünf und acht Jahren hätten Sie eigentlich auch abräumen können.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wer saß denn in der Innenministerkonferenz? – Weitere Zuru- fe von den GRÜNEN)

2005 haben wir bereits darüber mit allen Schwierigkeiten gesprochen und weiterhin 2006. Wir reden heute darüber zum vierten Mal. Allerdings reden wir vor dem Hintergrund des IMKBeschlusses im letzten Jahr und des praktischen Verwaltungshandelns in Nordrhein-Westfalen. Parallel besteht auf der Baustelle in Berlin, was das Ausländerrecht angeht, eine Situation, bei der man sich zu einigen scheint.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist deshalb ein schwieriger Bereich, weil eine so große Gruppe von Menschen aus den verschiedensten Ländern dieser Welt getragen von der Hoffnung auf ein besseres Leben und auf eine erfülltere Zukunft mit Entwicklungschancen in unserem Land lebt.

Frau Düker, Sie gehen in dem Antrag von ca. 60.000 Geduldeten in Nordrhein-Westfalen aus, für die ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland überwiegend ein persönlicher Herzenswunsch ist. Hinter jedem dieser gut 60.000 Menschen verbergen sich eine persönliche Geschichte und auch ein Schicksal.

Man kann wirklich ohne Einschränkung sagen, dass sich alle Anwesenden für jeden Einzelfall eine zufriedenstellende Lösung wünschen. Wie in der letzten Zeit die kontroverse Diskussion in der Öffentlichkeit, die Verständigung auf der Konferenz der Innenminister und die zähen Verhand

lungen der Koalition in Berlin zeigen, sind sich alle Beteiligten jedenfalls darin einig, dass wir erstens verbindliche Maßstäbe für eine Bleiberechtslösung benötigen und zweitens nicht jedem der in Deutschland Geduldeten voraussetzungslos ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht gewähren können. Herr Dr. Rudolph hat das vorhin mit der Wohnung und dem anderen Land sehr schön plastisch dargestellt. Also: Das ist nicht voraussetzungslos möglich. Aber darin sind wir uns sicherlich einig.

Derzeit leben in Deutschland über 186.000 Ausländer seit Jahren im Status der Duldung. Sie können jederzeit abgeschoben werden, auch wenn sie in Deutschland zur Schule gegangen sind. Die Menschen auf Dauer in einem derart unsicheren Status zu belassen, erschwert ihnen ihre Zukunftsplanung und ist nicht dauerhaft zumutbar. Eine verbindliche Regelung schafft für die Betroffenen Rechtssicherheit. Eine Normierung der Voraussetzungen für ein Bleiberecht – das ist jetzt in Berlin offensichtlich angedacht – gewährleistet Gleichheit und Gerechtigkeit.

Im Hinblick auf die bereits jetzt stark belasteten Sozialsysteme – das muss man auch erwähnen; sie gehören zum Gesamtbild dazu; das stellen auch Sie nicht infrage – hat eine solche Regelung die Finanzierbarkeit und die Verträglichkeit für die Gemeinschaft entsprechend zu würdigen. Insoweit ist dem IMK-Beschluss zuzustimmen, dass eine solche Regelung das nachhaltige Bemühen der Betroffenen um ihre Integration in die deutsche Gesellschaft zu berücksichtigen hat und die reine Zuwanderung in die Sozialsysteme vermieden werden muss.

Nach dem heute knapp vier Monate alten Beschluss der IMK vom 17. November 2006 zeichnet sich auf Bundesebene nach zähen Verhandlungen mit vielen Streitereien und Querschüssen, die Sie bereits erwähnt haben, endlich eine Einigung in dieser Frage ab – Stichwort: Ausländerrecht; das ist hier richtigerweise erwähnt worden. Gestern meldeten zumindest einige Agenturen, dass im Tauziehen um das Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer die Meinungsverschiedenheiten der Koalitionsfraktionen in Berlin über den bisherigen Kompromiss beigelegt seien und eine Lösung in Sicht sei.

Wir haben hier wohl vier Mal zu diesem Komplex gesprochen. Ich sagte es bereits: im letzten Jahr alleine dreimal. Ich habe jedes Mal versucht, auch die Haltung der FDP-Landtagsfraktion darzulegen. Ich möchte noch einmal ganz kurz inhaltlich zu der Bleiberechtsregelung Stellung nehmen:

Auch nach Ansicht der FDP muss die wirtschaftliche und soziale Integration das entscheidende Kriterium sein. Neben deutscher Sprachkompetenz ist der eigenständige Lebensunterhalt ein berechtigtes Kriterium. Es muss sichergestellt werden, dass eine Zuwanderung nicht zulasten der deutschen Sozialsysteme erfolgt.

Möglicherweise, Herr Dr. Rudolph, Frau Düker und Herr Kruse, sehen das andere Bundesländer, die in einigen Monaten Landtagswahlen haben, schon wieder ganz anders. Ich geißele das gar nicht; ich will nur noch einmal darauf hinweisen: Das ist ein Prozess. Nur wenn der gut integrierte Geduldete die Möglichkeit und die Vorgabe hat, durch seine eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, bietet ihm das eine echte Zukunftsperspektive.

Mit der Übergangsfrist zum Nachweis eines verbindlichen Angebots für ein Beschäftigungsverhältnis, das den Lebensunterhalt vollständig sichert, hat die IMK auch für diejenigen eine befriedigende Lösung gefunden, die gerne arbeiten wollen, es aber bislang nicht durften.

Nach Einschätzung der FDP-Landtagsfraktion wurden bereits Ausnahmen vom Erfordernis der vollständigen eigenen Lebensunterhaltssicherung für verschiedene Personengruppen festgeschrieben, sodass der diesbezügliche Vorwurf im hier zur Debatte stehenden Antrag überhaupt keine Basis hat, Frau Düker, Herr Rudolph.

Bei meinen Reisen durch die Behörden wird mir auch dieser Punkt sehr konkret geschildert. Wir sprechen von dem Erlass, der nach der IMKEntscheidung erfolgt ist. In der Zwischenzeit soll es aber – möglicherweise wird der Innenminister darauf noch eingehen – nach Gesprächen mit der Arbeitsverwaltung, mit den Bezirksregierungen und deren Erfahrungen wiederum mit den Ausländerbehörden weitere Regelungen geben. Was ich da höre, entspricht nicht der Dramatik, wie Sie sie schildern. Da scheinen wir in NordrheinWestfalen mit konkretem Verwaltungshandeln schon ein Stück weiter zu sein. Fragen sie einmal selber!

Wir von der FDP-Fraktion stimmen der Überweisung des Antrags gerne zu. Ich gehe davon aus, dass der Innenminister uns das eine oder andere, was noch offen ist, vortragen wird. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Innenminister Dr. Wolf. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag kommt jedes Vierteljahr wieder. Deswegen freuen wir uns stets, uns mit Ihnen auseinanderzusetzen und Sie auf die gleichen Fehler aufmerksam zu machen, die Ihre Darlegungen aufweisen. Es nutzt nichts, mit plumpen Angriffen und Sprüchen zu arbeiten; denn eines steht fest: In der rot-grünen Regierungszeit haben Sie eine Bleiberechtsregelung nicht hinbekommen, meine Damen und Herren. Wir haben das geschafft, und insofern freuen wir uns über diesen Erfolg.

(Beifall von Theo Kruse [CDU])

Die Tatsache, dass diese Bleiberechtsregelung in unserer Regierungszeit zustande gekommen ist, verdrängen Sie. Man kann nur glauben, Sie unterliegen entweder partieller Amnesie oder Böswilligkeit.

CDU und FDP haben im Herbst 2005 in Nordrhein-Westfalen eine Initiative zu einer Zeit gestartet, als andere noch nicht bereit waren, auch nur über den Hauch einer Bleiberechtsregelung nachzudenken. Wenn wir dann im Jahre 2006 nach langwierigem Bohren erfolgreich waren, Herr Rudolph, dürfen Sie davon ausgehen, dass sowohl meine Person als auch eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungskoalition dieses Hauses daran mitgewirkt haben.

Mit forschem Angriffsgeschrei ist doch nichts gewonnen, wenn Sie eine einmütige Entscheidung eines kollegialen Gremiums brauchen. Es gilt, darum zu werben, vernünftige Lösungen zu finden. Dass diese Lösung sehr vernünftig angelegt ist, zeigt sich schon darin, Herr Rudolph, dass Sie das, was Sie gerade als potenzielle Bundesregelung vorgelesen haben, zu 90 bis 95 % in unserem IMK-Beschluss wiederfinden.

Von daher: Bleiben Sie erst einmal ganz entspannt. – Frau Düker, wer nichts zu melden hat, schreit am lautesten. Das gilt für die Grünen immer.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Hannelore Kraft [SPD]: So lässt sich das Parlament nicht be- handeln, Herr Minister! Das ist ja unglaub- lich!)

Deswegen sage ich Ihnen ganz deutlich: Die jetzige IMK-Regelung hat schon bedeutende Erfolge in Nordrhein-Westfalen aufzuweisen: Wir haben etwa 17.200 Anträge und davon – das ist erst wenige Wochen, wie der Kollege Engel auch gesagt hat, im Gange – bereits 645 Aufenthaltserlaubnisse und rund 3.500 Duldungen mit dem Bezug, bis zum 30. September eine Arbeit aufzunehmen,

ausgesprochen. Sie sehen also: Die Arbeit läuft. Viele Anträge konnten noch gar nicht bearbeitet werden. Das ist mit Blick auf die große Anzahl nachvollziehbar. Deswegen ist das ein guter Weg. Wir lassen uns das, was hier als Erfolg zu verbuchen ist, nicht kleinreden.

Nun stehen wir vor der Situation, dass es von der Bundesseite her eine neue Regelung geben soll, die uns allerdings noch nicht konkret vorliegt. Herr Rudolph hat vorgetragen, was er gehört hat. Es gibt keine verbindliche Entscheidung. Wir setzen jedenfalls darauf, dass es zu einer vernünftigen und für alle befriedigende Regelung kommt.

Was die Frage des Antrags der Grünen betrifft, meine Damen und Herren, ist schon eine interessante Diskrepanz festzustellen. Sie verlangen zunächst, dass die Große Koalition mit der Bleiberechtsregelung unterstützt werden soll, um dann im nächsten Absatz zu sagen, dass Sie das, was in Bezug auf die 14 Jahre alten Kinder darin steht, aber nicht wollen. Sie suchen sich das heraus, was Ihnen gefällt. Es ist doch klar, dass über die Einzelheiten dieser Vorschrift noch diskutiert werden wird, das ist in einem demokratischen Prozess ganz normal. Bis das Bundeskabinett noch nicht entschieden hat, gibt es keine Basis, auf der verlässlich debattiert werden kann.

Ich möchte Ihnen mit Blick auf die übrigen Vorwürfe, die Sie der Landesregierung wieder einmal machen,

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])