Protocol of the Session on November 15, 2006

Kommen Sie doch einmal zur Ruhe! – Da gibt es in Berlin nun zaghafte Schritte in Richtung einer Verbesserung der Standortbedingungen unserer Unternehmen. Zaghafte, zögerliche Schritte, die noch nicht einmal den Entlastungsimpuls bringen, den wir brauchen, um zu mehr Beschäftigung insbesondere im Mittelstand zu kommen! In diese Diskussion schaltet sich die NRW-SPD mit dem Hinweis ein, man dürfe angesichts fragwürdiger Entscheidungen einzelner Unternehmen insgesamt nicht zu einer Entlastung kommen. – War das nur Unverständnis, wie Herr Steinbrück vermutet hat? Oder war das nicht eher Populismus?

(Ralf Jäger [SPD]: Sie sind ein bisschen ori- entierungslos! Kann das sein?)

Übrigens: Populismus in einer konzentrierten Form, denn Sie haben in Kauf genommen, dass er sich am Ende des Tages gegen die Menschen richtet, weil Sie ihnen Beschäftigungschancen vorenthalten wollen! Das ist die Art, wie Sie mit den Nöten und Sorgen der Menschen umgehen.

(Beifall von der FDP – Ralf Jäger [SPD]: Jetzt kommen Sie mal zum Thema!)

Zum anderen – in der Tat, Herr Jäger – geht es um die Debatte über die vom Ministerpräsidenten angeregte Überarbeitung der Hartz-Gesetze. Worum geht es da? Wir führen die Debatte doch auch, weil es vielen – auch gut ausgebildeten – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, mittlerweile fast unmöglich ist, binnen Jahresfrist eine neue Stelle zu finden. Das ist glücklicherweise anders bei jüngeren Arbeitsuchenden. Die Älteren aber, die

vielfach ohne eigenes Verschulden ihren Arbeitsplatz verloren haben, werden auch nach vielen Jahren als Beitragszahler genauso behandelt wie diejenigen, die nur kurz Beiträge entrichtet haben. Auch nach Jahrzehnten der Beitragszahlung finden sich diese Arbeitnehmer – nennen wir es beim Namen – nach kurzer Zeit auf dem Niveau der Sozialhilfe wieder. Sie verlieren zudem große Teile ihrer Altersversorgung.

Das empfinden die Menschen als ungerecht. Das hat auch nichts mit Leistungsgerechtigkeit zu tun. Dieses Empfinden in weiten Teilen der Bevölkerung gefährdet die Zustimmung zu den weiteren in Deutschland noch notwendigen Reformen. Deshalb, Herr Ministerpräsident, war und ist es richtig, dass Sie dieses Gefühl der Menschen aufgegriffen haben. Wenn Sie die Menschen auf dem notwendigen Kurs der Erneuerung ernst nehmen und mitnehmen wollen, dann haben Sie dafür die Unterstützung der FDP.

(Beifall von FDP und CDU – Ralf Jäger [SPD]: Können Sie das nicht in der Kaffee- klappe miteinander klären?)

Was hören die Menschen von der sogenannten Schutzmacht der kleinen Leute, der SPD, in dieser Frage? Die Menschen hören Versicherungsmathematik, Technokratendeutsch, Argumente gut situierter Funktionäre. Die Menschen nehmen wahr, wie Frau Kraft, Herr Dieckmann, Herr Groschek, Herr Heil und Herr Schmeltzer in persönlich diffamierender Weise gegen den Ministerpräsidenten kübeln.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von der SPD)

Entschuldigen Sie! So kann man mit den Menschen ja umgehen wollen. Dann dürfen Sie sich aber nicht wundern, Frau Kraft und andere, wenn Sie hier in Nordrhein-Westfalen bei 30 % Zustimmung dümpeln, wenn aus der Volkspartei SPD eine Drittelpartei wird. Sie dürfen sich nicht wundern, wenn die Menschen Ihnen gar nicht mehr zuhören, wenn die Menschen Sie noch nicht einmal mehr kennen. So wurde in einer Bürgerumfrage des ARD-Magazins „Fakt“ am vergangenen Montag von den Befragten vermutet, Jochen Dieckmann sei ein Autoverkäufer.

(Carina Gödecke [SPD]: Sie starten einen Rundumschlag! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Sie haben also den Kontakt zu den Menschen im Land verloren. Auf ihren Parteitagen singt die SPD noch „Völker, hört die Signale!“, bei Ihnen

selbst kommen die Signale aus der Bevölkerung überhaupt nicht mehr an. Das ist bedauernswert.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Zur Sa- che, Herr Kollege! – Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben während der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr Ihre Position dargelegt und

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Welche denn?)

um Unterstützung geworben. Wir, die NRW-FDP, haben uns diese Position zu eigen gemacht.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Deshalb ist die Überarbeitung der HartzGesetzgebung als politisches Ziel für jeden nachlesbar – nicht erst seit gestern – im Koalitionsvertrag verabredet. Was im Koalitionsvertrag verabredet ist, gilt – hier wie überall.

Mehr noch: Die FDP NRW regt an, der Haltung der Koalition durch eine Initiative im Bundesrat Geltung zu verschaffen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört! Wie sieht sie denn aus?)

Dabei wollen wir uns aber nicht nur auf eine Korrektur der Hartz-Gesetzgebung beschränken;

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Was haben Sie denn vor?)

wir halten es vielmehr für erforderlich, auch die Bedingungen am Arbeitsmarkt zu verbessern, damit weniger Menschen überhaupt erst ALG I und II in Anspruch nehmen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Für uns gilt nach wie vor: Arbeit hat Vorfahrt! Das ist die zentrale politische Herausforderung.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD] – Weitere Zurufe)

Und eine NRW-Bundesratsinitiative müsste nach unserer Überzeugung deshalb auch Folgendes umfassen.

Erstens: Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Tarifvertragsgesetzes, um mehr Bündnisse für Arbeit zu ermöglichen.

(Beifall von der FDP – Lebhafter Wider- spruch von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Was sagt die CDA dazu?)

Das dürfte Ihnen auch nicht neu sein. Wenn sich die Betroffenen vor Ort gemeinsam auf eine Ver

änderung des Flächentarifvertrags beziehungsweise auf eine Abweichung vom Flächentarifvertrag verständigen, darf das nicht von betriebsfernen Gewerkschaftern,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das wird ja immer schlimmer!)

vom Tarifkartell der Schneiders, Römers, Schmeltzers und Co. verboten werden können.

Zweitens: Wir sind der Auffassung, dass wir eine Effizienzsteigerung bei der Beratung und Vermittlung von Arbeitsuchenden brauchen. So wird man den Nöten der Menschen gerecht.

Heute müssen – das hat der Bundesrechnungshof noch einmal dargelegt – Erwerbslose teilweise monatelang auf das erste Beratungs- und Vermittlungsgespräch warten. Dadurch geht nicht nur kostbare Zeit verloren, sondern dadurch wird auch der Bezug des Arbeitslosengeldes künstlich verlängert. Deshalb wollen wir Reibungsverluste vermeiden und reduzieren, indem die Argen neu strukturiert werden und

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Zeitverschwendung ist das!)

der kommunale Verantwortungskreis gestärkt wird.

Drittens – mein letzter Gedanke, Frau Präsidentin –: Wir brauchen zwar keine neuen Sanktionen, wenn zumutbare Arbeit nicht angenommen wird, aber wir müssen die Sanktionsmöglichkeiten, die vorhanden sind, besser nutzen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ah!)

Seitens der Arbeitsverwaltung selbst ist in diesen Tagen in einem Interview gesagt worden, dass sich die Berater noch viel zu oft als fürsorgende Sozialarbeiter verstehen. Das sind sie aber ausdrücklich nicht. Sie haben einen Beratungsauftrag. Sie müssen aber auch erkennen, wenn Unwillen besteht, angebotene und verhältnismäßige Arbeit anzunehmen.

Unser Ziel ist es, die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft mit sozialer Sensibilität zu verbinden. Sie wollen weder die soziale Marktwirtschaft erneuern

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Gemach, ge- mach!)

noch sind Sie sozial sensibel.

(Widerspruch von der SPD)

Das unterscheidet uns.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Landesregierung spricht nun der Sozialminister, Karl-Josef Laumann.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das gibt es doch gar nicht! – Zuruf von den GRÜNEN: Der Ministerpräsident traut sich nicht! – Zuru- fe von SPD und GRÜNEN – Gegenrufe von CDU und FDP – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Feigling! – Helmut Stahl [CDU]: Mein Gott! – Weitere Zurufe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin!