Ebenfalls ist mit der alten Behauptung aufzuräumen, Ersatzschulen – damit gehe ich auf Frau Beer ein – bevorzugten vor allem bildungsnahe Schichten. Der überwiegende Anteil aller Ersatzschulen befindet sich in kirchlicher Trägerschaft.
Schon aufgrund ihres sozialen Engagements stehen sie dafür ein, dass alle Bevölkerungsgruppen dort Zugang haben.
Und schließlich entsprechen Ersatzschulen dem Elternwillen, wie die Bewerberüberhänge deutlich belegen.
Von einer Klientelpolitik kann somit keine Rede sein. Im Gegenteil: Ersatzschulen sind eine Bereicherung der vielfältigen Bildungslandschaft des Landes, die wir alle – und das eint uns doch auch – verbessern wollen.
Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, alte ideologische Gräben wieder aufzureißen. Die neue Landesregierung erkennt neben den öffentlichen Schulen auch die wertvolle Arbeit der Ersatzschulen ausdrücklich an, statt diese durch Kürzungen zu schwächen. Das entspricht der Politik des Förderns und Forderns.
Obwohl diese Anerkennung – jetzt spreche ich Sie an, Herr Große Brömer – nun durch nur zwei Worte im Schulgesetz angereichert wird, denke ich, dass die Formulierung „und bereichern“ sehr deutlich ist. Etwas anzureichern, etwas ein Stück weit herauszuheben und in die Vielfalt zu integrieren, ist letztlich mit diesen beiden, wenn auch kurzen Worten intendiert.
Zu Recht sagen Sie an dieser Stelle, dass unsere Schulen in nicht freier Trägerschaft konkurrenzfähig seien. Selbstverständlich sind sie das! Wir tun ja auch eine Menge dafür. Wir stecken auch viel hinein.
Meine Damen und Herren, es gilt – das ist an dieser Stelle bereits von meinen Vorrednern gesagt worden –, Hürden abzubauen. Es gibt möglicherweise ein bürokratisches Antragsunwesen. Da müssen wir einiges tun. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg. Meines Erachtens ist es wichtig, die Ersatzschulen als weitere wichtige Säule im Bildungssystem zu erhalten, und wir begrüßen jeden Neuankömmling. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nun erteile ich Herrn Kollegen Witzel für die Fraktion der FDP das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eben in der Debatte von den Grünen wieder einmal viel Ideologiefreies zum Thema Privatschulen und vielen anderen schulstrukturellen Überlegungen gehört. Insofern kann ich Sie beruhigen, Frau Beer: Richtig ist erstens, dass wir die Gesamtschulprivilegien, die Sie die letzten zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen etabliert haben, nach und nach zurückbauen werden. Zweitens werden wir konsequent handeln, um der sozialen Selektivität, die Sie zum Ende Ihrer Amtszeit im Bildungswesen hinterlassen haben, entgegenzuwirken. Und drittens werden wir auch zukünftig klar zum gegliederten Schulsystem stehen.
Wir sind gegen Ihre Vorstellung einer Zwangseinheitsschule für alle. Allerdings haben wir die gedankliche Flexibilität und die mentale Offenheit, damit in dem Bereich, im dem es bildungsexperimentell beispielsweise um Innovationen – das ist ja ausdrücklich Selbstverständnis und Ziel von Schulen in privater Trägerschaft – geht, im Einzelfall auch andere Wege jenseits des Standardsystems im öffentlichen Bereich gegangen werden können.
Wir wollen diese Innovationen ausdrücklich. Man kann lernen. Vieles, was Schulen in privater Trägerschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt haben, war auch für den öffentlichen Bereich beispielgebend; dies wurde manchmal nach Jahren der Verzögerung übernommen. So können unterschiedliche Systeme gegenseitig voneinander lernen. Diese mentale Offenheit haben wir uns erhalten.
Herzlichen Dank, Herr Witzel. Das freut mich. – Vor dem Hintergrund Ihrer gerade gemachten Ausführungen frage ich Sie, ob Sie den Elternwunsch – 14.000 Anmeldeüberhänge hatten wir zum letzten Schuljahr – für ein Privileg der Gesamtschulen halten. Das ist schließlich ein eindeutiger Elternwunsch. Wie kommentieren Sie das?
Frau Beer, das kann ich Ihnen gerne erläutern, wie ich es auch in der Vergangenheit in anderen Debatten gemacht habe.
Wir schätzen den Elternwillen außerordentlich und an einigen Stellen sogar mehr als Sie, wie Sie es in den letzten Jahren getan haben und aktuell tun. Deshalb sprechen wir uns dafür aus, dass sich bei der Wahl des Schulstandortes Eltern zukünftig für alle Schulformen entscheiden können und ihnen nicht der Staat die Entscheidung abnimmt.
Wenn man sich allerdings ehrlich und ernsthaft über das Wahlverhalten für eine spezielle Schulform – darauf zielte Ihre Frage – und die Situation hinsichtlich Anmeldeüberhängen und Bedarfen unterhalten will, dann darf man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Vielmehr müssen verschiedene Schulformen auf Augenhöhe miteinander konkurrieren, und zwar in Bezug auf die sächliche Ausstattung, die Personalausstattung und die Spezifika des Systems. Wir sind gerade dabei, die Gesamtschulprivilegien Stück für Stück abzubauen.
Zum Beispiel den vorgezogenen Anmeldetermin. Das Anmeldeverfahren für die Gesamtschulen beginnt normalerweise zwei Wochen früher. Insofern sind viele Eltern, die die erste Chance der Schulanmeldung nutzen, schon an der Stelle mit im Verfahren drin,
bevor die Einschulungsverfahren für das gegliederte Schulwesen beginnen. Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Das gilt für die Ressourcenzuweisung und für das Personal.
Sie wissen doch, Frau Beer – um Ihre Frage zu beantworten –, dass ein ganz wesentlicher Faktor für Gesamtschulanmeldungen das Ganztagsprivileg ist.
Frau Beer, ich beantworte doch nur Ihre Frage. Auch Sie sitzen doch in Veranstaltungen mit Menschen, die Ihnen sagen: Wir brauchen Ganztagslösungen für unser Kind; deshalb haben wir uns für diese Schulform entschieden und nicht, weil wir von einem auf Einheit angelegten Schulsystem pädagogisch überzeugt sind.
All diese Faktoren muss man sehen. Wenn wir auf Augenhöhe alle Schulen mit diesen Ressourcen ausstatten, Ganztagsangebote mit den nötigen 20%igen Stellenzuschlägen haben etc., dann
Heute sind wir aber nicht beim Thema „Gesamtschule“, sondern beim Thema „private Schulen“. Und es freut uns außerordentlich, dass sich mehr Eltern für dieses System entscheiden, als das früher der Fall war. Auch Sie kennen die Umfragen, die zeigen, dass potenziell bis zu 20 % der Eltern an privaten Beschulungsangeboten interessiert sind. Hingegen haben wir gegenwärtig eine Bedarfsdeckung von nur 6,5 %, sodass hier noch Aufholbedarf besteht.
Herr Kollege Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Große Brömer? Der Ordnung halber weise ich darauf hin, dass sich die Kollegin Hendricks ebenfalls zu einer Zwischenfrage gemeldet hat.
Selbstverständlich würde ich den Kollegen das gleiche Recht einräumen wie der letzten Fragestellerin. Ich bitte nur darum, weil hier schon die ganze Zeit die Uhr mitläuft, sie jetzt anzuhalten.
Herr Witzel, die Uhr lief nicht die ganze Zeit. Für die Frage und auch für die Beantwortung der Frage haben wir die Uhr sehr wohl gestoppt. Lediglich in der Unterbrechung gerade ist sie nicht gestoppt worden. Dafür bekommen Sie 15 Sekunden mehr Redezeit.
(Ralf Jäger [SPD]: Wir zählen mit! – Carina Gödecke [SPD]: Herr Witzel, jetzt aber! Nut- zen Sie die 15 Sekunden!)
Herr Kollege Witzel, wenn Sie tatsächlich der Meinung sind, was Sie so eindimensional begründen, dass der Nachfrageüberhang bei Gesamtschulen seine einzige Ursache in der Ganztagsorganisation und in der angeblich besseren Lehrerversorgung hat: Mit wie viel Überhang rechnen Sie bei den Anmeldungen für diejenigen Hauptschulen, die in Ganztagsform geführt werden und die mittlerweile nachweislich besser mit Lehrern versorgt sind?
Herr Große Brömer, ich kann die unmittelbaren quantitativen Auswirkungen der Qualitätsoffensive nicht prognostizieren, weil schon ein bestimmter Zustand eingetreten ist. Wir haben aber dort einen Verdrängungswettbewerb gehabt. Dessen bin ich mir sehr sicher; das kann
ich Ihnen auch gerne anhand vieler Fallbeispiele unterschiedlicher Städte nachweisen. Es sind in den letzten Jahren im Wesentlichen dort Hauptschulen geschlossen worden, wo in unmittelbarer örtlicher Nähe neue Gesamtschulen gegründet wurden, neu ausgestattet vonseiten des kommunalen Schulträgers und mit mehr Personal versehen. Wir können uns gerne viele Städte daraufhin anschauen, welche Korrelation es zwischen Gesamtschulneugründungen und Hauptschulschließungen gibt. Ich glaube, das gehört zu einer fairen Bewertung im Gesamtkontext Ihrer Frage dazu.
Herr Witzel, ich würde von Ihnen gerne wissen, ob es eine generelle Aussage von Ihnen ist, dass es zukünftig keine vorgezogenen Anmeldungen für jedwede Schulform geben soll. In Kommunen gibt es gerade für Gymnasien, speziell für Gymnasien in privater Trägerschaft, vorgezogene Anmeldungen. Heißt das, im Rahmen der Gleichbehandlung wird es für niemanden mehr vorgezogenen Anmeldungen geben, obwohl diese dazu dienen, Schülerströme zu kanalisieren?
Nein, das habe ich an dieser Stelle nicht gesagt, Frau Hendricks. Deshalb bin ich Ihnen auch dankbar für Ihre Frage, die mir Gelegenheit zur Klarstellung gibt. Ich habe auch nicht angekündigt, dass das Land zwingend zu einem bestimmten Termin etwas neu regeln muss. Aber wenn wir uns ernsthaft darüber unterhalten, welche Faktoren auch in der Organisation des Ablaufs Einfluss auf das Anmeldeverhalten, auf die Entwicklung der Schülerzahlen haben, dann müssen wir die Gesamtheit der Effekte sehen.
Uns ist wichtig, dass wir unter dem Strich nach einer fairen Gesamtabwägung und unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten unser Schulsystem so umgestalten, dass wir – anders, als es in der Vergangenheit war – einen fairen Wettbewerb aller Schulformen ermöglichen. Es gibt in der einen wie in der anderen Richtung Vor- und Nachteile, mit denen bestimmte Schulformen wie auch organisatorische Modelle öffentlicher und privater Angebote momentan ausgestattet sind. Deshalb schauen wir uns das in nächster Zeit an. Ich will ausdrücklich nicht ausschließen, dass es nicht auch sinnvolle örtliche Gründe oder Gesamtabwägungen geben kann, Frau Hendricks, die vielleicht dazu führen, es bei der jetzigen Regelung
zu belassen. Mir ist nur wichtig, dass es unter dem Strich ein faires Paket gibt, damit unterschiedliche Schulformen und unterschiedliche Schulangebote auf Augenhöhe miteinander konkurrieren können.
Deshalb mein Tipp: Schauen wir doch einfach einmal ein paar Meter weiter hinter die niederländische Grenze! In den Niederlanden beträgt der Anteil an Schulen in privater Trägerschaft 70 %, in Spanien immerhin noch 40 %. Es gibt also durchaus europäische Staaten, auch in unserer Nachbarschaft, die das Schulwesen anders organisieren: mit einem geringeren öffentlichen Anteil und mehr privaten Entscheidungsfreiheiten.
Deshalb treten wir für rechtliche Vereinfachungen und für den Abbau bürokratischer Hürden in Genehmigungsverfahren ein. Wir wollen ausdrücklich, dass die Schulaufsicht eine Unterstützungsinfrastruktur bei Privatschulgründungen ist und sich nicht im Wesentlichen als Instanz versteht, die noch das letzte Haar in der Suppe findet, wie es uns hier in den letzten Jahren in vielen Fallbeispielen dargestellt worden ist.
Unser Leitgedanke ist, auch im Privaten die Angebote zu schaffen, die vonseiten der Schüler- und Elternschaft gewollt werden. Mein Vorredner von der CDU hat eben darauf hingewiesen, dass der Staat im Übrigen in hohem Maße finanziell profitiert, wenn es zu einem höheren Anteil von Schulen in freier Trägerschaft kommt: durch die Einsparungen, die damit für alle verbunden sind. Das sind öffentliche Ressourcen, die wir für die Qualitätsentwicklung des gesamten Schulwesens viel sinnvoller nutzen können.