Um es auf einen Nenner zu bringen, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Nur wer vor diesem Wettbewerb Angst hat, verschärft § 107.
Ihr angeblicher Bestandsschutz, den Sie für bereits tätige Kommunen in das Gesetz aufnehmen, bedeutet nichts anderes, als Tod auf Raten, weil Unternehmen nicht daran gemessen werden, welche Umsätze sie heute erzielen, sondern welche Zukunftsfähigkeit sie besitzen. Wer Unternehmen Flexibilität raubt, nimmt sie letztendlich vom Markt.
In Kreistagen und Räten formiert sich mit Zustimmung von CDU und FDP Widerstand. Die Reaktionen sind sehr einmütig. Es ist in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen bisher nur sehr selten vorgekommen, dass vor diesem Landtag wie heute Zehntausende – Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam – demonstrieren. Das sollte Ihnen genauso zu denken geben – Herr Brockes, Sie schauen so – wie die Tatsache, dass sich das örtliche Handwerk als Auftragnehmer von kommunalen Unternehmen gegen Ihr Gesetzesvorhaben stellt. An der CDU-Basis rumort es allerorten. Ein CDU-Landesparteitag fordert die Umkehr.
Damit stellen sich gleich mehrere Fragen. Warum hält eine solche CDU-Landtagsfraktion verzweifelt wider besseres Wissen, wider eigenen Verstand einem solchen Referentenentwurf die Stange? Wie, meine Damen und Herren von der CDULandtagsfraktion, kann es sein, dass eine 6,3 %Zwergenpartei Ihnen im Rahmen des Koalitionsvertrags 100 % ihrer Forderungen diktiert? Wer in Ihren Reihen hat eigentlich diesen Quatsch ausgehandelt?
Wer ist dafür verantwortlich, und warum, meine Damen und Herren von der CDU-Landtagsfraktion, lassen Sie sich am Nasenring durch die Manege führen?
Diese Fragen stellen sich. Die Antwort könnte lauten, meine Damen und Herren von der CDULandtagsfraktion, dass Sie vergessen haben, dass Sie einen Eid auf die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen geleistet haben und nicht auf Ihren Koalitionsvertrag. Sie machen Folgendes: Sie sichern zulasten der Menschen in diesem
Land einen Koalitionsklüngel ab, statt zum Wohle dieses Landes zu handeln. Sie schauen im Gegenteil zu, wie sich eine 6,3 %-Partei für Ihren Koalitionsklüngel die kommunalen Unternehmen zur Beute macht.
Ich beobachte mit Interesse das Verhalten der CDU-Landtagsfraktion; mein Kollege Körfges wird gleich namentlich ein paar Beispiele nennen. Es ist interessant anzuschauen, im Rahmen welcher politischen Evolution es bei Ihnen zu zwei Mutationen in Ihrer Fraktion gekommen ist.
Bei Ihnen gibt es zwei Spezies. Die eine Spezies fährt nach Hause in den Wahlkreis – zum Teil mit Ratsmandat, zum Teil mit Aufsichtsratsmandat – und wettert vor Ort gegen das eigene Gesetzesvorhaben.
Sie hebt aber hier brav die Hand, wenn es darum geht, der Verschärfung des § 107 zuzustimmen. Meine Damen und Herren, einige in Ihren Reihen haben eine Schizophrenie entwickelt, dass sie zwei Personalausweise beantragen könnten.
Und bei Ihnen gibt es noch eine andere Spezies; vor dieser habe ich wenigstes noch einen gewissen Respekt. Sie fährt nach Hause und verteidigt diesen Referentenentwurf. Von ihrer eigenen Basis, von den Unternehmen vor Ort, von den Gewerkschaften und von dem Handwerk erhält sie zwar nur Ohrfeigen, aber sie kehrt hierher zurück und hält brav die andere Backe hin. Die Schmerzfreiheit einiger Ihrer Kolleginnen und Kollegen ist in der Tat bewundernswert.
Zu guter Letzt, Herr Wolf, um es deutlich zu sagen: Sie haben heute Morgen aktuell ein Interview auf „WDR 2“ gegeben. Sie haben dort behauptet: Liebe Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen, alles bleibt beim Alten. Strom, Gas, Wasser werden weiterhin so erbracht.
Weil es die Geschäftsordnung nicht zulässt, dass man sagen darf, dass Sie lügen, tue ich es auch nicht. Aber ich werfe Ihnen vor, Herr Wolf, dass Sie einen höchst flexiblen Umgang mit der Wahrheit pflegen. Sie wissen nämlich ganz genau: Wenn Sie den Stadtwerken die Flexibilität nehmen, sich zu verändern, dann nehmen Sie sie letztendlich vom Markt. Sie werfen kommunales Eigentum Oligopolen vor die Füße, und das ist die
Wahrheit. Wir werden das in diesem Land zukünftig mit höheren Gebühren und schlechterer Qualität bezahlen müssen. Und das ist eine weitere Baustelle, Herr Wolf, die Sie uns als Minister hinterlassen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Als Nächster hat für die weitere antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Becker das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich schaue mir die nahezu leere Kabinettsbank an und sehe dafür nur zwei Begründungen.
Die eine ist: Das Kabinett hat sich überwiegend zurückgezogen, weil es peinlich ist, was hier durch den Innenminister vertreten werden muss.
Herr Kollege, damit Sie es wissen: Frau Löhrmann ist draußen und hält ein Grußwort. Und Sie hält es zu Recht, weil sie sich solidarisch mit den Demonstrantinnen und Demonstranten gegen Ihre Landespolitik verhält.
(Dietmar Brockes [FDP]: Sie sind eine Zweimanntruppe oder wie? – Gegenruf von Britta Altenkamp [SPD]: Herr Brockes, wie viele sind Sie eigentlich? – Fortgesetzt Zuru- fe von der FDP – Widerspruch von der SPD)
Die neue Landesregierung – so nennt sie sich selbst – sieht ganz schön alt aus. Es gibt nicht nur erste Kratzer, meine Damen und Herren. Vielmehr blättert schon jetzt der Lack.
Anders kann man es nicht bezeichnen. Denn auf der einen Seite spielt sich der Ministerpräsident als Schutzpatron der Arbeiterinnen und Arbeiter, also der kleinen Leute, auf, und auf der anderen Seite findet hier eine der größten Demonstrationen aller Zeiten gegen eine Landespolitik, gegen eine Landesregierung statt.
Meine Damen und Herren, draußen stehen weit mehr als 20.000 Menschen und protestieren gegen den selbsternannten Arbeiterführer und seine gelb-schwarze Landesregierung. Sie protestieren, weil unter dem bröckelnden schwarzen Lack ein diesbezüglich fieses Gelb zum Vorschein kommt. Es ist ein Gelb, das die CDU an vielen Stellen gegen die Vernunft stellt: mal beim LPVG, mal bei den Versorgungsämtern und zum Beispiel auch bei der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen und beim § 107.
Meine Damen und Herren, so manche von Ihnen sind in den letzten anderthalb Jahren aufgetreten und haben fröhlich erzählt, dass sich niemand aufregen solle. Alle hätten doch gewusst, wofür diese Koalition stehe. Ich bestreite das. Sie sehen draußen weit mehr als 20.000 Menschen. Angesichts dessen, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Ihrer eigenen Partei gegen Ihre Landespolitik protestieren, glaube ich, dass denen vorher nicht klar war, was Sie mit dieser FDP durchzusetzen beabsichtigen.
Meine Damen und Herren von der CDU, wundern Sie sich eigentlich nicht darüber, dass Ihr Parteifreund Walter Reinarz aus Köln die Hauptrede hält? Wundern Sie sich nicht darüber, dass Sie der Bürgermeister Napp öffentlich schärfstens dafür kritisiert, was Sie hinsichtlich der Wohnungswirtschaft durch den veränderten § 107 anstellen?
Wundern Sie sich eigentlich nicht, dass insgesamt ein breiter kommunalpolitischer Widerstand aus Ihren Reihen gegen diese Pläne der FDP und leider auch der gesamten Landesregierung zustande kommt? Reichen Ihnen die weit mehr als 20.000 Menschen, die draußen demonstrieren, nicht? Und bei welcher Zahl würden Sie sich eventuell dazu bewegen lassen, von diesen unsinnigen Plänen Abstand zu nehmen?
18 Millionen? Also der gesamten Bevölkerung Nordrhein-Westfalens? Vorher würden Sie sich nicht davon überzeugen lassen? – Herr Weisbrich, das ist eine interessante Aussage.
Meine Damen und Herren, ab welcher Zahl – abseits der von Herrn Weisbrich genannten – würden Sie sich dazu bewegen lassen – die FDP will schließlich nur den Skalp von Stadtwerken, von kommunalen Wohnungsunternehmen, von diversen Verkehrsgesellschaften, denen in Zukunft die Quersubventionen fehlen –, sich der Vernunft zu beugen, die Ihnen die kommunalen Spitzenverbände entgegenhalten, die Ihnen der Verband der kommunalen Unternehmen entgegenhält und die Ihnen sogar die Industrie- und Handwerkskammern entgegengehalten? – Denn auch dort ist man mit dem jetzt vorgelegten Gesetzestext nicht einverstanden. Es ist ja kein Zufall, dass momentan ausgerechnet von dort aus zusammen mit dem Städtetag versucht wird, Ihren Gesetzentwurf beim § 107 wenigstens ein Stück weit abzuschwächen und zu entschärfen.
Meine Damen und Herren, was muss bei Ihnen passieren, damit Sie in Zukunft weiter zulassen, dass die monopolistische Struktur im Abfallentsorgungsbereich auch weiterhin durch Rekommunalisierung in jeder Art und Weise wieder wettbewerbsfähig im eigentlichen Sinne wird und so verhindert, dass Monopolisten überhöhte Gewinne bei Bürgerinnen und Bürgern abschöpfen? Was muss bei Ihnen passieren, damit Sie diesen vorgegaukelten Bestandsschutz, von dem Ihnen alle Fachleute sagen, dass er das Papier nicht wert ist, auf dem Sie das niederschreiben –