Protocol of the Session on March 7, 2007

Dass Frau Düker mit ihrer Mannschaft es nicht geschafft hat, ein Bundesverfassungsgerichtsurteil umzusetzen, hat der Kollege Dr. Orth gerade richtig gesagt.

Wir werden das alles parlamentarisch mit Ihnen noch in aller Ruhe ausdiskutieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Herr Dr. Rudolph zu Wort gemeldet. Bitte.

Um eines gleich klarzustellen, Herr Innenminister: Das mit der Steinzeit war ich nicht. Das ist die Beurteilung eines Funktionärs der CDA. Ich war in meiner Wortwahl nicht so rabulistisch, wie Sie meinen.

(Minister Dr. Ingo Wolf: Sie haben es sich aber zu eigen gemacht!)

Nein, das mache ich mir auch nicht zu eigen. Ich stelle nur fest, wie Ihre Politik von Kolleginnen und Kollegen in diesem Landtag aufgenommen

wird, die versuchen, auch Arbeitnehmerinteressen zu vertreten, und da sollten Sie besser nicht über die Dinge hinwegreden.

Der entscheidende Punkt ist nicht die Auseinandersetzung, die wir mit Ihnen, Herr Wolf, führen, sondern der entscheidende Punkt ist, wie sich der Ministerpräsident dieses Landes in dieser Auseinandersetzung verhält. Das ist es mir wert, die Rolle des Ministerpräsidenten zu betrachten.

Der Ministerpräsident ist ebenfalls CDA-Mitglied und steht an der Spitze des Kabinetts. Ein bisschen geht in dieser Diskussion seine Rolle als Sozialschauspieler in diesem Drama unter. Von daher möchte ich sie noch einmal beleuchten. Wir haben in den letzten 22 Monaten, auf die Sie so gerne abheben, diesen Ministerpräsidenten in ganz verschiedenen Rollen bewundert. Er hat in diesen 22 Monaten den Rollenwechsel geradezu zum Prinzip erhoben. Einmal gibt er das soziale Gewissen der CDU, aber leider nur auf Bundesparteitagen und nicht in der Wirklichkeit. Dann verkauft er sich als selbst ernannter Arbeiterführer. Dann versucht er – dazu ist er sich nicht zu schade –, in die viel zu großen Kleider von Johannes Rau zu steigen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn es allerdings wie in dieser Frage, die wir heute besprechen, konkret darum geht, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etwas zu tun, sich für ihre Interessen einzusetzen, dann verschwindet dieser Schauspieler Rüttgers von der Bühne, geht in die Kulissen und schaut von dort aus dem massiven Abbau von Mitbestimmungsrechten zu; nein, er schaut ihm nicht nur zu. Ich unterstelle ihm, er dirigiert ihn auch,

(Beifall von der SPD)

denn ein Ministerpräsident, der – wenn schon die Kleider von Johannes Rau zu groß sind – behauptet, sich wenigstens in die Tradition von Karl Arnold zu stellen, würde nicht zulassen, dass Nordrhein-Westfalen als soziales Gewissen der Bundesrepublik mitbestimmungspolitisch auf ein Niveau der 70er-Jahre zurücksinkt. Das ist der Punkt, und der wird zu betrachten sein.

Nun gebe ich Ihnen noch einmal einen anderen Hinweis. In der Anhörung zum Polizeiorganisationsgesetz hat der von mir durchaus geschätzte Kollege Kruse an die anwesenden Sachverständigen und Gewerkschafter folgende geradezu verzweifelte Frage gestellt: Meine Herren, können Sie uns einen Rat geben, wie es uns als Landesregierung gelingen kann, die Beschäftigten in Zukunft bei Reformprozessen besser mitzunehmen? – Die

se Frage ist ja richtig. Sie zeigt im Übrigen die Qualität Ihrer angeblichen Dialoge, die Sie mit den Gewerkschaften führen, denn von denen erzählen die nie etwas. Diese Frage wurde von dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, der nicht in der Arbeitsgemeinschaft für sozialdemokratische Arbeitnehmer und nicht in der SPD, sondern in der CDA und inzwischen, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, leidlich bekennendes CDU-Mitglied ist, mit den Worten beantwortet: Mein erster Rat ist: Tun Sie doch bitte wenigstens so, als würden Sie sich für die Belange der Beschäftigten in der Landesverwaltung interessieren.

Eine solche Kritik eines eingeschriebenen CDU- und CDA-Mitglieds müsste Ihnen auf den Bänken der CDU doch inzwischen zu denken geben.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Dann würden Sie auch merken, wieweit Sie sich inzwischen von einer Volkspartei verabschiedet haben, die nicht die Interessen der neoliberalen FDP und des Wirtschaftsflügels aufnimmt, sondern die die Interessen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen im Auge hat. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Düker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister Wolf, ich möchte für meine Fraktion Ihren Versuch, das Parlament in die üblichen Lager aufzuteilen – dort die Linken, die immer dasselbe reden, und dort die Vernünftigen, die voranschreiten – aufs Schärfste zurückweisen.

(Beifall von den GRÜNEN)

In diesem Haus hätten Sie für Ihre Vorschläge keine Mehrheit, wenn die Abgeordneten der CDU das im Grundgesetz niedergeschriebene Recht, nach ihrem Gewissen zu entscheiden, ernst nehmen würden. Das müsste Ihnen doch zu denken geben. Trotzdem haben Sie nach den langen Debatten, die wir überall vor Ort geführt haben, an dem Referentenentwurf, mit dem Sie die Mitbestimmungsrechte abbauen wollen, nichts geändert.

Ich lese Ihnen einmal vor – Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hören Sie sich das einmal an –, was Ihre Parteikollegen der Landesarbeitsgemein

schaften in der CDA dem Ministerpräsidenten schreiben:

„Wir“

CDU-Mitglieder –

„sind der Auffassung, dass das geltende Landespersonalvertretungsgesetz den Grundsätzen unserer Partei entspricht und es der Partei gut anstünde, sich für die konkrete Anwendung des Gesetzes und vor allem für den Geist des Gesetzes stark zu machen. Das jetzt geltende Personalvertretungsgesetz geht von einem vertrauensvollen Miteinander von Dienststellenleitung und Personalvertretung aus. Es verpflichtet die Personalvertretung, im Interesse der Dienststelle und des Personals zu handeln.“

Es geht auch nicht um die konkreten Buchstaben des Gesetzentwurfes, von denen der eine oder andere durchaus gerechtfertigt sein mag, sondern es geht darum, dass Sie den Geist des Personalvertretungsrechtes infrage stellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Geist ist das vertrauensvolle Miteinander von Dienststelle und Personal zum Wohle des Landes. Es geht um das Wohl des Landes. Dass Sie hier eine Misstrauenskultur entwickelt haben, eben nicht ein Miteinander, sondern ein Gegeneinander, das zeigen die Reaktionen der Personalräte.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

In Ihrem eigenen Haus werden Reden gehalten, die wirklich eine Katastrophe für einen Behördenleiter und auch für jeden Unternehmensleiter darstellen. Es ist Ihr Stil, Herr Minister, es ist Ihr Umgang mit den Beschäftigten, der es unmöglich macht, mit Ihnen sachlich über die an der einen oder anderen Stelle durchaus notwendigen Reformen sachlich zu diskutieren.

Ich kenne – Herr Kollege Rudolph hat es angesprochen; wir sind mit dem Innenausschuss sehr viel unterwegs, auch in der Polizei – von den 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei im Land keinen mehr, der noch sagt: Das ist mein Innenminister.

Wenn 3.000 Polizisten vor der Staatskanzlei stehen – das ist einem Innenminister dieses Landes bisher noch nicht passiert – und fordern, dieser Innenminister muss weg, er vertritt nicht unsere Interessen, dann wird einem angst und bange, auch um die Sicherheit in diesem Land, wenn Sie mit den Beschäftigten so umgehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir sind doch auf ein gedeihliches Miteinander von Beschäftigten und Behörde angewiesen. Um welche Beschäftigten geht es denn? Es geht um Polizei, es geht um Lehrer, es geht um kommunale Angestellte,

(Ralf Jäger [SPD]: Um Justiz!)

die in den Kindergärten arbeiten. Das sind doch alles wichtige Arbeitsbereiche. Es ist von Interesse für das ganze Land, dass es funktioniert.

Herr Orth, nun noch einmal zu Ihren Vorschlägen. Welche Vorschläge haben Sie denn? Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Der Begründung des Referentenentwurfes, die Kollege Engel vorgelesen hat, ist zu entnehmen, dass der Gesetzentwurf die Vorschläge des Landesrechnungshofs umgesetzt hat. – Das stimmt gar nicht.

Ich lese Ihnen vor, was der Landesrechnungshof zum Bereich Schule sagt:

„Der Landesrechnungshof empfiehlt daher, wie in anderen Bundesländern auch in NordrheinWestfalen in wesentlich größerem Umfang schulformübergreifende Strukturen zu schaffen.“

Das ist die Empfehlung des Landesrechnungshofs. Die finden wir richtig, und genau die haben Sie nicht umgesetzt. Sie haben diese alten Strukturen in Ihrem Gesetz beibehalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das wäre ein Reformschritt gewesen, der wirklich Sinn macht. Aber an der Stelle drücken Sie sich, warum auch immer, um eine Reform. Da gibt es wohl Interessensgruppen, die mehr wert sind, und andere, die weniger wert sind.

Noch ein bisschen Nachhilfeunterricht zum Erörterungsverfahren. Es geht nicht darum, dass man Strukturen da abschafft, wo sowieso alles „durchgewunken“ wurde. Ein Erörterungsverfahren setzt dann ein, wenn ein Personalrat einer bestimmten Maßnahme nicht zustimmt. Das heißt, es setzt dann ein Dialogverfahren ein, wenn es einen Konflikt gibt. Natürlich wird im Dialogverfahren nicht „durchgewunken“, sondern es wird miteinander diskutiert. Das nennt man Streitkultur auf Augenhöhe. Das nennt man dialogisches Verfahren. Dazu sagen einem die Personalräte: Genau dann kommen wir in 98 % der Fälle zu einem Konsens.

Dieses sehr moderne Instrument der Steuerung in einer Behörde – ich bin froh, dass wir es haben, und ich finde es schade, dass andere es nicht haben –, diese Errungenschaft, wollen Sie abschaffen. Und nicht nur wir – versuchen Sie nicht, uns

in diese Ecke zu drängen –, sondern auch Ihre Kollegin Müller-Piepenkötter – ich habe gerade deren Stellungnahme vorgelesen – sagt mit den gleichen Worten, dass sich solch ein Instrument im Sinne der Arbeit bewährt hat. Warum schaffen Sie dies ab?

Hier geht es nicht um Lager, die gegeneinander stehen, Herr Minister, hier geht es schlicht um Vernunft und um vernünftige Reformen, um Reformen auf Augenhöhe. Es geht um Anerkennung, um eine Kultur der Wertschätzung und um Demokratie. All diese Werte scheinen Ihnen nicht besonders viel wert zu sein. Ich hoffe im parlamentarischen Verfahren auf ein Umdenken bei den Kollegen der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN)